Full text: A bis E (1. Band)

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Deutſchland 675 
geſprochene Bedürfniß gemahnt, wie in Sachſen, eingreifende Verbeſſerungen ausge- 
führt oder vorbereitet wurden. Es wurde dabei in mehren proteſtantiſchen Ländern 
beſonders auch die Nothwendigkeit gefühlt, die Leitung des Schulweſens einer eignen 
Behörde zu übergeben und es von der beſchränkenden Bevormundung der kirchlichen 
Behörden zu befreien, der es zu ſeinem Nachtheil unterworfen aeweſen war. Die 
Mängel des Unterrichts in den Gelehrtenſchulen mehrer Länder. und das erkannte 
Bedürfniß, die Jugend für die erhöhten Anſprüche zu bilden, welche durch die 
Fortſchritte der Civiliſation und des Staatslebens herbeigeführt wurden, gaben in 
der neueſten Zeit Anlaß zur Aufregung des alten Streites Úber das Verhältniß, 
in welches die Gelehrtenſchulen den Unterricht in den Sprachen des claſſiſchen Al- 
terthums zu andern Zweigen der wiſſenſchaftlichen Grundbildung zu ſtellen haben. 
Entgegengeſebte Anſichten ſind in heftigen Kampf gerathen, aber es iſt zu hoffen, 
daß die Lehranſtalten des proteſtantiſchen Deutſchlands den alten Ruhm der Gründ= 
lich£eit, den ſie der Reformation verdanken, mit den Bedürfniſſen einer in Wiſſen- 
ſchaftlichkeit und freier Weltanſicht fortgeſchrittenen Zeit vereinigen werden. (Vergl. 
Gymnaſialweſen und Schulweſen.) Die deutſchen Univerſitäten, dieſe 
Kleinode unſerer Volksthümlichkeit, die allen ähnlichen Anſtalten des Auslandes 
noch immer als Muſter vorleuchten, haben ſich in den meiſten Staaten einer fort- 
dauernden Sorgfalt zu erfreuen gehabt, und auch hier hat Preußen durch freigebige 
Gewährung .von Lehrmitteln andern ein Beiſpiel gegeben. Das Lebensprincip 
dieſer Anſtalten, unbedingte Lehrfreiheit, hat zwar in neuern Zeiten keine offenen 
lähmenden Angriffe erlitten, aber es hat auch in Preußen nicht an Beiſpielen arg- 
wöhniſcher Aufſicht gefehlt, und noch immer iſt unſern Hochſchulen ein landesfürſt- 
licher Wächter unmittelbar vorgeſebt, an die argliſtigen Verdächtigungen erinnernd, 
die 1818 ein moldauiſcher Bojarenſohn den deutſchen Fürſten einzuflüſtern ſich für 
berufen hielt, und deren man 1832 leider wieder gedacht zu haben ſcheine. Möge 
man nie vergeſſen, daß diefe Anftalten nur der treu gefhüsten Lehrfreiheit Altes 
verdanken, was ſie find! Wohlthätig hat man in einigen Staaten die akademiſchen 
Gefege verbeffert und fie auf die Grundfäge der allgemeinen Gefeßgebung über die 
Rechtspflege zurü>geführt. — Mehre deutſche Staaten dachten in der neueſten 
Zeit auf Mittel, den unverhältnißmäßigen Zudrang zum Gelehrtenſtande abzuhal- 
ten. Suchen wir die eigentliche Duelle dieſer Studirſucht, ſo finden wir ſie in un- 
ſerm bisherigen verderbten geſellſchaftlichen Zuſtande, der das Streben der untern 
Volksclaſſen, aus welchen der Zudrang hauptſächlich hervorging, erwe>te, in die 
höhern Kreife des Bürgerlebens aufzufleigen, um der Begünſtigungen und Vor- 
rechte theilhaft zu werden, die ſie in den Reihen ihres Standes nie erwarten konnten. 
Je mehr nun das conſtitutionnelle Leben erſtarken, das Staatsbürgerthum zu Eh- 
ren bringen und jedem Stande ſein gleiches Recht gewähren wird, deſto mehr wird 
allmálig der Reiz aufhören, in andere Reihen einzutreten, zumal wenn bei der Ver- 
einfachung unſers künſtlichen, dur< Räderwerk überladenen Staatsmechanismus 
vor Aller Augen liegt, daß weniger Hände dabei gebraucht werden können. Gerade 
die Ausficht, nächft dem Weinberge des Herrn, im Eldorado des Staatsdienſtes 
ergiebige Minen zu finden, erwe>te ja beſonders die Studirfucht. Kann aber der 
Staatsbürger in jedem Kreiſe einen geachteten Beruf finden, bietet ſich bei der Aus- 
bildung des Gemeindeweſens eine ehrenvolle Theilnahme am öffentlichen Leben 
dar, ſo wird er ſich lieber für den Kreis tüchtig machen, an welchen ſeine früheſten 
Gewohnheiten. ihn binden. Ungerecht und gehäſſig iſt das hier und da verſuchte 
Mittel, die untern Stände auszuſchließen, und aus einleuchtenden Gründen ein 
eben ſo bedenfliches Ausfunftsmittel, von der auf einer gewiſſen Bildungsſtufe 
erlangten Befähigung einen Schluß auf Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit zu machen, 
Der Weg zur Bildung muß Jedem offen ſtehèn, und mit der Gerechtigkeit allein 
vereinbar iſt das in mehren. Staaten, wie in Preußen und neuerlich in Sachfen, 
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