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wachsleinmwandener Bekleidung, tft man billig ganz zurkdgefommen, da fie nichts
nußen können, wol aber unendlich ſchaden.
Von Seiten des Staates und einzelner Ortsobrigkeiten kann und muß
manche Vorſichtsmaßregel gegen die Cholera ausgeführt werden, wenngleich in die:
ſer Hinſicht oft auf der einen Seite zu viel, aufder andern zu wenig gefchieht. Vor
Allem aber darf die Maßregel nicht härter ſein als die gefürchtete Cholera ſelbſt.
Die wichtigſten der hierher gehörigen Dinge möchten ſein: 1) Verſorgung der Ar-
men mit der nôthigen warmen Bekleidung, Bede>ung , Heizung und mit paſſen-
den Nahrungsmitteln; Unterfuchung ihrer Wohnungen, Aufficht auf Reinlichkeit
derſelben und Vermeidung des Überfüllens allzu kleiner Räume mit Menſchen und
Thierenz Sorge für hinlänglichen und leicht erreichbaren Arztlichen Beiſtand für
dieſelben. 2) Sorge für Reinheit der Luft in den Straßen und Häuſern , daher
wachſame Aufſicht auf alle Luftverunreinigung durch ſtehende Wäſſer, durch fau-
lenden-Unrath auf den Straßen, verweſende Thiere, offene Goſſen, Kloaken und
Düngergeuben. Hierher gehört auch die Luftreinigung dur< Chlor (\. d.) und
Eſſig. 3) Zwe>bmäßige Belehrung des Volkes über die gegen die Krankheit zu
ergreifenden Schugmittel, namentlih Ermahnungen zur Nüchternheit, Mäßig-
keit und Reinlichkeit. Zerſtreuung beunruhigender Gerüchte úber die Bösartigkeit
der Cholera und über vermeintliche Urſachen derſelben; Bekämpfung der allzu ängſt-
lichen Scheu vor der Krankheit und der leichtſinnigen Sicherheit; Aufſicht auf die
Ankündigung und den Verkauf von angeblichen Präſervativmitteln. 4) Anle-
gung von Hoſpitälern für Cholerakranke verſchiedenen Standes, von Hülfsſtuben
für die plöglich auf der Straße Erkrankenden, Aufſicht auf hinlänglichen Vorrath
guter Arzneien in den Apotheken des bedrohten Ortes, Sorge für zwe>mäßige
Vertheilung des ärztlichen und wundärztlichen Perſonals, Anſtellung und Unter-
weiſung von Krankenwärtern beiderlei Geſchlechts; Anordnung einer ſachkundig
und ſtreng geleiteten Todtenſchau. Abſperrung , Cordons und Contumazanſtalten
haben ſich dagegen mehr ſchädlich als nüslich gezeigt, weil ſie die Gemüther beun-
ruhigen, zu Bedrükungen Veranlaſſung geben , den geſelligen Verkehr ſtören und
eine große Anzahl von Menſchen brotlos machen. Die epidemifche Natur der
Krankheit frogt dabei allen folchen Abſperrungsmaßregeln, die nur dann von Wirk-
ſamkeit ſein könnten , wenn die Verbreitung der Krankheit einzig und allein durch
ein fixes Contagium geſchähe, was aber, wie wir geſehen haben, bei der Cholera der
Fall nicht iſt. Man hat daher auch alle dieſe Anſtalten, mit ſo großem Eifer ſie
anfangs eingerichtet wurden und ſo koſtſpielig ſie auch geweſen ſind, faſt überall
wieder aufgegeben.
Das Verhältniß der Cholera zur Medicin unſerer Zeit, zur
ärztlichen Wiſſenſchaft und Kunſt, wie ſie jest beſteht, iſt ein ſolches, deſſen die
Arzte ſich keineswegs zu ſchämen haben, und wol vermögen ſie fich gegen alle Bes
\huldigungen hinlänglich zu vertheidigen, welche bei Gelegenheit dieſer Weltſeuche,
tie fo oft fchon, erhoben worden ſind. Man hat ihnen zum Vorwurfe gemacht,
eine allzu große Menge von Héilmitteln und Heilmethoden gegen die Cholera ge-
ſucht und empfohlen, und dadurch bewieſen zu haben, daß die Natur und Behand-
lung der Cholera ihnen noch fremd ſei. Darauf iſt zu antworten, daß menſchliche
Kräfte, ſolchen Seuchen gegenüber, ebenſo gering ſind als gegen Ungewitter und
Erdbeben, und daß auch die ärztliche Kunft folchen Mächten, wie fie hier ihr gegen:
ÜUberſtehen, nur wenig abzugewinnen vermöge z daß ſie aber ihnen gar nichts abge-
wonnen habe, iſt unwahr und ſtreitet gegen die Erfahrung. Das aber, was der
ärztlichen Kunſt gegen eine ſolche Seuche zu Gebote ſteht, iſt nicht ein einziges
Mittel, nicht eine einzige Heilmethode, ſondern ein möglichſt ſorgfältiges Anſchlie-
Ben der Kunft an die jedesmalige individuelle Geftalt dev Krankheit in allen ihren
Äbänderungen z daß daher die Ärzte nicht auf Einem und demſelben Mittel beharr-