Feldwirthfchaft.
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an landwirthfchaftlichen Arbeitern, fo dafs die Arbeitslöhne fehr hoch find, was
bei den viel Arbeit und Cultur verlangenden Handelsgewächfen um fo empfind-
licher wird.
Doch darf und kann nicht überfehen werden, dafs fich die Produdion in
Rufsland in Folge der immerwährenden Ausbreitung der fortfchrittlichen Ten-
denzen, hauptfächlich der Aufhebung der Leibeigenfchaft, bedeutend gehoben
hat. Trotz der extenfiven Wirthfchaft überfteigt der Ertrag an Cerealien weit den
Bedarf; felbftverftändlich bemüht man fich, die Erzeugniffe diefer dünnbevölker-
ten fruchtbaren Gebiete jenen der bereits ausgefaugten oder durch Induftrie und
Städteleben dichtbevölkerten Länder zuzuführen. Rufsland producirt jetzt im
Ganzen circa 560 Millionen Hektoliter Getreide, wovon als Ueberfchufs zum
Export 70 bis 75 Millionen Hektoliter gerechnet werden können. Die Ausfuhr
ift im rapiden Steigen begriffen. Während Rufsland indem zehnjährigen Durch-
fchnitte von 1837 bis 1847 nur 4:8 Millionen Hektoliter und in der Zeit von 1858
bis 1864 je 17'5 Millionen Hektoliter exportirte, hat es in der Periode von 1865
bis 1870 je 23'3 Millionen Hektoliter Cerealien und Mehl ausgeführt. Im Jahre
1865 bezifferte fich der Expört auf 20,780.000 Hektoliter und ftieg im Jahre 1870
auf 44,242.298 Hektoliter. Den gröfsten Antheil am Export haben die Häfen des
{chwarzen Meeres (Odeffa, Roftoff, Taganrog, Mariapol), woher England, Frank-
reich und Italien ihren Bedarf beziehen.
Die agricole Ausftellung Rufsland’s gab auch ein Zeugnifs von dem Reich-
thume der Naturproducte und der Ueppigkeit des Bodens. Diefelbe feffelte durch
die Proben des fchönen Getreides, hauptfächlich des Roggens und der Hülfen-
früchte, durch Flachs und Hanf, befonders durch den vorzüglichen Rigaer Lein-
famen, durch Raps, Rübenfamen und diverfe Gemüfe-Arten, durch Mais, Mohn,
Karden und ähnliche Bodenerzeugniffe.
Neben Südrufsland und Ungarn verforgt Nordamerika die dichtbevöl-
kerten Staaten Europa’s mit Nahrungsmitteln. Diefe drei Staaten find als das
Prototyp desreinen „Ackerbauftaates“ zu betrachten, find imGrofsen und Ganzen
auf einer ziemlich tiefen Entwickelungsftufe der Landwirthfchaft und exportiren
zumeift Rohprodulte, wefshalb fie auch im Vereine den Getreidepreis des Jahres
für die ganze Welt beftimmen.
Amerika baut im Norden Cerealien, Mais und Kartoffeln, — im Süden
Tabak, Zuckerrohr und Maniok. Die Bedeutung Amerika’s, als eine der Korn-
kammern der menfchlichen Gefellfchaft, nimmt immer mehr zu, wenn auch Carey
die Thatfache conftatirt, dafs einzelne Länderftriche des cultivirten Amerika’s in
Folge anhaltenden Raubbaues mit ihren Durchfchnittsziffern bereits fehr zurück-
gehen; denn neue Millionen von Acres mit jungfräulicher Kraft werden in die
Cultur einbezogen und beginnen die Production, wodurch fich der Gefammtertrag
immer erhöht. Die gemäfsigten Zonen Amerika’s find den europäifchen Getreide-
Arten am günftigften, namentlich dem Weizen und dem Hafer; fo trägt auf dem
fruchtbarften Theile des Thales von Lerma (in Salta) ein Weizenkorn 30 bis
40fach und in den mittelmäfsigen erhält man von einem Weizenkorn ı2 bis ı5
Körner. Eine Vergleichung des mittleren Ertrages der Getreide-Arten in beiden
Continenten gibt folgendes Ergebnifs:
Es liefert ein Korn im Mittel in Deutfchland 5 Körner, in Frankreich 6 bis
8 Körner, in Ungarn, Kroatien, Slavonien 8 bis 1o Körner, am La Plata ı2 Kör-
ner, in der Provinz Salta 2ı Körner.
Gleich dem Boden des ruffifchen Humusgebietes mufs auch der jungfräu-
liche Boden im Nordweften Amerika’s als der bedeutendfte Ernährer der gewerbe-
treibenden Bevölkerung in Europa angefehen werden. Dort gedeihen hunderte
vortrefflicher Weizenarten, deren reiche zur Wiener Weltausftellung gefendete
Aehren jeden Landwirth und Getreidehändler in Erftaunen verfetzten. Wiegt
doch die leichtefte diefer Weizenforten, auf deren Confum die alte Welt immer