Gonftitutionen der legten fünf Jahre 508
welcher noch viel zu große richterliche Attribute hat, und durch ſeine Verwaltungs-
juſtiz zu tief in die Rechte der Einzelnen eingreift, und eine beſſere Kreis - und
Gemeindeverfaffung, wodurch die Verwaltung ber Provinzen — wie wir mit
Bedacht ſagen, ftatt der Departements — größere Selbſtändigkeit erhalten, und
das allzu große Übergewicht der Hauptſtadt vermindert werden möchte. Darin
ſcheinen unſere deutſchen Einrichtungen höher zu ſtehen, und eine Befreiung der
Provinzen von der maſchinenmäßigen Centralregierung möchte ein ſehr zwe>mäßiz
ges, vielleicht das einzige Mittel ſein, die Verwaltung von einer ſehr nachtheiligen
Langſamkeit und einer bloß äußern Ubereinſtimmung zu befreien, dadurch aber in
den Provinzen ſelbſt der Regierung größeres Vertrauen, mehr wahre Kraft und
eine größere Popularität zu verſchaffen. Eine große Bedenklichkeit wurde durch
die Art erregt, wie dieſe Staatsveränderung ſanctionirt wurde, indem ſie nur von
einer, zur Veränderung des Grundgeſetzes ſchwerlich berechtigten Kammer befchlof-
fen, von der Pairstammer genehmigt und von einem König angenommen wurde,
welcher ſelbſt erſt dur fie auf den Thron berufen mar. Es wurde von Vielen
i verlangt, daß man die Nation ſelbſt über die Annahme des veränderten Grund-
CO geſeßes befragen ſolle, wie dies in den Jahren 1800, 1802 und 1304 wirklich ges
\ fchehen war. Die Beforgniß, daß die Stimmen dagegen oder doch die Mehrheit
zu gering ausfallen möchte, hätte davon nicht abhalten dürfen, weil ja bie rechtliche
Gültigkeit der neuen Verfaſſung nach ihrem eignen Princip nur aus ber Annahme
derſelben von Seiten des Volkes hergeleitet werden konnte, und die Regierung Lud-
wig Philipps durch dieſelbe eine ſchr große Befeſtigung erhalten haben würde. MN
Drei neue Conſtitutionen deutſcher Länder : des Kurfürſtenthums Heſſen a
(5. San. 1831), des Herzogthums Altenburg (29. April 1831) und des Kö: |
nigreihs Sachſen (4. Sept. 1831) und die Conſtitution des neuen Königreichs }
Belgien (7. Febr. 1831) find nun der Zeit nad auf bie franzöfifche Staats= ul
veränderung gefolgt, jedoch ohne daß man bei. dem Inhalte ſelbſt einen Einfluß |
franzöſiſcher publiciſtiſcher Principien wahrnehmen könnte. Die Ereigniſſe, welche M
in Kaſſel, Dresden und Altenburg die nächſte äußere Veranlaſſung der Verfaſſungs-
ARCUNg an N urkunden gaben, werden am gehörigen Orte dargeſtellt werden. (S. Kurheſſen,
i Sachſen und Sachſen-Altenburg.) Die Sache felbft aber war auch in
ie 008 groje C dieſen drei Ländern längſt als nothwendig erkannt, und der Inhalt der Urkunden
er Cea duri fchließe fich oft wörtlich den ältern Conſtitutionen von Baiern, Baden, Hefjen:
te gat dl Darmſtadt u. ſt. wo. an. Jun der ſächſiſchen und kurheſſiſchen wird das Princip der
Untheilbarkeit und der Erbfolge nah dem Rechte der Erſkgeburt ausgeſprochen, und
dadurch eine Frage entſchieden, welche in Anſehung des ſächſiſchen Hauſes bisher
ſehr beſtritten wurde. Jm Königreiche Sachſen ſoll bei gänzlicher Erledigung des
Mannsſtammes die Regierung auf die Prinzeſſin übergehen, welche mit dem lebten
König am nächſten verwandt iſtz aber dann wieder der Vorzug des Mannsſtammes
eintreten. Die Domainen werden in beiden Verfaffungen für Staatsgut, unver
äußerlich und von dem Lande unzertrennlich erklärt, und der Ausdru> in ber Der:
faſſung des Königreichs Sachſen ($. 20) : „Das Hausfideicommiß iſt Eigenthum
des königlichen Hauſes“, iſt alſo nur mit Einſchränkung zu verſtehen , indem daſz
ſelbe nie von der Krone getrennt werden kann. Folge dieſes Sages iſt eine Civil:
liſte. Jn die innern Volésverhältniſſe geht die heſſiſche Verfaſſung beſtimmter
und tiefer ein als die ſächſiſche, welche Vieles auf künftige beſondere Geſebe ver-
weiſt, wo ſi die erſte unumwunden erklärt und feſte durchgreifende Grundſätze
aufftelft, Gleichheit vor dem Gefeg, Freiheit des Gewiſſens und der Neligions-
übung, Ablöslichkeit der gemeſſenen und Verwandlung der ungemeſſenen Frohnen
in gemeſſene, Ablöslichkeit aller Grundzinſen und Zehnten, volle Preßſreiheit, mit
alleiniger Beſchränkung der Cenſur auf die in.den Bundesgefegen beſtimmten Fälle,
Unverleblichkeit des Briefgeheimniſſes, feſte Stellung der Staatsdiener, ſodaß fein