Full text: Die Fettwaaren und die Producte der trockenen Destillation (Heft 4)

  
16 Dr. Heinrich Schwarz. 
disponiren follte, und folche Maffen davon fich anhäuften, dafs man den Theer 
als Brennmaterial verwenden mufste. Immer aber hat die Technik und die Wif- 
fenfchaft dann auch eine neue Verwendung des Theers oder feiner Beftandtheile 
gefunden, durch welche wieder ein Mangel ftatt des Ueberfluffes eintrat. So ift auch 
jetzt eine ftark fteigende Tendenz der Theerpreife vorhanden. Es dient der 
Theer diredt zu Dachpappen und anderem Dachdeckungs-Material, zur Herftellung 
von Asphalt, zu Asphaltröhren, zum Anftrich von Holz u. f. w. Noch viel mannig- 
faltiger wird feine Verwendung, wenn man ihn der Deftillation unterwirft. Heben 
wir nun die wefentlichften Körper, die fo gewonnen werden, das Benzol, die 
Carbolfäure, das Naphtalin und fchliefslich das Anthracen hervor, fo eröffnet jede 
diefer Subftanzen eine Reihe höchft intereffanter und für die Bedürfniffe des 
Menfchen wichtiger Verwendungen. Es würde hier zu weit führen, auf diefem 
Gebiete ins Detail zu gehen. Die befte Ueberficht auch über die quantitativen 
Verhältniffe gewährt das beigelegte Tableau, das ich der Güte des deutfchen 
Ausftellers Joh. Chr. Leie in Bochum verdanke. Ganz naturgemäfs ift diefe 
Induftrie auf hochentwickelte Staaten befchränkt, die einmal Leuchtgas con- 
fumiren, anderfeits fo viel wiffenfchaftliche Bildung befitzen, um diefe auf rein 
wiffenfchaftlicher Bafıs ruhende Induftrie betreiben zu können. Deutfchland fleht 
in diefer Beziehung derzeit an der Spitze und beherrfcht z. B. in der Induftrie der 
Theerfarben faft ausfchliefslich den Markt. Es kann uns daher nicht Wunder 
nehmen, dafs zahlreiche Ausfteller von dort die Ausftellung mit Theerprodudten 
befchickt haben. Ich nenne darunter Jul. Rütgers in Breslau, der in 3 Etabliffe- 
ments, Erkner bei Berlin (065.000 Centner), Angern an der Nordbahn (40.000 
Centner)und Niederau bei Meifsen (25.000 Centner), zufammen 125.000 Centner 
Theer deftillirt. Herr Rütgers ift bekanntermafsen einer der gröfsten Schwellen- 
Imprägnateure Europas. Er benützt dazu theils Chlorzink, theils das carbolfäurehal- 
tige, fchwere Oel des Steinkohlen-Theers, das zuerft von Bethell in England hierzu 
angewendet wurde. Er ift gezwungen, einen beträchtlichen Antheil folchen Oeles 
aus England zu beziehen neben dem, welches er felbft in den eigenen Fabriken 
gewinnt. Er ftellt fehr fchönes Benzol, kryftallifirte Carbolfäure u. f. w. aus. 
Ich erwähne ferner Brönner in Frankfurt a.M., eine der älteften Fabriken, 
die fchon 1846 errichtet wurde, und fich durch ihr Brönner’fches Fleckenwaffer 
einen Weltruf verfchafft hat. Neben dem leichten Oel wurde auch Carbolfäure, 
Naphtalin, künftliches Alizarin en Päte, trocken und in Kryftallen ausgeftellt. 
Blumberger & Comp. in Oberhaufen hat feine Specialität mehr in Dachpappen 
und Desinfedtionsmitteln. Leie & Comp. in Bochum ift von mir fchon früher 
erwähnt; eine Specialität diefer Fabrik find die Asphaltröhren aus eingedicktem 
Steinkohlen-Theer und endlofem Papier, für Gas- und Wafferleitungen, die fehr 
billig, fehr haltbar, dem Rofte nicht unterworfen und leicht zu verlegen find. 
F. Rudolfin Höchtt, welcher neben Steinkohlen-Theer auch Petroleum deftillirt, 
zeichnet fich durch befonders feinen Lampenrufs aus Naphtalin aus. Die Gefell- 
fchaft für Anilinfabrication in Rummelsburg bei Berlin tritt wefentlich als Con- 
fument der erften Raffınationsprodudte, Benzol etc. auf, die fie auf Anilin und 
andere Verbindungen von hoher Reinheit verarbeitet. Man erkenntleicht, dafs zwei 
ausgezeichnete Chemiker Dr. Maretius und Dr. Mendelsfohn, Schüler des 
berühmten Profeffors Hofmann, die Fabrik dirigiren. 
Auch J. W. Weiler & Comp. in Cöln lieferten in ihrem chemifch reinen 
Anilinund Tolnidin werthvolle Präparate. Aus Oefterreich fanden wir die Firma 
Mayer &Müller mit Produdten aus Steinkoklen-Theer, hauptfächlich Schmier- 
materialien angeführt, doch ift auch ein Theil der oben erwähnten Ausftellung 
von Rütgers für uns fo in Anfpruch zu nehmen. Es ift zu bedauern, dafs diefe 
Induftrie des Steinkohlen-Theers in ihrer höheren Entwicklung in Oefterreich bis 
jetzt noch keinen Boden gefunden hat. Unferes Wiffens wird in Oefterreich 
nirgends in Anilin- und Anilinfarben-Erzeugung gearbeitet, und dürfte es in der 
That jetzt zu fpät fein, in diefen Artikeln Deutfchland Concurrenz machen zu 
     
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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