Full text: A bis E (1. Band)

  
  
674 Deutfchland 
wie in Batsın, den Argwohn erwe>t, daß er heimliche Begünſtigung finde, und 
ähnliche Beſorgniſſe veranlaßten in Sachſen das erſte Beiſpiel in Deutſchland, dem 
Orden durch eine conſtitutionnelle Verfügung für alle Zeiten die Aufnahme zu ver- 
wehren. So regſam aber die katholiſch-hierarchiſche Partei war, die Macht des 
Kirchenthums neu zu fügen: im Jnnern der katholiſchen Kirche felbft bildete fich 
eine Stimmung, die immer unaufhaltfamer zu einer neuen Geſtaltung ihrer Ge: 
felfchaftsverfaffung, zur Befreiung vom Joche veralteter und drückender Sagungen 
drängte, und beſonders in den Ländern, wo die Volksbildung ſolhe Umwand- 
lungen vorbereitet hat, wie in Schleſien, im Rheinlande und in Schwaben, laut 
geworden iſt und vorzüglich gegen den Cölibat (ſ. d.) ſich erhoben hat. Das 
Verhältniß der katholiſchen Kirche zu dem Staate iſt in allen deutſchen Ländern, wo 
Proteſtanten und Katholiken unter einem Oberhaupte leben, durch Übereinkunft 
mit dem römifchen Hofe geordnet, und faft von allen proteſtantiſchen Fürſten für 
die, dem Staatsvermögen aufgebürdete Ausftattung der Eatholifchen Kirche, ihrer 
Anſtalten und ihrer Diener mit einer Freigebigkeit geſorgt worden, welche die Be- 
fehwerde der evangeliſchen Über unverhältnißmäßige Begünſtigung nur zu gegründet 
erſcheinen läßt. (Vgl. Concordate.) Nach dèn neueſten Berechnungen leben 
jebt in den deutſchen Ländern unter ſehs katholiſchen Fürſten über 14 Millionen 
Katholiken, wovon aber auf Oftreichs deutfches Gebiet allein 9 Millionen kom- 
men, und dritthalb Millionen Proteſtanten, dagegen unter 28 proteſtantiſchen 
Fürſten und in den freien Städten gegen ſehs Millionen Katholiken und über zwölf 
Millionen Proteſtanten. Jn den Staaten, welche den Kern des deutſchen Volkes 
bilden, iſt daher das Übergewicht des Proteſtantismus entſchieden, und wenn die 
proteſtantiſchen Glieder des deutſchen Bundes das Intereſſe des Proteſtantismus 
und mit ihm die Vortheile der geiſtigen Entwiekelung beachten, wenn in den Grund- 
geſeben der einzelnen Bundesſtaaten die Verhältniſſe der Kirche zu dem Staate nach 
richtigen Örumdfägen geordnet werden, fo kann man die, in der neueſten Zeit in 
Antrag gebrachte Wiederherſtellung der ehemaligen Genoſſenſchaft der evangeliſchen 
Sürften (Corpus evangelicorum) entbehren, ohne für den Proteſtantismus fürch- 
ten zu dürfen, Es iſt wahr, Rom weicht nicht zurü>, aber ihm gegenüber ſchreitet 
die Civiliſation fort. Für die innere Befeſtigung der evangeliſchen Kirche kann jedoch 
eine Vertretung derfelben durch gewählte örtliche Vorſtände, wie fie in den neueſten 
Zeiten in mehren deutſchen Staaten verſucht oder eingeleitet worden iſt, in Verbin- 
dung mit einer repräſentativen Synodalverfaſſung, wirkſam werden, wenn die Frei- 
heit der Kirchengemeindeglieder dabei nicht beeinträchtigt wird. 
Auch gegen Verirrungen im kirchlichen Leben wird die wirkſamſten Mittel 
die Verbeſſerung des Schulweſens und der öffentlichen Bildungsanftalten geroäh: 
ven, die in der neueſten Zeit in mehren deutſchen Staaten beachtet worden iſt. 
Preußen war ſeines alten Ruhms eingedenk, durch die Beförderung geiſtiger Bilz 
dung andern Ländern vorzuleuchten. Was bald nach den Unglücksfällen, welche 
den Staat ſeit 1806 trafen, begonnen wurde, hat die preußiſche Regierung ſeit 
dem Frieden eifrig fortgeſegt, und fowol in den alten Befigungen als in den neu: 
erworbenen für eine durchgreifende Verbeſſerung des Sugendunterrichts in den 
wiffenfchaftlichen Lehranſtalten und in den Volksſchulen , ſowie für die nothwen- 
dige Bedingung einer wirkſamen Umbildung, die Verbeſſerung der Lage des Schul- 
lehrérſtandes, geſorgt, und dadurch das glü>lihe Ergebniß herbeigeführt, daß 
Preußen zu denjenigen europäiſchen Ländern gehört, wo das Verhältniß des durch 
Unterricht gebildeten Theils der Bevölkerung am günſtigſken hervortritt. Andere 
Staaten haben in der neueſten Zeit dieſem wichtigen Gegenſtande gleiche Sorg- 
falt gewidmet, wie Hanover, Braunſchweig, Hamburg, Baiern, während in eis 
nigen durch die kräftige Anregung der Landſtände, wie in den GroßherzogthÜ- 
mern Heſſen und Baden, oder durch das von der öffentlichen Etimme laut aus: 
Feten.
	        
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