20 Dr. Wilhelm Friedrich Gintl.
Kaliumchlorat die Gefchützrohre weit energifcher angreifen als Salpeterpulver,
während fie für die Zwecke der Sprengtechnik mit dem Schwarzpulver den Mangel
der erfchwerten Anwendbarkeit in naffem Gefteine gemeinhaben und zu dem wegen
des häufig, ziemlich grofsen Volumens eine Erfparnifs an Bohrarbeit nicht
zulaffen.
Sehr naheliegend war es auch, einen Erfatz des Kaliumnitrats im Pulver
durch das billigere Natriumnitrat zu verfuchen. Pulvermifchungen diefer Art find
von de Tret, Davey, Oxland, Schwarz, in neuerer Zeit auch von Schäffer und
Budenberg empfohlen worden, welch’ letztere, fowie auch E. Hörner neben dem
theilweifen Erfatze des Kaliumfalpeters durch Natriumnitrat auch die Kohle theil-
weife durch Weinfäure-Salze, wie Weinftein, Seignettfalz erfetzen.
Trotz der guten Erfolge, die man in der Praxis, namentlich bei den Spreng-
arbeiten gelegentlich der Durchftechung der Suez-Landenge mit folchem Pulver
erreicht hat, ift die Anwendung folcher Pulvermifchungen bisher nur vereinzelt
geblieben. Es trägt hieran namentlich der fatale Umftand Schuld, dafs derglei-
chen Pulver wegen der Hygrofkopität des Natriumnitrats leicht feucht und
unbrauchbar werden. Gelingt es, diefen Uebelftand zu befeitigen, was fchon
Roberts und Dale durch Zufatz von entwäffertem Glauberfalz zu erreichen fuchten,
dann dürfte der allgemeineren Anwendung derartigen, dem Schwarzpulver an
Effect nicht nachftehenden Pulvers kein Hindernifs mehr im Wege ftehen.
Auch andere Nitrate verfuchte man dem Salpeter des Schwarzpulvers zu
fubftituiren. So namentlich Baryumnitrat, das, zuerft von J. R. Wagner in Vor-
fchlag gebracht, einen Beftandtheil der Pulvermifchungen von Küp, fowie des
feiner Zeit vom Hauptmann Wynand in Brüffel unter dem Namen „Saxifragin“
angegebenen, dann des Pulvers von Newton (1864) bildete, während Craig
fogar die äufserft leicht zerfliefslichen Nitrate des Calciums und Magnefiums zur
Herftellung von geprefsten, durch Einhüllung in eine Collodiumfchichte vor dem
Einfluffe der Luftfeuchtigkeit gefchützten Patronen verwendet wiffen wollte.
Auch durch theilweifen oder vollftändigen Erfatz des Schwefels und der
Kohle im Schwarzpulver, unter Beibehaltung des Salpeters, hat man Surrogate
für diefes herzuftellen gefucht, fowie es auch an Verfuchen nicht mangelte, durch
Abänderung der Mengenverhältniffe an Schwefel und Kohle neue Pulver zu
erfinden.
Von derlei Pulverfurrogaten hat namentlich das von den Gebrüdern Fehl-
eifen in Cilli aus einer Mifchung von 45 Theilen Salpeter, 3'5 bis 4 Theilen
Holzkohle, 9 Theilen gedörrte Sägefpäne und ı Theile Ferrideyancalium her-
geftellte Haloxylin fich als Sprengmittel einer allgemeineren Verwendung zu
erfreuen gehabt und wurden demfelben die Vortheile einer weit kräftigeren Wir-
kung gegenüber der des Schwarzpulvers nachgerühmt, während es überdiefs vor
diefem den billigeren Preis und eine geringere Explodibilität voraus hatte.
Der Vorzug geringerer Explodibilität kommt übrigens auch dem von
Champy (76°3 Theile Salpeter, 18:9 Theile Kohle und 4'8 Theile Schwefel), dann
dem in der jüngften Zeit mehrfach mit gutem Erfolge verwendeten Pulver von
Neumeyer (72 Theile Salpeter, ı8 Theile Kohle und 10 Theile Schwefel) ® zu und
hat namentlich das letztere durch feine Eigenthümlichkeit, nur unter Druck zu
explodiren, einiges Auffehen erregt. Neueftens hat auch E. Wattlen in Middley-
brough ein Patent auf ein Sprengmittel erworben, das er Pyrolith nennt und durch
Mifchung von Salpeter, Sägefpänen und Schwefel, denen er für fchwächere Sor-
ten auch Kohle beimengt, herttellt.
In die Reihe der Surrogatpulver, in denen die Kohle und der Schwefel
durch andere verbrennbare Stoffe erfetzt find, zählen in gewiffem Sinne auch die
fogenannten Pikratpulver, welche wefentlich Gemenge von Pikrinfäure oder
* Früher hatte Neumeyer eine Pulvermifchung von 753 Theilen Salpeter, ı8'75 Theilen
Kohle und 6'25 Theilen Schwefel angegeben.
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