Full text: Die Thonwaaren-Industrie (Heft 24)

    
Die Thonwaaren-Induftrie. 9 T. 
nie gefehen wurde, verdanken wir den Bemühungen des öfterreichifchen General- 
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confuls G. Ritter von Overbeck in Hongkong, der fich der recht mühevollen 
Aufgabe unterzog, durch Beiträge aus feinen eigenen reichhaltig en Sammlungen 
und jenen feiner Freunde ein as lebendiges, wenn auch vielleicht hie und da 
noch immer lückenhaftes Bild der modernen Induftrie Chinas zu geben. 
Wir haben bei mehreren en bereits unfere Anficht über den chineh- 
fchen und japanefifchen Stil in der Porzellandecoration ausgefprochen. Ein 
Blick auf die bauchigen, meift ziemlich plump modellirten und flüchtig bemal- 
ten Gefäfse aus China illuftrirte das Gefagte. So fehr beifpielsweife die euro- 
päifche und moderne textile Kunft ihre Motive und beften Impulfe der Flächen- 
Decorationsweife des Orientes zu entnehmen vermag, ebenfo fehr müffen wir 
bemüht fein, die, mit dem Porzellan als folchem gleichzeitig mit importirte 
chinefifche Stilrichtung aus ihrem lange ufurpirten Sitze wieder zu verdrängen. 
Im en hat fich die ganze Erfcheinung des modernen chinefi- 
fchen Porzellans gegenüber den alten Arbeiten kaum geändert. Die althergebrach- 
ten, traditionellen Formen und Decorationsweifen, welche fich in gewiffen 
Familien vererben und dadurch Jahrhunderte lang ftationär bleiben, wiederholen 
fich auch heute noch, zum Theile nur angekränkelt durch die Sucht, ftets neue 
und durch das Bizarre des Gedankens überrafchende, und darum beliebte und 
gut bezahlte Exportwaare zu fchaffen. 
In der Collection des Erzbifchofs Gray fanden fich zumeift folche- alte 
chinefifche Porzellane, mitunter von ganz befonderer Gröfse mit figuralen oder 
Blumenmalereien bedeckt, meift blau auf weifs, aber auch bunt decorirt. 
Im Allgemeinen find die Farbenfcalen, wenn auch jetzt nicht reichhal- 
tiger als früher, fo doch jedenfalls der gröfseren Reinheit der angewandten 
Farben wegen brillanter. Am auffälligften ift diefs am Kobalt zu beobachten, 
deffen geringeres Feuer an altchinefifchen Vafen oft zum Kriterium, und meift 
dem einzigen neben den darauf mitunter vorkommenden Infchriften, eben 
ihres Alters wird. If es an und für fich fchon fchwierig, fich in der noch 
wenig von fachmännifcher Seite durchftudirten chinefifchen Poteriekunftt in ihren 
vielfältigen Erfcheinungen zu recht zu finden, fo wird diefs wefentlich erfchwert 
durch die befondere Gefchicklichkeit der Chinefen in der abfolut getreuen Imi- 
tation ihrer Antiquitäten, meift berechnet auf Täufchung europäifcher Käufer. 
Heute noch tragen die modernen chinefifchen Porzellandecorationen die- 
felbe Symbolik der Farbe an fich, die dem Befitzer den Dienft, dem das Gefäfs 
gewidmet ift, oder den Ort der Erzeugung herauszulefen geftattet. Eine genaue 
Kenntnifs der Metaphyfik der Chinefen würde dazu gehören, fich völlig in den 
verfchiedenen, wir wollen nicht fagen Stilarten, aber traditionellen Gefchmacks 
richtungen zurechtzufinden und eine richtige Claffırung der Porzellane ein- 
zelner Culturepochen und Provenienzen vorzunehmen. Diefe grofse Arbeit 
ift bisher nur äufserft lückenhaft gefchehen. Zum Glück ift es häufige Gewohn- 
heit der chinefifchen Töpfer von jeher gewefen, ihre ( Gefäfse mit Schriftzeichen 
zu verfehen. Diefe, fowie die Form und Farbengebung dienen zu Kennzeichen 
der regierenden Dynaftien und damit der Stilepochen in diefer Induftrie. 
Im grofsen Ganzen ift der Charakter der chinefifchen Gefäfse durch ihren 
Mangel an Profilirung beftimmt. Gewöhnlich ift die Form derfelben vafenförmig 
und erfcheint die Öberläche in keiner Weife untertheilt. Der Malerei bietet 
diefer Umftand einerfeits die gröfste Freiheit, denn nirgends wird fie gewiffer- 
mafsen räumlich befchränkt, andererfeits aber, da jede Flächeneintheilung fehlt, 
wird die Anbringung eines ftilvollen, ja felbft eines auch nur [ymmetrifchen Örba- 
mentes wefentlich erfchwert. Wir finden demnach auch als ein Charakteriftikon 
der chinefifchen Ornamentation einen völligen Mangel an Symmetrie, eine ein- 
feitige Anordnung des Deffins, n eine fcheinbar vollkommene Sorglofigkeit des 
Ansführenden Künftlers bei Wahl des Platzes für feine Decoration auf dem ihm zu 
Gebote ftehenden Raume. a fchädigt diefs den Effect der ganzen Malerei 
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