Full text: A bis E (1. Band)

  
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Deutſchland 677 
die Zöpfe ſeiner Soldaten abſchneiden ließ, ſo blieben doch die wiedereingeführten 
Volksbelaftungen, und immer härter wurde der Druck der Willkürherrſchaft. Der 
Funke, der aus Frankreich herüberflog, fand hier aufgehäuften Brennſtoff. Ein 
drohender Aufſtand bewog den Kurfürſten , die gegen die Geſeze des deutſchen 
Bundes und der Landesverfaſſung ſeit Fahren nicht berufenen Stände zu verſam- 
meln, die alsbald mit der Bearbeitung eines neuen Staatsgrundgefeges fich bes 
ſchäftigten. — Jn Braunſchweig (ſ. d.) hatte der Herzog Karl ſeit 1823 durch 
Zwiſtigkeiten mit ſeinem ehemaligen Vormunde, dem König von England, und 
durch die Nichtanerkennung der „in anerkannter Wirkſamkeit beſtehenden“ landſtän- 
diſchen Verfaſſung ſich in ſchwierige Verhältniſſe verwi>elt und durch empdôrende 
Gewaltherrſchaft den Unwillen des Volkes gereizt. Die Landſtände hatten bereits 
1829 nach der, ihnen ſchon durch ältere Gefege ertheilten Berechtigung ſich verſam- 
melt und die Hülfe der Bundesverfammlung angerufen, welche zwar die Bes 
ſhwerde des Königs von Hanover über die, ihm vom Herzoge zugefügten perfön: 
lichen Beleidigungen bald entſchied und die Execution gegen Braunſchweig ver- 
fügte, über die Klage der Landſtände aber erſt 1830 einen günſtigen Ausſpruch 
A als die Gewalt bereits den Knoten zerhauen hatte. Die Folge des furcht- 
baren Aufftandes in den Septembertagen war die Vertreibung des Herzogs und 
der Übergang der Regierung an ſeinen Bruder, der durch einen Beſchluß der Bun- 
desverſammlung anerkannt wurde, worauf 1831 eine Übereinkunft zwiſchen Ha- 
nover und Braunſchweig den vertriebenen Herzog „wegen entſchiedener Regie- 
rungsunfähigkeit““. entſeßte und die Herrſchaft dem Herzoge Wilhelm übertrug. — 
Ehe noch das verhängnißvolle Fahr 1830 abgelanfen war, regten ſich auch in H a- 
nover (f. d.) laute Klagen über vielfältige Stantögebrechen und harte Volks: 
bedrüdung. Trot der alten Beſchwerde ber Ariſtokratenherrſchaft, war hier in 
frühern Zeiten ſo viel für die Belebung der geiſtigen und gewerblichen Kräfte ge- 
wirkt worden, daß Johannes Müller fagen durfte, das Land gehöre zwar hinſicht- 
lich des Bodens zu den ſchlechtern, aber auch zu den Staaten, deren Verwaltung 
die Jnjurie der Natur mit väterlicher Sorgfalt wieder gut mache. Dieſe gute 
Außenſeite verbarg die Krankheit , die an den edlern Theilen des Jnnern zehrte. 
Bei der Rúkkehr des alten Fürſtenſtammes wirkte auch hier die Ariſtokratie mit 
Erfolg auf die Wiederherſtellung der alten Feudalmisbräuche und drückenden 
Standesvorrechte, auf Erhaltung des Althergebrachten — Frohndienſte, Leibeigen- 
thumspflichtigkeit, Steuerbefreiung, Stadtrathsoligarchie, Zunftzroang und Tor- 
tur eingeſchloſſen —, und obgleich die Landſtände 1819 eine neue Verfaſſung er- 
hielten, die gegen den Volksrounſh zwei Kammern einführte, ſo gewannen doch 
ihre Rechte nicht die Bürgſchaft, welche früher die Provinzialſtände genoſſen hat- 
ten. Dumpfe Unzufriedenheit gährte fort im Volke, bis endlich nach einzelnen un- 
ruhigen Bewegungen ſeit dem September 1830, die zum Theil mit Waffen- 
gewalt unterdrü>t werden mußten, im Januar 1831 drohende Aufſtände in Göt- 
tingen und Oſterode ausbrachen, während zu gleicher Zeit Geſuche um zeitgemäße 
Verbeſſerung der Verfaſſung an die Regierung gelangten. — Minder bedeutend 
waren in den ſtürmiſchen Septembertagen, die den Geiſt des Aufſtandes faſt in 
alle deutſchen Gauen trieben, die unruhigen Bewegungen in andern Bundesſtaa- 
ten, die vergebens auf eine Verbeſſerung der Verfaſſung geharrt und ihren Unmuth 
Uber Misbräuche der Verwaltung lange verfchloffen hatten; hier vorübergehende 
Póöbelaufſtände ohne politiſche Zwecke, dort ernſtere Aufregungen, die durch Zuge- 
ſtändniſſe und Verheißungen bald beruhigt wurden. So in Sachſen-Alten- 
burg (ſ. d:), wo Steuerbelaſtung, Beamtenwillür und Verderbniß der ſtädtiſchen 
Verwaltung aufregten, und das Beiſpiel des Nachbarlandes ermuthigte. Jn an- 
dern Ländern beſchworen die Fürften durch freundlich entgegenfommende Worte 
die drohende Gefahr, wie ber Herzog von Sachfen- Meiningen, zu Eintracht, Ge: 
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