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8 Jakob Falke.
Ausftellung von 18067 der Fall gewefen war. Den ganzen Orient, deffen ehemalige
Glasinduftrie nur in Parifer Imitationen fich noch mit ihrem Werthe und ihrer
il 3edeutung ahnen liefs, vertrat in diefem Zweige allein das ferne Japan, übri-
I) gens nur mit wenigen Gegenftänden, und diefe hatten nur culturgefchichtliches,
nicht auch künftlerifches oder commerzielles Intereffe. Es ift bekanntlich eine
höchft auffallende Erfcheinung, dafs in jenen technifch fo hoch entwickelten
le Ländern Oftafiens, China und Japan, die Glasfabrikation fo gut wie ganz und gar
| überfehen worden und nicht zur Entfaltung gekommen itt.
i | Der Unterfchied jener drei Kunftprincipien des Glafes, welche fich in der
IN Eh | englifchen, böhmifchen und venetianifchen Induftrie ausgefprochen finden, gründet
| fich auf die Bearbeitung und das Material.
ul 5 | Zunächft fcheidet fich alles Kunftglas in zwei grofse Gruppen dadurch,
ll ii Il dafs die eine geblafen, die andere gefchliffen, oder richtiger gefagt, geblafen
ll und gefchliffen ift. In Wirklichkeit ift eigentlich alles Kunftglas geblafen, aber
das eine erhält feine Form blos auf diefe Weife, bei dem anderen wird fie wefent-
\ lich alterirt und in feinem künftlerifchen Charakter erft beftimmt durch die nach-
Ih la träglich hinzutretende Schleifung. Infofern kann man das gefchliffene Glas dem
LINE EUR. geblafenen als ein wefentlich anderes aus dem künftlerifchen Gefichtspunkt gegen-
Hall 1) | über ftellen.
In Die venetianifche Induftrie vertritt nun das geblafene Glas, die englifche
und böhmifche das gefchliffene. In dem letzteren aber liegt ein fernerer Unter-
fchied darin, dafs das eine, das englifche, fogenanntes bleihältiges oder Flint-
glas ift, das böhmifche aber nicht. Diefer Unterfchied im Material, der zunächft
nichts ‘weiter zu bedeuten fcheint, als dafs jenes im Gewicht fchwerer ift als
) diefes, führt doch weiter auch zu künftlerifcher Verfchiedenheit, bedeutend genug,
um wieder das böhmifche und das englifche, die vereint dem venetianifchen
gegenüber ftehen, principiell zu fcheiden. Beide ahmen den Kryftall nach, aber
indem das englifche Glas durch feine Compofition die Fähigkeit gewinnt, bei
kryftallinifcher Schleifung fein Licht in Farben zu brechen, fteht es dem Diamant
nahe, während das böhmifche Glas, das jene Fähigkeit nicht befitzt, fich mehr
} wie der reine, farblofe Bergkryftall verhält, aus deffen Nachahmung es auch
Suhl srdı hervorgegangen ift. Auf der Ausbeutung jener Fähigkeit auf der einen Seite und
dem Mangel derfelben auf der anderen Seite beruht der künftlerifche Unterfchied
des englifchen und des böhmifchen Glafes. Man kann fagen, als Kryftall Imitation
haben beide, das englifche wie das böhmifche Glas, viel Verwandtes, das in der
Hi gemeinfamen Art der Bearbeitung, in der Schleifung, zum Ausdruck kommt; in
den verfchiedenen Beftandtheilen aber find auch ihre künftlerifchen Verfchieden-
| heiten begründet und vorgebildet
Wenn man wollte, könnte man noch ein viertes Kunftprincip des Glafes
aufftellen und diefes als das franzöfifche bezeichnen, nämlich die farbige Bema-
lung des Glafes. Diefe aber liegt nicht im Wefen des Glafes, fondern ift nur von
dem Porzellan durch den franzöfifchen Gefchmack auf das Glas übertragen. Es
‚| ift nöthig für diefe Malerei, das Glas erft undurchfichtig zu machen, alfo ihm
il feine wefentlichfte Eigenfchaft zu nehmen. Man kann daher diefes Kunftverfahren
KR auch nur als Decorationsart, nicht als Princip auffaffen. Dasfelbe gilt von ver-
fchiedener anderer Decoration, fo von der Aetzung, die einen Erfatz für das
| gefchliffene oder gravirte Ornament bilden foll, oder von der Verzierung mit
Ba) Emailfarben auf durchfichtigem Grunde, die von dem deutfchen Glafe der Renaif-
fancezeit, wie von dem orientalifchen geübt wurde. Wir werden ihrer jedoch
nach Befprechung der drei Hauptprincipien zu gedenken haben.
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