Full text: Die Glasindustrie (Heft 89)

   
Das venetianifche Glas. 198 
Ganz anders verhält es fich dagegen mit der Glasmofaik in Art der byzan- 
tinifchen Wandmofaiken, mit deren Reftauration und Nachahmung Salviati alle 
feine fo erfolgreichen Bemühungen zur Hebung der venetianifchen Glasinduftrie 
begonnen hat. Zwar, da es fich hier zunächft um Wandmalerei in grofsem, in 
hiftorifchem Stile handelt, fo gehört diefe Mofaik eigentlich eher in das Gebiet 
der reinen Kuntt, als das der Induftrie; allein Salviati felbf trachtel, diefe Tech- 
nik, die in ihrer jüngften, kaum zwanzigjährigen Exiftenz bis dahin nur in 
Kirchen oder Capellen Anwendung gefunden, nunmehr auch architektonifch 
decorativ in Paläften und Wohnungen zur Verwerthung zu bringen. Und aller- 
dings ift es eine Decoration, ebenfo dauerhaft wie prachtvoll. Weder vermag 
der Glanz der Farben in gleicher Weife anders erreicht zu werden, noch können 
die Farben fich verändern, da fie die Maffe der Würfel, aus denen das Bild fich 
zufammenfetzt, durchdringen. Die Erweiterung, die Salviati diefer Technik 
nach den Beifpielen auf unferer Weltausftellung zu geben trachtet, von dem 
kirchlichen auf das bürgerliche Gebiet, von dem Figürlichen auf das Ornamen- 
tale, ift daher wohl berechtigt. 
Uebrigens kennt, wie zahlreiche Beifpiele auf unferer Ausftellung zeig- 
ten, die Muranefer Fabrikation noch eine andere, mehr induftrielle Art der 
Glasmofaik, und das ift die letzte Seite der venetianifchen Glaskunft, welche wir 
zu befprechen haben. Schon die Alten, die Aegypter, Griechen und Römer, ver- 
ftanden es, die verfchiedenen Edelfteine, die koftbaren wie die bunten Halb- 
Edelfteine in gefärbtem Glafe zu imitiren und daraus gar verfchiedene Gegen- 
ftände zu bereiten. Die heutigen Muranefer ftehen kaum darin zurück. Sie 
benützen ihre Imitationen allerdings nicht oder wenigftens nicht in künftlerifcher 
Weife zu Intaglios und Gemmen, wie die Alten es gethan, dagegen vielfach zu 
decorativer Mofaik. Aus Glasplatten, die Aventurin, Lapislazuli und viele andere 
Steinarten nachahmen, fetzen fie in geometrifchen Muftern Platten zufammen, 
die als Tifchplatten dienen und in Kaften und Cabinets die Füllungen bilden. 
Solche Arbeiten waren fowohl von Salviati wie von anderen der genannten Fabri- 
kanten ausgeftellt. Das ganze Genre ift vom künftlerifchen Gefichtspunkt aus 
nicht befonders hoch anzufchlagen. Es knüpft fich an eine Liebhaberei der Kuntt- 
freunde, die erft feit der Mitte des XVII. Jahrhunderts Mode wurde und auch 
heute vom Modegefchmack nicht unabhängig ift. Als Nebenzweig mag man 
immerhin fich das gefallen laffen; um wahrhaft verdienftvoll und auch bleibend 
zu fein, follte fich die venetianifche Glasinduftrie vor allem an das halten, was 
in ihrer Art edel und gut und, wenn möglich, auch brauchbar ift. 
   
   
   
   
   
   
   
    
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
    
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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