82 Dr. Eduard Schmidt.
Die beften und feinften Liqueure werden ftets nur durch Dettillation der
aromatifchen Pflanzenftoffe mittelft Waffer, oder verdünnten Spiritus bereitet. Die
einfachere Herftellung der Liqueure auf kaltem Wege, mittelft ätherifcher Oele
in Sprit gelöft, wird niemals ein fo feines und liebliches Fabricat liefern wie
jenes aus Deftillaten, weil die im Handel vorkommenden ätherifchen Oele durch
Alter verändert oder gefälfcht find. Ferner werden auch gewiffe Liqueure und
Schnäpfe aus Tindturen allein bereitet, welche aus aromatifch bitteren Pflanzen-
ftoffen mittelft verdünnten Spiritus durch Maceration oder Digeftion ausgezogen
werden. Der Spiritus löft neben den aromatifchen Oelen auch die bitteren und
färbigen, die fogenannten Extradtivftoffe auf, welche als concentrirte Tindtur filtrirt
mit der erforderlichen Menge von Sprit, Waffer und Zuckerlöfung vermifcht
wird. — Sehr häufig benützt man die concentrirten Tincturen als Zufatz bei der
Darftellung von Liqueuren aus Deftillaten oderätherifchen Oelen, um denfelben
einen kräftigeren Gefchmack und eine angenehme Bitterkeit zu verleihen.
Die Liqueure aus Fruchtfäften, Ratafias genannt, werden durch Zerquetfchen
oder Ausdrücken der Früchte, durch Vermifchen der Säfte mit Sprit und Verfetzen
mit Zuckerfyrup erhalten.
Diefe verfchiedenen Liqueure fpielen, hervorgerufen durch die feit Jahren
wachfende Confumtion, eine bedeutende Rolle.
Einige darunter haben fich eine nationale Gunft erworben, während andere
durch ihre fchädlichen, ja heillofen Wirkungen zum Glücke mehr verfchwinden
und deren Genufs verboten werden mufste, wie feiner Zeit der Abfynth in der
franzöfifchen Armee Algeriens.
Effige. Von Effigen fand fich auf der Ausftellung ebenfalls eine grofse
Auswahl, die in Betracht zu ziehen und in drei Claffen einzutheilen find:
Erftens die Weineffige, welche blofs in weinreichen Ländern erzeugt
werden und die als Speife-Effige vor Allem den Vorzug des reinen Gefchmacks
und Aromas haben.
Zweitens die Branntwein- oder Spirituseffige, die jetzt wohl die ver-
breitetften und durch die Schnellfabrication in grofsem Mafsftabe erzeugt werden.
Man verwendet dazu Rohfpiritus oder Branntwein, welcher mit Effig und Waffer
auf 6 Percent bis 8 Percent Tralles verdünnt und der Einwirkung der warmen Luft
bei einer möglichft gleichmäfsigen Temperatur von 26 Grad bis 30 Grad Reaumur
in geeigneten Apparaten (welche man Effigbilder nennt) ausgefetzt, zu Effig wird.
Bei gutem Betrieb foll man von 200 Quart Spiritus von 50 Percent Tralles 1750 bis
ı800 Quart Efig erhalten, von dem eine Unze 30 Gramm kohlenfaures
Natron neutralifirt. Man kann bei diefer Fabrication Rohfpiritus ganz gut ver-
wenden, weil die vorhandenen Fufelöle bei der Gährung vollkommen oxydirt
und in Säuren und Aetherarten umgewandelt werden, welche den Effig aromatifiren.
Drittens Malz-, Getreide- und Biereffige. Die Fabrication aus
diefen Subftanzen hat keine Bedeutung mehr mit Ausnahme in England und
Nordamerika, wo die hohe Befteuerung des Alkohols die Effigfabrication aus
diefem Körper zur Unmöglichkeit macht, und man auf die Verarbeitung von
Getreiden mit Malz oder von fauer gewordenem Bier angewiefen ift. Diefe
Effige haben einen unangenehmen faden Gefchmack und werden oft, wenn zu
Speifen verwendet, künftlich aromatifirt. Aufserdem wird feit einigen Jahren in
England, mehr aber in Frankreich, aus Zuckerrüben Effig in grofser Menge
erzeugt, der als billiger zu induftriellen Zwecken verwendet wird, dabei aber
von ganz angenehmem Gefchmack ift.
Die Ausftellung der gegohrenen Flüffigkeiten.
Was an den angeführten Spirituofen und Effigen von Ausftellern der
einzelnen Länder gefandt wurde, fo waren fie in folgender Anzahl vertreten:
am
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