Fremdländifche Pflanzenftoffe zu induftriellem Gebrauche.
133
werden könnte. Ein weifses, glanzlofes Stärkemehl, das im europäifchen Handel
noch faft gänzlich unbekannt ift, wird aus dem in den Tropenländern als Nahrungs-
pflanze eine fo wichtige Rolle fpielenden Brotfruchtbaum (Artocarpus incifa)
bereitet. Als fehr billig und brauchbar werden ferner die fchon von den früheren
Weltausftellungen her bekannten Stärkemehlarten, welche aus Bataten (Convol-
vultus batatas, zum Beifpiel auf Martinique und in Franzöfifch-Guyana bereitet),
Ignamen (Dioscorea-Arten, zum Beifpiel von R&union und Venezuela zur Aus-
ftellung gefchickt), aus Phrynium dichotomum (Martinique), Sicyos angulata
(Reunion), Arum italicum (Algier), Colocafıa esculenta (Algier, Venezuela), aus
Bananen (Guyana, Venezuela, Antillen) dargeftellt werden, bezeichnet.
Von neuen oder bisher faft gänzlich unbekannten Stärkeforten bemerkten
wir: die Stärke von Amorphophallus fativus („Karani mavon“, das Kilo am
Erzeugungsorte zu.2 Francs), von Hypoxis curculigoides, von Typhonium minutum
(„Karani kotti“, das Kilo zu ı Francs) und von Pfophocarpus tetragonolobus
„Kijangon mavon“, das Kilo zu 0°90 Francs) ; alle aus Franzöfifch-Indien.
Oelfrüchte und Oelfamen.
Die Ausftellung hat uns den Beweis geliefert, dafs eine grofse Zahl von
bei uns noch ganz unbekannten vegetabilifchen Rohftoffen für die Gewinnung von
flüffigen und feften Fetten exiftirt, und die enorme Wichtigkeit der Fettftoffe für
viele Induftriezweige fordert wohl dringend genug dazu auf, diefe Rohftoffe und
die daraus darftellbaren Produdte eingehend zu prüfen.
England, Frankreich und Holland haben fich bereits zahlreiche Oelfrüchte
und Oelfamen der Tropenwelt zu Nutze gemacht, während wir in Oefterreich noch
auf einem veralteten Standpunkte fliehen, und nur jene Rohmaterialien, welche
unfer eigenes Land hervorbringt, wie Raps, Colza, Lein-Hanffamen, Mandelnu. f. w.,
von Früchten aber nur die Olive auf Oel verarbeiteten. Von fremdländifchen
Pflanzenftoffen wird in Oefterreich unferes Wiffens blos Baumwollenfamen in
gröfseren Mengen auf Oel ausgebeutet.
Vor Allem fcheint es uns nothwendig, unfere öfterreichifchen Oelfabri-
kanten darauf aufmerkfam zu machen, dafs die englifchen und franzöfifchen Oel-
preffereien ganz enorme Quantitäten von Ricinus-, Sefam- und Erdnufskernen ver-
arbeiten. Das Ricinusöl, bei uns nur als medicamentöfe Subftanz bekannt, ift aber
für viele induftrielle Zwecke höchft geeignet, z. B. zur Darftellung von Schmier-
ölen für Leder, zur Seifenfabrication. Das Sefamöl dient in der Seifenfabrication
und kann für viele Verwendungsarten das Olivenöl erfetzen, was auch für das Oel
der Erdnufskerne gilt.
Ricinusfamen (von Ricinus communis, viridis, americanus etc.) waren
auf der Ausftellung fehr reich vertreten; fie wurden von Martinique, Guyana, Sene-
gal, Reunion, Gabon, Algier, Indien etc. ausgeftellt. Auch Italien brachte es
vielfach zur Schau.
Noch reichlicher als Ricinus war Sefam (die Samen von Sefamum orientale
und indicum) vertreten. Was der Orient als „Gingeli*, Venezuela unter dem
Namen „Ajonjoli* ausftellte, ift Sefam. Die Menge des Oeles, die fich
fowohl aus dem weifsen als fchwarzen Sefamfamen abfcheiden läfst, wird häufig
überfchätzt; die fchon bei früheren Ausftellungen gemachte Angabe, dafs Sefam 80
bis 90 Percent Oel liefere, wurde auch diefsmal wieder mehrfach reproducirt.
Die Oelmenge beträgt etwa 00 Percent, von welchen fich 45 bis 50 Percent ohne
befondere Schwierigkeiten abfcheiden laffen, und das ift wohl in Anbetracht des
Preifes derSefamforten des Handels genügend. Der Sefam empfiehlt-fich weniger
durch Ausbeute, als durch die Qualität des Oeles Das Sefamöl ift ein nicht trock-
nendes Oel, welches eine fchöne hellgelbe Farbe, einen milden Gefchmack befitzt
und bei 5 Grad Celfius erftarrt.