Dr. Wilhelm Friedrich Gintl.
Gleichfalls 1869 liefs fich Alfred Nobel felbft zunächft für England,
fpäter auch für Frankreich und andere /Staaten zwei neue Sprengpräparate
patentiren, deren ftärkeres aus 68 Theilen Bariumnitrat, ı2 Theilen Kohle und
20 Theilen Nitroglycerin, ein fchwächeres aus 70 Theilen Bariumnitrat 10 Theilen
Harz und 20 Theilen Nitroglycerin beftand, und ziemlich gleichzeitig trat auch
C. Dittmar in Charlottenburg mit einem „Dualin“ genannten Nitroglycerin.Prä-
parate hervor, das nach dem amerikanifchen Patente, angeblich aus Cellulofe,
Nitrocellulofe, Nitroftärke, Nitromannit und Nitroglycerin oder aus Cellulofe,
Salpeter und Nitroglycerin dargeftellt fein follte, aber wahrfcheinlich nur das
Sheam’fche Präparat unter neuem Namen war.
Später folgte der von der Firma Gebrüder Krebs & Comp. zu Deutz bei
Kölnin den Handel gebrachte „Lithofracteur“, ein Nitroglycerinpräparat, welches
nach der Unterfuchung J. Trauzl’s nahezu den Verhältniffen, 30 Theile Kiefel-
guhr-, 12 Theile Steinkohlen-Pulver, 4 Theile Salpeter und 2 Theile Schwefel
zu 52 Theile Nitroglycerin entfpricht, dann im Jahre 1871 das von den Gebrüdern
Wafferfuhr & Comp. in Köln dargeftellte Coloniapulver, das in Wefenheit ein
mit 30 bis 35 Procent Nitroglycerin gemengtes Schwarzpulver zu fein fcheint,
deffen Zufammenfetzung von der des gewöhnlichen Schwarzpulvers theilweife
abweicht.* Diefen neuen Geftalten des Spregnöles fchloffen fich im Jahre 1871
und auch 1872 mehrere andere, theils von A. Nobel theils von J. Trauzl her-
geftellte leichtere Dynamitforten und weiters auch ein „Fulminatin“ genanntes
Sprengmittel an, das von Dr. Fuchs in Alt-Berun (Schlefien) empfohlen wurde
und aller Wahrfcheinlichkeit nach aus Nitroftärke, Nitroglycerin, Kiefelguhr,
Salpeter und Holzmehl beftehen dürfte. Endlich wurde bei Gelegenheit der
Belagerung von Paris auch die Verwendbarkeit von Tripel, Kaolin, Thonerde
fowie befonders auch von Zucker als Auffaugungsmittel für Nitroglycerin geprüft
und von Girard, Millet und Vogt empfohlen.
Ueber den Werth der wichtigften diefer Nitroglycerinpräparate liegen
abgefehen von den vielfachen günftigen Zeugnifsen über die Nobel’fchen Dynamit-
forten**, deren wohlerworbener guter Ruf fich bei den mannigfachften Verfuchen
bewährt hat, bezüglich des Dualins dann des Lithofracteur und des Colonia-
pulvers zum Theile fehr eingehende Unterfuchungen vor.
So war das Dualin Gegenftand einer Reihe von dem k. k. öfterreichifchen
militärifch technifchen Comite im Jahre 1870 nächft Hütteldorf ausgeführter Ver-
fuche, bei welchen fich herausftellte, dafs diefes Sprengmittel bei äbnlicher, aber
weniger brifanter Wirkung als Dynamit, fich als Sprengmittel gut verwenden
laffe, dagegen aber infoferne keine befondere Erfparnifs vor älteren Sprengmitteln
biete, als es bei gleichem Volumen blofs etwa die gleiche Leiftung wie Schwarz-
pulver gibt, dem Dynamit gegenüber fogar nur 50 Percent des Effed&es liefert.
der fich mit den gleichen Volumen Dynamit erreichen läfst.
Der Lithofradteur, welcher fich beim Sprengen eiferner Gefchütze am
Mont Valerien mit vorzüglichem Erfolge bewährt hatte, wurde von dem Spreng-
mittel-Comite des englifchen Kriegsminifteriums einer Prüfung unterworfen, bei
der fich derfelbe als ein fehr brauchbares, dem Dynamit in feiner Wirkung am
nächften kommendes Sprengmittel erwies.
Bezüglich des Coloniapulvers endlich liegen bisher nur die Ergebniffe
einzelner, in verfchiedenen Bergwerken vorgenommener Verfuche vor, denen zu
Folge diefes Sprengmittel zwar unftreitig das Schwarzpulver übertrifft, aber dem
Dynamit nachftehen foll, was bei dem wefentlich geringeren Nitroglyceringehalte
umfoweniger auffallen kann, als bei der Explofion des Nitroglycerins der zur
Auffaugung verwendete Pulverfatz wohl kaum Zeit zur Entwicklung feiner eigenen
* Eine Mifchung von Schwarzpulver mit Nitroglycerin hat bekanntlich zuerft Nobel
fchon im Jahre 1864 als Sprengmittel verwendet.
** Ueber die bei Dynamitfprengungen gemachten Erfahrungen hatte das italienifche
Marineminifterium einen fehr intereffanten graphifchen Nachwes ausgeftellt.
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