Feidwirth
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Auch die Befitzverhältniffe des Bodens beftätigen diefe Anficht. Denn
Oefterreich ift ein Land des Grofsgrundbefitzes par exeellence, welches in manchen
feiner Diftridte uns fehr an die in Mecklenburg herrfchenden Befi itzverhältniffe
und Latifundien erinnert. In Böhmen, welches in diefer Hinficht unter allen
öfterreichifchen Ländern am beften fituirt ift, umfafste der Grofsgrundbe fitzt
(land- und lehentäflicher Be efitz) mit Ende Juni 1873 insgefammt 1279 Befitzftände
mit feparater Einlage, welche jedoch mit Rückficht auf ihre Bewirthfchaftung nur
1099 felbfiftändige Gutskörper bilden, deren Beftz fich auf 699 Befitzer ver-
theilt. Der Flächeninhalt diefer Güter beziffert fich auf 3,062.230 Joch (a 1600
Quadratklafter) oder 33:92 Percent der gefammten Area des Königreiches
Bölime n. Ihnen gegenüber fteht der rufticale Befitz mit einer Area von 5, "966. 270
Joch, welcher 742.254 Kleingrundbefitzern angehört. Im Durchfchnitte entfallen
ne in Böhmen auf einen es r 4380 Joch 1396 Quadratklafter,
auf einen Kleingrundbefitzer aber nur 8 Joch 61 Ouadratklafter Grund und
Boden.
Welch’ ein immenfer Grundbefitz fich oft in einer Hand vereinigt findet,
erfieht man, wenn man [ich n r zumeift übermäfsig grofsen Befitzungen einzelner
ungarifcher Cavaliere, z. B. des Fürften Efterhäzy, deffen Grundbefitz an 100
nn umfaffen En a und bedenkt, dafs die fämmtlichen, dem
rften Johann Adolf zu Schwarzenberg (in Böhmen und Steiermark) gehörigen
Dans eine Grundfläche von 355.172 Toch (gleich 204.388 Hektaren) alfo mehr
als 351, Quadratmeilen einnehmen, wovon nicht weniger als 309.124 Joch oder
nahezu 31 Quadratmeilen aufBöhmen entfallen; dafs die Prinz Addıh von Sachfen-
Coburg- Gotha’ fchen Güter in Oefterreich und Ungarn 208.900 Joch, das ift über
20 Quadratmei ilen betragen u. f. w.
Dafs der Grofsbefitz einen der mächtigften Fadtoren im wirthfchaftlichen
Leben der einzelnen Länder und Königreiche Oefterreichs bildet, ift allbekannt;
und dennoch ift man heutigen Tages noch nicht einig über die befte V ertheilung
des Grund und Bodens und über das vortheilhaftefte \ ’erhältnifs der Grofs- und
Kleincultur zu einander. Der Landwirth von Fach rühmt dem Grofsbefitz die
mächtige F 'örderung des Fortfchrittes in allen Zweigen und Gebieten der Land-
wirthfchaft, die Hebung der Viehzucht, die Erhaltung der Wälder, die Aus-
führung koft RD iger M eliorationen und die Einführung der land wirthfchaftlichen
Induftrie und aller Unternehmungen, die grofse Capitalien vorausfetzen, nach und
nn nur zu oft die Anficht, dafs der Kleinbefitz und die Parcellenwirthfchaf
ein mächtiges Hindernifs des agricolen F ortfchrittes find. Der Vaterlandst a
der wo naglieh jedem Me nfchen fein eigenes Heim und S Stückchen Scholle gönnen
würde, rechnet nach, dafs der Grofsgrundbefitz zumeift mit gröfserem Capital und
höherer Intelligenz producirt, w Shrend der Kleingrundbefitz ihm mit der perfön-
‚n Arbeitskraftund Emfigkeit feiner Eigenthümer Concurrenz macht; durch die
licheı
eifrigsen Bemühungen feiner Bewirthfchafter vermehrt der Kieimbahez in der
Regel die Menge der Erzeugniffe, den Rohertrag des Ac kerbodens und gewährt
gewöhnlich auch einen gröfseren Reinertrag. Und der Nationalöconom "fieht in
elerdnen der Ariftokratie eine Verleugnung des Princips der Freiheit
auf dem Gebiete des Verkehrs, wie die verfchiedenen Vorrechte, Immunitäten,
> folche des Princips der Gleichheit auf dem Gebiete des Rechtes waren und
verlangt, dafs fich gegen diefe Intereffen der höheren Stände die Angriffe der
pitaliften, das ift der intelledtuellen und induftriellen Mittelclaffe richten und
diefe vollftändige Gleichberechtigung und felbi tftändig freie Lebensentwicklung
alit
langen follen.
Mag nun mit feinem Urtheile über den verfchiedenen Befitz Recht haben,
wer immer, fo mufs man doch, wenn man die Frage von einem höheren Stand-
Hunkte aus betrachtet, fagen, dafs der Erfahrung gemäfs Landbefitz gleichbedeutend
mit Einflufs auf Gefetzgebung Die demokratifche Gefe tzgebung der Vereinig-
I
ten Staaten in Amerika beftätigt diefs vollkommen. Ne unundneunzig Hundertftel
alc