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Die Induftrie eines Landes fteht im grofsen Ganzen defto höher, je weiter
fie zur Erlangung des Rohmateriales ausgreift Die englifche Textilinduftrie
bezieht ihre Gefpinnfte und Webeftoffe gegenwärtig aus allen Welttheilen, und
unfere heimifchen Spinnereien, Webereien und Seilerwaaren- Fabriken begnügen
nen Naturerzeugniffen mit
fich nicht mehr, wie vor hundert Jahren mit den ei
Wolle: Hanf und Flachs: fie beziehen beifpielsweife ihre Baumwolle aus Egypten
Kleinafien; Perfien, Indien, Nord- und Südamerika etc.; fie verarbeiten die
difche Jute, den Manillahanf der Philippinen, die amerikanifche Pitefafer u
Warum die Induftrie oft;fo weit ausholen mufs, um das zweckmä
Rohmateriale zu erlangen, die Beantwortuug diefer Frage ift wohl nicht fo ein-
fach, ‘als dafs fie fich. mit w enig Worten erfchöpfen liefse. Es dürfte indefs für
unfere Betrachtung genügen, auf die Verfchiedenartigkeit der Naturerzeugniffe
nach klimatifchen Verhältniffen hinzuweifen, um wenigftens EN den
Zug der modernen Induftrie zu erklären auf die Rohftoffe des Welthandels, und
nicht allein auf die des eigenen Landes zu refledtiren
Die Weltausftellungen haben aufserordentlich viel
Gewerbetreibenden zu zeigen, welchen immenfen Vorrath an den verfchiedenften
Naturerzeugniffen der Welthandel für die Induftrie bereithält. Der Auffchwung
der europäifchen Jutewaaren-Fa brication, die Einführung
Esparto, der Piaf ffave, mehrerer ausländifcher Holzarten, Gummi-Arten, Harze
Gerb- und Farbftoffe etc. in die europäifche Induftrie ift ihnen zum gr fsen Theile
dazu beigetragen, den
des Chinagrafes, des
zu danken.
Die abgelaufene Weltausftellung in Wien hat die technifch verw ie Ibaren
Rohftoffe des Erdballs uns allerdings nicht mit Vollf tändigk eit vorgeführt, es
fanden fich viele Lücken vor; es waren auch, wenn man vom Orient abfıe
rohen Pflanzenftoffe der fremden Länder minder reichlich, als auf ee
Parifer Ausftellung vertreten. Die franzöfifchen und eı nglife hen Colonien, Brafi-
lien und viele andere Länder hatten damals ein weitaus reicheres Contingent an
vegetabilifchen Rohftoffen geftellt.
he die
letzten
g
Allein es will uns fcheinen, dafs die außerordentlich reichen Rohftofi-
Colledtionen, welche wir damals zu fehe an bekamen, fo lehrreich fie für den
Naturforfcher waren, fo anregend fie auf denjenigen wirken mufsten, welcher fich
mit dem Studium der technifchen Waarenkunde befchäf tigt, doch an Nützlichkeit
für den Induftriellen gegen die Vorführung der fr enalandık hen rohen Pflanzen-
ftoffe auf der Wiener Ausftellung zurückftanden; es wurde damals offenbar zu
viel geboten, unter zahlreichen, ziemlich belanglofen Materialien fanden fich
allerdings einzelne, wahrhaft empfehlenswerthe Objecte vor. Vielen Induftriellen
mochte beifpielsweife bei Befichtigung der fı lie ren Colonien die Geduld
ausgegangen fein, ehe fie damit zu Stande kamen, die zahlreichen fremdländifchen
Stärkeforten, oder Arten von vegetabilifcher Seide, dener zumeift durch münd-
liche und ge ns Angaben über Verwendbarkeit ein gröfs res Lob gefpendet
wurde, als fie in der That verdienten, durchzunehmen.
Die bei der Wiener Weltausftellung vertreten gewefenen Colledtionen von
rohen Pf fen waren meift concentrirte, enthielten im Allgemeinen weniger
Nebenfächliches, und waren defshalb, nach unferem Dafürhalten, für den Mann
der Praxis lehrreicher, als die der letzten Parifer Expofition.
Von ganz hervorragendem Werthe war in der genannten Beziehung die
Weltausftellung für unfere an, Gewerbetreibenden. Wenn man näm-
lich unferen Rohftoff-Handel mit jenem von England, Frankreich oder Holland
vergleicht, fo kann nicht entgehen, dafs wir in der Verarbeitung fre amdländifcher
Rohftoffe noch vielfach zurück find, wenn auch ein erfreulicher Auffchwung in
den letzten zehn Jahren nicht zu verkennen ift. Freilich wird man uns einwenden,
dafs Länder mit Colonialbefitz rafcher in die Lage kommen, fremde Rohftoffe
kennen zu lernen und zu erwerben. Das ift allerdings nicht zu leugnen; aılein
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Oefterreich ift auch gegen andere Länder zurückge ‚lieben, welche in Bezug auf