Full text: A bis E (1. Band)

Deutſche Literatur 635 
tender Syſteme hinter das Bollwerk einer behaglichen ſkeptiſchen Weltanſicht zu- 
rücziehen ſollte. Die Annahme, daß alle Speculation zu nichts führe und für 
das Leben keinen Gewinn abrverfe, gewinnt täglich mehr Boden, und den Gegnern 
Hegel's, einem Herbart , Troxler und Andern würde es, auh wenn ihnen die 
Lóſung chrer Aufgabe vollſtändig gelänge, kaum beſſer ergehen, als Dem, den ſie 
bekärapfen. Wenn in dem „Anthropoſophismus“ des Lebtern (ſiehe „Naturlehre 
des menſchlichen Erkennens“, 1828), mehr noch in Franz Baader's Schriften, 
der philoſophirende Geiſt ſich in die dunkel Tiefen des Myſticismus verſenkt, und 
wenn dieſe Geiſtesrihtung, wie die vielbeſprochene Geſchichte der Seherin von 
Prevorſt beweiſt, nach wie vor ihre Verehrer und Lobredner gefunden, ſo darf Sol: 
ches unter fo vielen andern Gegenfägen dev Zeit nicht Wunder nehmen, fo fehr wir 
auch in dieſer immer wieder von Neuem \erſuhten Rückkehr zu myſtiſcher Melt: 
anſicht ein bedauetliches Zeichen eben dieſer Zeit ſehen. Als eine um ſo erfreulichere 
Thatſache dürfen wir dagegen die überhandnehmende Hinneigung zu pſycho- 
logiſcher Forſchung betrachten. Hatte man dabei früher, in Folge des Einfluſſes 
Kant’ ſcher Principien, der Erfahrung zu wenig, ſpäter von Seiten des durch den 
Gegenſatz hervorgerufenen Empirismus zu viel eingeräumt, ſo ſcheint es jebt all- 
N mälig zu einer Vermittelung zwiſchen empiriſcher Beobachtung und metaphyſiſcher 
ea Speculation zu kommen, zu der bereits früher Herbart in ſeiner „Pſychologie“ die 
  
Mar perv Hand geboten hatte. Jnsbeſondere iſt hier das Verdienſt einiger philoſophiſch ge- 
y ende bildeten Ärzte und denkenden Naturforſcher um die vordem mit auffallender Mis- 
Y ſind und achtung behandelte Seelenheilfunde hervorzuheben, ſowie die Bemühungen mit fi 
Dank zu erkennen ſind, durh welhe Männer wie Fr. Groos, G. E. Schulze, “A 
Fr. Beneke, Heintoth, C. G. Carus und Andere die Geheimniſſe des Seelen: jf 
lebens im Ganzen und Einzelnen zu enthüllen verfuchten. Möge die befonnene 
Betrachtung auf dem eingeſchlagenen Wege fortſchreiten und ſich durch die etwaigen 
Eleinen Siege des Myftiismus und einer tehben Ascetik, die ſeit Kurzem wieder 
auch in dieſem Felde auf Eroberungen ausgehen, nicht irren laſſen! 
Keine philoſophiſche Disciplin von allen ſah ſich weniger begünſtigt als die 
Ethik, und ſo blieb es auch in der Politik bei einem gefahtvollen Hinz und Her- 
Ihwanken zwifchen zwei Ertremen, deren Vermittelung Ancillon vergebens unter- 
nahm. Als nun aber die Ereigniſſe der lezten Zeit lauter als je die nicht mehr 
ganz zurüickzumeifende Anfoderung der Völker auf eine von der Wurzel aus vorzu> 
nehmende Neugeſtaliung des Staatslebens ausfprachen, da ward das Feld der 
politiſchen Literatur zu einem Tummelplake der verſchiedenartigſten Grundſätze und 
Anſichten, und kaum war es noh möglich, in dem wilden Durdeinanderdrängen 
der freigefaffenen Meinungen den leitenden wiffenfchaftlichen Faden feſtzuhalten. 
tint JF ja doch, auch abgeſehen von den ſelbſtändigen, der Politik angehörigen Werken, 
1 died neben die Zahl der ihr zufallenden Zeit- und Flugblätter eine faſt unüberſehbare, und ihr 
  
cinflußtaiche Vertrieb auf dem literariſchen Markte der einzige, der, von einer regern Theilnahme 
ſie gegen dit des Publicums gefördert, einigen Gewinn noch abwirft! Kein Wunder, wenn ſich 
hten, fh mit unter ſolchen Umſtänden alle Kräfte, von den tüchtigſten bis zu den allerſhwäch- 
lutan Oiſe ſten herab, vorzugsweiſe dieſem Kreiſe ſchriftſtelleriſcher Thätigkeit zuwendeten;z 
) dug cinplit fein Wunder aber auch, wenn ſich dann neben hen beachtungswertheſten Stimmen 
Einzelner das ſeichteſte Wiſſen, der beklagenswürdigſtè Aberwiß laut machte, und 
wenn dieſelben — wie ja jede Thorheit immer eine größere findet, die ſich von ihr 
gefangen nehmen und leiten läßt — Triumphe feierten, auf welche das edlere Stre- 
ben verzichten mußte. Die vermiceleften Aufgaben der Politik, denen ſeit Jahrhun: 
  
  
A vor derten die Erfahrenften und Weifeften unter ben gebildeten Völkern ihre Kräfte 
jn Juin gewidmet hatten, wurden in dieſer Zeit und werden leider wol auh noh nach eini 
enge Kut gen ſtehenden, in allen Kreiſen der Geſellſchaft roiederhallenden, halbbegriffenen oder 
a nie gänzlich misverftandenen, aber prächtig tönenden Formeln mit einer Keheit beant: 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.