Full text: A bis E (1. Band)

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die zunächſt über die öffentliche Sicherheit zu wachen hatte, waren dieſe drohenden Er- 
ſcheinungen nicht entgangen, aber ihre Berichte konnten, wie man ſagt, aus der ge- 
fährlichen Sicherheit nicht erwe>en, worin man fchlief. Alles war reif zum Aus: 
bruch, als die Kunde erfcholl, daß in Leipzig ein Polterabend die Brandfackel aus- 
geworfen hatte. Jn den nächſten Tagen ſtieg die Aufregung. An öffentlichen Or- 
ten wurde der Marſeillermarſch, lange in Dresden nicht gehört, ſtürmiſch verlangt 
und mit Jubel empfangen. Man hat nach dem Ausbruche des Sturmes auch in 
Dresden viel von ausländiſcher Einwirkung, von Aufruhrapoſteln geſprochen, und 
beſonders ſtimmten in dieſe Erklärung der Ereigniſſe Diejenigen ein, die nirgend einen 
Grund zu Beſchwerden ſehen wollten; aber es hät ſich Feine fichere Spur folcher 
Einwirkung gezeigt, und Alles, was darüber gefagt worden ift, flüst fi auf un- 
beſtimmte Gerüchte. Dem aufmerkſamen Beobachter konnte es jedoch nicht verborz 
_gen bleiben, daß der Ausbruch der Bewegung in der Mitte der aufgereizten Bewohz 
ner ſelbſt lange vorbereitet war, obgleich das Dunkel der verhängnißvollen September- 
nacht die Spuren der Anſtifter verborgen hat. Die Umſtände waren günſtig. Die 
leichte Infanterie, die den größten Theil der Beſazung bildete, war ſeit dem An- 
fange des Monats auf die benachbarten Dörfer in Cantonnirung gezogen, und die 
Bürgergarde, die bei ſolchen Gelegenheiten herkömmlich die Wachen zu beſehen 
hatte, wurde wegen der ſeit dem Jubelfeſte erregten Spannung zwiſchen den Bür- 
gern und den Soldaten dieſer Dienſtpflicht entbunden, was einen nachtheiligen 
Eindru> machte, weil es Mistrauen zu verrathen ſchien. Die Wachen wurden 
von täglich einrückenden Abtheilungen nur fchwach befegt. Am Abend des 9. Sept., 
bald nach Anbruch der Dunkelheit, zogen einige Volkshaufen, die ſich außerhalb der 
Vorſtädte geſammelt hatten, lärmend in die Stadt. Eine dieſer Scharen, die ein 
Einzelner, mit einem Knittel bewaffnet, anführte, nahm ihren Weg nach der Schloß- 
gaſſe, zerſchlug die Laternen, mit Ausnahme der genau bezeichneten Privatlaternen, 
während fie der Bürgerfreiheit, der Bürgergleichheit und den Leipzigern ein Lebehoch 
brachte und in der Nähe des Schloſſes ſelbſt in Ausrufungen ausbrach, welche auf 
den geargwohnten Jeſuiteneinfluß deuteten. Der gellende Ton einer Pfeife ſchien 
ihre Bewegungen zu leiten und Andern ein Zeichen zu geben. Zur dichten Maſſe 
angewachſen, drängte ſich der Haufe auf dem Markte vor dem Rathhauſe zuſam: 
men, deſſen Eingang die Wächter ſchnell verſchloſſen. Der Balkon des Hauſes 
wurde mit Leitern erſtiegen, und aus den zerſchlagenen Fenſtern flogen Schriften 
und Zimmergeräthe herab, roelche, auf einen Haufen geworfen, bald in hellen Flam- 
men loderten. Bon den obern Stocdiwerken, woo beſonders alle die Bormundfchafts- 
angelegenheiten betreffenden Schriften und öffentliche Gelder verwahrt wurden, muß- 
ten die dringenden Vorſtellungen wohlgeſinnter Bürger die wüthenden Haufen ab» 
zuhalten. Eine Abtheilung der Aufrührer zog zudem benachbarten Polizeigebäude, 
das fie unaufhaltfam: erftücmte,, und ‚alsbald begann hier die Zerſtörung. Einen 
großen Haufen von Schriften, Geräthen und Kleidungen, die aus allen Fenſteröff- 
nungen geworfen wurden, entzündeten herbeigetragene Feuerbrände, und weit hinaus 
leuchtete die Flamme. Die Sturmglo>e ertöntez Trommeln wirbelten in allen 
Straßen; die Bürgergarde aber kam nur in Eleinen Abtheilungen herbei, da un- 
geachtet bedenklicher Vorzeichen keine Vorkehrungen getroffen waren, Viele bei 
ſo drohenden Erſcheinungen, die alle Bande der Gefeslichkeit zur: zetreißen fchie= 
nen, den Schuß des eignen Hauſes fürdie nächſte Pflicht hielten, und über- 
haupt kein Eifer zu erwarten war, das Polizeihaus zu retten. Die Zerſtô- 
rung hatte ſchon einige Stunden gedauert, als eine. Abtheilung der leichten Jn- 
fanterie, von den Dörfern herbeigerufen, und ein ſchwacher Reiterhaufen hexari- 
rüdten. Vergebens verſuchte das Fußvolk in das Polizeihaus zu dringen, und 
die Aufrührer wurden nur noch verwegener , als die Bewegungen der Soldaten 
verrièthen, daß ſie niht Befehl hatten, von ihren Waffen Gebrauch zu: machen. 
Conv.-Lex, der neueften Zeit und Literatur. T. 46 
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