30 Dr. Wilhelm Friedrich Gintl.
Einführung der diredten Scheidung* des Nitroclycerins von dem gebrauchten
Säuregemifche, eine Arbeitsmethode, welche die vorherige Verdünnung der
I Mifchung nach vollendeter Nitrirung umgeht und alfo die nitrose Schwefelfäure,
die bei der früheren Methode des Ablaffens der Mifchung in Waffer, als zu ver-
dünnt, nicht weiter verwendbar war, in einer der weiteren Verwendung fähigen
Form wieder zu gewinnen geftattet.
| Wie wichtig die Frage der Wiedergewinnung des zur Nitrirung verwendeten
| Säuregemifches ift, geht aus der Betrachtung hervor, dafs im letzten Betriebsjahre
die Quantität des in nicht weiter verwendbarer Form abgehenden Säuregemifches :
in einer Concentration, in welcher dasfelbe bei der diredten Scheidung wieder-
gewonnen werden kann, nicht weniger als 35.000 Centner betragen haben würde.
Das Säuregemifch, wie es nunmehr bei der diredten Scheidung erhalten
werden kann, ftellt eine 50 bis 60 Grad Baum& ftarke Schwefelfäure mit einem
Gehalte von etwa 14 Percent an Oxydationsftufen des Stickftoffes dar und wird
vorläufig zum Preife von 2 fl. öfterreichifeher Währung per Centner an Dünger-
i fabriken abgegeben, die es zur Auffchliefsung von Knochenmell etc. mit Vortheil
verwenden. Es dürfte fich jedoch, namentlich wenn es gelingt das Säuregemifch
concentrirter zu erhalten als bisher, als rationeller erweifen, dasfelbe für die
Darftellung von Salpeterfäure zu verwenden und fo beffer zu verwerthen als bis jetzt. \
Was die Productionsgröfse der Nobel’fchen Fabriken betrifft, fo haben
diefelben (Krümmel und Zämky) im Jahre 1872 im Ganzen 13.400 Centner Dynamit
producirt, wovon in der öfterreichifchen Fabrik zu Zämky 4000 Centner im Werthe r
von 320.000 fl. erzeugt wurden. Diefe Letztere arbeitet mit 2 Dampfmafchinen
(& 4 Pferdekraft), 3 Trockenöfen für Kiefelguhr und Holzpulver, 40 Patronen-
mafchinen und befchäftigt 60 bis 80 Arbeiter Ihr Rohmaterial-Verbrauch betrug
2000 Centner Glycerin, 8000 Centner Schwefelfäure und 4000 Centner Salpeter-
fäure, dann I000 Centner Kiefelguhr.
Von den Erzeugniffen beider Fabriken, die zufammen etwa 200 männliche
und 50 weibliche Arbeiter befchäftigen, entfielen im letzten Jahre 12.000 Centner
auf Dynamit Nr. ı, 1200 Centner auf Dynamit Nr. 2 und 200 Centner auf Dynamit
Nr. 3. Hievon wurde faft die gefammte Produdtiion an Dynamit Nr. 2 und 3 in 1
Oefterreich verbraucht, von Dynamit Nr. ı etwa 3000 Centner in Oefterreich, der
Reft vornehmlich in Deutfchland, Italien und der Türkei abgefetzt. Neuerlich ift
ler Verbrauch an Dynamit erheblich geftiegen, und betrug der Umfatz bis zu Ende
Juni des laufenden Jahres für beide Fabriken bereits 9000 Centner Dynamit
Nr. ı, 1500 Centner Dynamit Nr. 2 und 600 Centner Dynamit Nr. 3.
Beide Fabriken confumiren gegenwärtig per Monat 5000 Centner Schwefei-
fäure (66 Grad Beaum&), 1500 Centner Salpeterfäure (48 Grad Baum&), 500 Centner
Glycerin (30 Grad Baume) und 5000 Centner rohen Kiefelguhr. Die Gefammt-
production von Dynamit am Continente dürfte fich gegenwärtig auf 50- bis
60.000 Centner per Jahr belaufen, wovon neben den beiden genannten bedeu- 1
tendften Fabrikennoch mehrere andere, an denen theils gleichfalls Nobel betheiligt
ift (Italien, Südfrankreich, Deutfchland), oder die in Ländern, wo Nobel keine
Patentrechte geniefst auch von anderen Firmen unterhalten werden, participiren.
al Auch in Stockholm, fowie in San Francisco halten Compagnien, an deren
Spitze Nobel fteht, Dynamitfabriken im Betriebe
Solche Zahlen fprechen deutlich für die Bedeutung, welche das noch in |
Mi: jüngfter Zeit vielfach angefeindete neue Sprengmittel gewonnen hat, und wenn es
| gelingt noch einzelne Mängel zu befeitigen, dann wird das Dynamit wohl auch da
fich Bahn brechen, wo man demfelben heute noch mit Mifstrauen begegnet.
Der wefentlichfte diefer Mängel, der vielfach fchon zu Unglücksfällen
Veranlaffung gegeben hat, liegt unftreitig in der durch den hohen Gehalt des
* Auf die Vortheile der directen Scheidung hatte Referent fchon im Jahre 1869
hingewiefen.