Soncordate Der neuern Zeit 489
niſſe der Kirche im Staate zu betrachten iſt, als eine wahre Verkümmerung der ge-
ſe6gebenden , aufſchenden und vollziehenden Gewalt des Staates hinſichtlich aller
von ihm dem rômiſchen Stuhle vertragsmäßig zugeſtandenen Rechte, welche nun
einmal vermöge dieſer Vertragsnatur von den contrahirenden Theilen nicht ein-
ſeitig aufgehoben oder interpretirt werden können. Nach dieſem Concordate beſte-
hen in dem Königreiche Baiern zwei Erzbisthümer und ſehs Bisthúmer, alle von
dem Staate mit Grundeigenthum zur Selbſtverroaltung ausgeſtattet ; oder zwei
Eicchliche Provinzen und acht Divcefen. Ju jeder der legten befinden ſich ein
biſchöfliches Seminarium, Verſorgungshäuſer für ſiehe und alte Geiſtliche, und
einige vom Staate angemeſſen ausgeſtattete Klöſter für Mönchsorden beiderlei Gez
fchlechts. Dem König wird darin das Ernennungsrecht zu den erledigten Stüh:
Ion der Metropolitan und! Kathedralkicchen, zu den Domdechaneien und zu den-
jenigen Kanonicaten, die in den ſogenannten apoſtoliſchen Monaten erledigt wer:
den, zugeſtanden, zu deſſen Ausübung er ein päpſtlihes Jndult vom 17. Nov.
1817 empfing. Dagegen ſteht den Erzbiſchöfen und Biſchöfen das Ernennungs-
recht zu den, in den drei andern der übrigen Monate erkedigten Kanonicate zu, der
Papft aber befest die Dompropfleien. Baiern überträgt darin außerdem noch die
Ernennung der biſchöflichen Vicarien, Nathsglieder und Coadjutoren, wie auch die
Erhebung in den geiſtlichen Stand, den Biſchöfen frei und ohne Beſchränkung.
Es wird verboten, mehr als eine geiſtliché Pfründe zu beſizen. Annaten und Kanz-
feitagen werden von Neuem, nad) Verhältniß des Einkommens der Erzbiſchöfe und
Bifchöfe, feftgefest. Die Patronats: und andere dahin gehörige Rechte find bei:
behalten worden. Dem Könige hingegen verbleibt die Präſentation zu allen Bes
neficien, worauf Bgierns Herzoge und Kurfürſten Patronatsrechte beſaßen; fo
auch zu ſolchen, auf welche je6t nicht mehr beſtehende Kirchencorporationen früher
Anſpruch machen konnten. Auch die Unterthanen behalten ihre Patronatsrechte.
Das Concordat erklärt ferner die bairiſche Kirche für beſugt, neue Vefigungen mit
Eigenthumsrecht zu erwerben, bei denen Suppreſſion oder Unión ohne Zuſtim-
mung des apoſtoliſchen Stuhles nicht ſtattfindet, doch mit dem Vorbehalt der
biſchöflichen Facultäten nah dem tridentiniſchen Concilium. Es beſtimmt bei
geiſilichen Verrichtungen, beſonders in der Meſſe und bei Spendung der Sacra-
mente, den Gebrauch der üblichen Kirchenformeln in lateiniſcher Sprache. Nach
ihm gehören geiſtliche Angelegenheiten, beſonders alle die Ehe betreffenden, nach
Vorſchrift dex tridentiniſchen Kirchenverſammlung vor geiſtliche Richter, rein bur
gerliche Rechtshändel der Geiſtlichen aber vor die weltlichen Gerichte. Es geſtattet
den Biſchöfen, ihre Juſtructionen und Verordnungen über Kikchenſachen öffentlich
bekannt zu machen, und frei zu verkehren mit dem päpſtlichen Stuhle. Überhaupt
erſtrecêt es die Rechte und Wirkſamkeit der Biſchöfe im Allgemeinen auf alle kirh-
lichen und kanoniſchen Vorſchriften, auf die Erkennung von Strafen für Geiſtliche
und Laien, auf die Anordnung von Gebeten und andern frommen Werken; ja die
Staatsregierung wird ſogar verpflichtet, die Verbreitung ſolcher Bücher zu hindern,
welche die Biſchöfe als unvereinbar mit dem katholiſchen Glauben, den guten Sit:
ten oder der Kirchenzucht bezeichnen. :
Preußen. Das berliner Cabinet, durdy- die bisherigen Erfahrungen über:
zeugt, daß mit der römifchen Curie eine gemeinfchaftliche Übereinkunft für eine
eigentlich deutfch-Eatholifche Kicchenverfaffung nicht zu Stande zu bringen ſei,
knúpfte ebenfalls, wie Baiern, gleich nad) gefchloffenem Frieden befondere Unter:
handlungen mit Rom an, um die Verhältniſſe der katholiſchen Kirche des König-
reis zu ordnen. Man war für dieſen Zwe> um ſo thätiger, als die damalige
Stimmung der Rheinprovinzen, in welchen die Gemüther durch die geſchäftigen
Sintriguen der Romaniſten immer mehr und mehr verwirrt und verblendet wur-