Full text: Die Feldwirthschaft (Heft 71)

   
Die europäifchen Nahrungspflanzen. 
  
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Deutfchland und Oefterreich-Ungarn häufiger angebaut wurde, Schlefien durch 
fchöne fchlefifche Gerfte, Hermannftädter Gebirgsgerfte, welche per Joch 
13 niederöfterreichifche Metzen Körner ä 70 Pfund und 24 Centner Strohertrag 
gibt, fowie durch fchottifche Annatgerfte mit einer Fechfung von 36 Metzen 
a 74 Pfund und 40 Centner Stroh per Joch, und durch Probfteier Gerfte (Herr- 
fchaft Tefchen), Steiermark durch fchöne vierzeilige Gerfte und fechszeilige 
Wintergerfte (Rettema) vertreten. Auch die Wintergerfte wird, mit Ausnahme von 
Belgien, Holland und Niederrhein, fehr wenig angebaut, obgleich fe fich ftark 
beftockt, frühzeitig reift und fehr ertragreich ift; doch ift ie dem Vogelfrafs ftark 
ausgefetzt. Galizien ftellte prächtige Imperialgerfte und fchöne Braugerfte 
aus u.f. w. 
In der ungarifchen Ausftellung gewahrte man ausgezeichnete Braugerfte 
(Alex. Ferenczy), Chevaliergerfte, welche per Joch einen Ertrag von 26 Metzen 
a 79 Pfund gewährt, nackte Gerfte, fowie andere diverfe Gerftenarten. Ueber- 
haupt hatten die füdeuropäifchen und .nordafrikanifchen Länder, Rumänien, 
Spanien, Algerien, Nordamerika die nackte gemeine Gerfte, und zwar fowohl die 
dunkle, die fogenannte Kaffeegerfte, wie auch die hellfarbige ausgeftellt. Frank- 
reich und Spanien exponirten prachtvolle Gerften, ebenfo Italien und die Türkei, 
und zwar nicht nur befchalte, fondern auch unbefchalte, nackte Gerften und unter 
den erften hauptfächlich die kleineren, dickfpelzigeren, kleberreicheren und ftärke- 
mehlärmeren Varietäten von H. hexastichon und vulgare, welche fich befonders 
für Küchenbedarf, alfo zu Brod und Graupen, weniger für Biererzeugung eignen. 
Rufsland ftellte kurländifche Gerfte, welche lufttrocken 105, gedörrt 107 Pfund 
holländifch (per Tfchetwert?) wog, prächtige, glafige Chevaliergerfte und ähnliche 
Gerftenforten aus, England Hallets Pedigree-Gerfte, Belgien egyptifche Gerfte 
und einige Proben Wintergerfte, die Niederlande englifche Gerfte, Schweden 
[chwarze Gerfte (H. vulgare nigrum) u. f. w. Dunkelfarbige, bläuliche oder 
[chwarze Gerften fand man auch häufig unter jenen Norwegens. 
Die fchönfte „Braugerfte* haben natürlich die Malzfabriken Oefterreichs 
und Deutfchlands ausgeftellt. Diefe „braumäfsigen“ Malzgerften zeichneten fich 
durch alle gewünfchten Eigenfchaften im hohen Mafse aus: „die kurze gedrun- 
gene, in der Mitte ftark bauchige ausgefüllte Form, von feinftem gemäfteten Aus- 
fehen, die feinen querrunzligen Spelzen, die nur einen fehr geringen Bruchtheil 
vom Gewichte des ganzen Kornes bilden, die lichte gleichförmige Farbe, der 
weifse mehligeBruch, der eine leichte und rafche Umwandlung des Stärke-Inhaltes 
in Dextrin und Zucker verfpricht“ (Profeffor Haberlandt), verriethen im 
hohen Grade die Eignung diefer Gerftenforten für die Malzfabrication. Aber nicht 
nur die fruchtbaren Diftridte Mitteldeutfchlands, die gefegneten Hügelgegenden 
Böhmens und Mährens, der ergiebige Boden Galiziens und Oberungarns produciren 
folch ausgezeichnete Gerfte — man konnte diefelbe auch unter den aus den füd- 
lichen Regionen ftammenden Gerftenpröben wahrnehmen; diefe Thatfache erklärt 
die Erfcheinung, dafs die Gerfte aus Algier in England und im Norden Frank- 
reichs für die Bierbrauerei fo gefucht ift. 
Roggen (Secale L.) hat in Deutfchland und Oefterreich einen ziemlich 
ausgedehnten Anbau erlangt, begünftigt durch Nahrungsverhältniffe und Gewohn- 
heit des Volkes, Gröfse des Bedarfes, Befchaffenheit des Bodens und Charakter 
des Klimas. Derfelbe ift aber kein Ausfuhrartikel, weil England und Frankreich 
nur Weizen zum Brodbacken verwenden, fo dafs fich der Handel mit in Mittel- 
europa. erzeugtem Roggen faft nur auf Deutfchland und Oefterreich befchränkt, 
welshalb auch die Roggenpreife in der Regel verhältnifsmäfsig weit niedriger 
find als die Weizenpreife. Nimmt nun auch der Roggen mit ärmerem, fand- 
reicherem Boden fürlieb und begnügt fich mit bedeutend geringerer Wärme, als 
der Hafer, fo dafs erin Europa von 50 bis 67 Grad, im öftlichen Nordamerika von 
40 bis 50 Grad nördlicher Breite cultivirt wird und als Sommerkorn bis an die 
Grenze des Getreidebaues, in Deutfchland bis 3000 Fufs Höhe geht, und ift der- 
      
    
    
  
  
  
  
   
     
   
  
  
   
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
	        
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