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Forftwirthfchaft. a
vielverzweigten Manipulation, die Vereinbarung und Feftftellung gewiffer Mafs-
einheiten, um den Umfang der Arbeitsleiftung, die Menge der zu den Verbrauchs-
orten zugelieferten Hölzer und Kohlen ermitteln und fohin die Höhe des Arbeits-
verdienftes berechnen zu können u. f. w., waren damals, fo wie heute, ganz unent-
behrliche Einrichtungen, ohne deren Beftand die Fortführung und die Dauer des
Betriebes gar nicht gedacht werden kann.
Die Herrfchaft der Römer über die Alpenländer umfafste eine Zeitperiode
von mehr als fünfthalb Jahrhunderten, und wenn auch diefelbe fchliefslich durch
die Kataftrophe der Völkerwanderung gebrochen und vernichtet wurde, das
wirthfchaftliche Leben diefer Gebiete, ihr Bergbau und Hüttenwefen, ihr Salinen-
betrieb wurde jedoch, obgleich fie manchen tiefgreifenden Störungen nicht ent-
gehen konnten, niemals für längere Perioden ganz unterbrochen.
Dem Gefchichtskenner braucht nur angedeutet zu werden, wie rafch fich
in den Alpenländern die Herrfchaft geiftlicher und weltlicher Machthaber, obenan
jene des Erzftiftes Salzburg und feiner thatkräftigen Bifchöfe befeftigte, und neue
ftaatliche Einrichtungen bald fördernd, bald ftörend für das wirthfchaftliche
Leben und die induftrielle Entwicklung diefer Gebiete auftraten.
Konnten wir in Bezug auf die wirthfchaftlichen und Culturzuftände in den
füdlich der Donau gelegenen Ländern Mitteleuropas an weit entlegene Anfangs-
punkte anknüpfen, in Hinficht auf die nördlichen mitteleuropäifchen Gebiete
befinden wir uns in einer weniger günftigen Lage.
Für die Kenntnifs diefer Länder haben wir für die ältere Zeit an den
römifchen Schriftftellern, unter ihnen obenan Julius Cäfar und Tacitus, die faft
ausfchliefslichen Quellen. Es wurde an einer anderen Seite bereits hervorgehoben,
wie fehr die Darftellungen derfelben, namentlich der letztgenannten Autoren, mit
Vorficht zu benützen find, indem deren Publicationen als Staatsfchriften von
entfchieden politifcher Färbung und Tendenz, unter beftimmten Einflüffen und
n Verfolgung eines gegebenen Zweckes verfafst, und überdiefs darüber in Zweife]
affen, wie weit die Autoren ihre Mittheilungen aus eigenen Anfchauungen oder
nur auf Grundlage von Hörenfagen niedergefchrieben haben.
Weder Julius Cäfar noch Tacitus wollten eine erfchöpfende topographifche
Darftellung von dem wirthfchaftlichen Zuftande Deutfchlands und den Culturver-
hältniffen feiner Bevölkerung geben; dazu erfchienen fie aus eigenen Unterfuchun-
gen viel zu wenig unterrichtet. Somit find weder die Schilderungen diefer, noch
die Darftellungen der übrigen Autoren jener Periode im Stande, mehr als ein
höchft karges Licht zu verbreiten; fie geftatten kaum allgemeine Schlufsfolgerun-
gen. Unter beftimmteren Formen entwickeln fich die wirthfchaftlichen Verhält-
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niffe erft dann, als fich die fränkifche Herrfchaft über die in Rede ftehenden
Länder ausbreitete und dort befeftigte, und das Chriftenthum in denfelben Ein-
gang fand.
Es kann nicht unfere Aufgabe fein, eine Culturgefchichte Mitteleuropas
zu fchreiben; es möge nır geftattet fein, auf den Unterfchied aufmerkfam zu
machen, welcher zwifchen der wirthfchaftlichen Entwicklung der Alpenländer und
überhaupt der füdlich der Donau gelegenen Gebiete Mitteleuropas und den nörd-
lichen Ländern befteht. Während in den erftern die Culturentwicklung an jene
Zuftäinde und Grundlagen anknüpfte, welche in Bezug auf Landbau, Wald-
benutzung und Bewirthfchaftung, Viehzucht, Bergbau, Hüttenbetrieb, Salinen-
wefen u. f. w. aus der Kelten- und Römerzeit, und zwar unverkennbar auf einer
fehr beachtenswerthen Stufe ftehend, vorhanden und gegeben waren, mufsten in
den letzteren für alle diefe wirthfchaftlichen Momente erft die Grundlagen
gefchaffen ‚werden. Hier baute fich nahezu eine ganz neue Cultur, ein neues
wirthfchaftliches Leben auf, denn das Beftehende konnte kaum die Elemente für
die neuen Formen und Geftaltungen abgeben.
Bei der Erwägung des Ganges und Verlaufes, welchen die in Rede ftehen-
den Culturentwicklungen genommen, laffen fich die Grenzen der heutigen
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