652 Deutfche Sänger ıc. Deutſche Schauſpieler 2c.
glieder der Liederkränze von Stuttgdrt, Ulm, Tübingen, Kirchheim und andern
Seiten her zuſammenſtrómen, wird alljahrlih am Pfingſtmontage zu Eßlingen am
Near begangen. Choräle und Volkslieder werden von den ſämmtlichen Sänger:
chôren gemeinſchaftlich vorgetragen, und hinwiederum wetteifern die einzelnen Lie-
derkränze in beſondern Geſängen, die ſie nach einander aufführen: ein echtes Volks-
feſt, das mit jedem Jahre an Zulauf und Intereſſe gewinnt. (31)
Deutſche Sänger und Sängerinnen, f. Sängerund Sän-
gerinnen.
Deutſche Schauſpieler und Schauſpielerinnen. Seit vor
ungefähr zehn Jahren ein anderer Schriftſteller den Artikel „Deutſche Schau-
ſpieler“ in der Neuen Folge des Converſations - Lexikons ſchrieb , ſind zwei Lu-
ſira verfloſſen, und ſomit nah Tieck zwei Stationen des immer rapidern Ver-
falls des deutſchen Theaters. Die deutſche Schauſpielkunſt theilt das Loos
der polniſchen Republik; ſie ging an zu vieler Freiheit unter. Wie hier ſo
dort leuchten durh die Nacht des Verderbens und der Anarchie, um ſo heller weil
es dunkel iſt, einzelne Sterne, ſie leuchten aber nur, um den Schatten umher deſto
bemerfbarer zu machen. Wenn wir die allgemeinen Reflexionen unſers Vorgängers
durchleſen, ſo finden wir, daß alles Schlimme von damals noch heute ſchlimm iſt, und
manches Gute von damals ſeitdem ſ<hlimm wurde. Noch immer finden ſich unter den
vielen Schauſpielern nur wenige Künſtler, der Naturalismus überwiegt, die Kennt:
niß der Literatur und der Meiſterwerke der Poeſie iſt verhältnißmäßig unter den
Prieſtern Thaliens gering , häufiger führt Eitelkeit und die Luſt auf bequeme
Weiſe Brot zu finden, als Beruf in die Vorhalle ihres Tempels, den geringen
Borſtudien folgen ſelten Nachſtudien (freilich mit deſto ehrenwerthern Aus-
nahmen ), die Jndividualität entſcheidet über den Beifall, Decorationen und Klei-
der ſpielen auch heute noh Hauptrollen, dergeſtalt, daß es nicht beſſer als vor zehn
Jahren gehen würde, wenn man ein Trauerſpiel ohne Coſtume aufführte, und end-
lich haben, was unſer Vorgänger andeutete, die ſtehenden Bühnen immer mehr den
Charakter „ſtehender Waſſer“ angenommen und ſind zum Theil darauf und daran,
durch „wohlthätige Penfionsanftalten” zu „theatraliſchen Snvalidenhäufern” zu
werden. Nur „das Natürlichkeitspeincip”, was damals herrſchte, möchte zeither
einen Stoß erhalten haben, wenn unſer Vorgänger damit den „dunkeln Nachah-
mungstrieb“ verſtanden hat. Einestheils gibt man ſich jezt niht mehr die
Mühe, das Leben zu copiren, wie es erſcheint. Der Schauſpieler, aufgenommen
in die Geſellſchaft, iſ zu vornehm, Denen, die nicht zur Geſellſchaft gehören, abzu-
lauſchen, wie ſie ſich räuspern und ſpu>en, und die Manieren der höhern und hôch-
ſten Stände zu imitiren, iſt er zu bequem. Er hält es für überflüffig chapeau-bas
zu kommen und für genial in Stiefeln zu ſpielen; daher iſt gerade das Converſa-
tionsftüc (mit Ausnahme des wiener Burgtheaters und zum Theil der hamburger
Bühne) geſunken. Andererſeits haben Raupach's Trauerſpiele einen neuen Kothurn
auf die deutſchen Breter gebracht; er ift auf dem bequemſten Leiſten zurecht gefchla=
gen. Seine tônenden Verſe fprechen fich von felbft, und indeß der Schaufpieler
glaubt, auf den Flügeln der Poeſie in die Tiefe der Empfindung und in Wolken:
räume der Phantaſie zu fliegen, hat er eben nicht mehr als einen gutgemeſſenen
Jambus declamirt. Dieſer neue Declamationston hat dem angedeuteten Natür-
lichkeitsprincip ebenſo Abbruch gethan als der rohe Empirismus unſerer Anfänger,
die weder vom Leben noch in der Schule ſtudiren mögen, nur bei fich, höchftens bei
einem bewunderten und beklatſchten Meiſter, und ihn ſflaviſch copirend, glauben ſie
ein Recht zu erwerben, auch fn beflatfcht zu werden. Vielverfprechende Anfänger
gingen ſo unter. Auch das Gaſtſpielen bringt nicht mehr friſches Blut in die
ſtagnirende Búhnenwelt, denn theils iſt dieſes Herkommen ausgeartet, indem nicht
mehr Meiſter allein, ſondern wer auf der Bühne nur ſtehen, gehen und ſprechen
Ge TEETER