Das böhmifche Glas. 2
Das mit Farbe verzierte böhmifche Glas theilt fich für unferen Standpunkt
in zwei Arten: in das mit Farbe überfangene oder in der Maffe gefärbte Glas
und in das mit Malerei verzierte; fagen wir kurz, in das gefärbte und in das
bemaite Glas.
Jene Art, die wir zuerft befprechen wollen, ift echt böhmifch, wenn nicht
nach dem Urfprung, doch nach ihrer Weife. Schon die Venetianer hatten ihre
Gläfer zum Theil in der Maffe gefärbt nach dem Beifpiele der Alten, bei denen
der in Glas imitirte Edelftein einen Hauptzweig ihres künftlerifchen Glafes gebil-
det hatte. Das böhmifche gefärbte Kryftallglas wurde erft im XIX. Jahrhundert
von Bedeutung, als es fich darum handelte, dem drohenden Uebergewicht des
englifchen Glafes mit neuer Art Concurrenz zu bieten. Das böhmifche gefärbte
Kryftallglas eroberte fich auch einen Platz auf dem Weltmarkt; es beftach und
blendete durch feine Effedte die Augen, aber die Augen der Menge. Höhere
Anfprüche des Gefchmacks vermochte es nicht zu befriedigen ; fo viel Mühe man
fich auch mit der Decoration gab, fo koloffal zuweilen die Dimenfionen der
Gefäfse waren, fo vortrefflich die Farbe, fo künftlich der Schliff, welcher die
Ornamentation herausgravirt hatte. Seine Blüthe fiel ebenmit einerim Gefchmack
verderbten Zeit zufammen, deren künttlerifche Leiftungsfähigkeit in der ganzen
Induftrie fehr gering war. Sie vermochte das ganze Genre niemals auf eine hohe
Stufe zu erheben, hielt es vielmehr aufdem Standpunkt fehr gewöhnlicher Effedte.
Heute ift das Genre, wenn möglich, noch tiefer gefunken. Die Fehler find einer-
feits höchft plumpe, derbe und unfchöne Formen, andererfeits fehr gewöhnliche
Zeichnung der Ornamentation und bei den weifsüberfangenen Gläfern ein viel
zu harter Gegenfatz des kalten Weifs mit der wieder herausgefchliffenen dunklen
Grundfarbe.
Die Menge der Induftriellen, welche folche Waare fabriciren — wir nen-
nen unter den Ausftellern Stölzle’s Söhne zu Nagelberg in Nieder-Oefterreich,
Clemens Rafch in Ulrichsthal, Elias Palme, Gebrüder Kraufe, W. Hof-
mann, H. Ulrich — ift ein Beweis, dafs das Genre noch heute von grofser
commerzieller Bedeutung ift. Um fo mehr ift es wünfchenswerth, auch auf diefe
Art die künftlerifchen Reformbeftrebungen zu lenken und ihr eine Richtung,
einen Charakter zu geben, der fie einem befferen künftlerifchen Verftändnifs
Stand halten läfst. Das gefärbte Kryftallglas mit feiner farbigen Glut fcheint uns
auch durchaus dafür befähigt zu fein, und wir möchten nicht wünfchen, dafs es
gänzlich aufgegeben würde, weil feine heutige Art vor einem befferen Gefchmack
richt beftehen kann. Es traten auf der Ausfteilung auch mehrfach Verfuch: in
diefer Richtung hervor, z. B. bei H. Ulrich Taafelgefchirr, insbefondere Trink-
gläfern, bei denen Laubkränze aus der Farbe ausgefchliffen waren, wie uns
bedünkt, ein ganz richtiges Verfahren. Nur ift auch in diefem Falle darauf zu
achten, den Gefäfsen möglichft gute und elegante Formen zu geben. Verfchie-
dene und zum Theil fehr bedeutende Verfuche in diefer Art fah man in der Aus-
ftellung von J. & L. Lobmeyr in Verbindung mit Meyr’s Neffe. Der Rein-
heit von Form und Zeichnung war die gleiche Sorgfalt zugewendet. Verfchie-
dentlich hatten auch alte venetianifche Mufter die Motive hergegeben, indem
ftilifirte Ornamente in Emailfarben auf dunkelgefärbtem Glafe ausgeführt waren.
Eine Serie ähnlicher Arbeiten mit weifsem Linienornament auf blauem Glafe
befand fich auch in der Ausftellung von Reich & Comp. Mit diefer Art aber,
die gewiffermafsen einen Uebergang bildet, kommen wir fchon zur zweiten Art
des farbigen Glafes, zu den bemalten Gefäfsen.
Das bemalte Glas, obwohl es von den verfchiedenen Fabriken ziemlich
in aller Weife neben einander geübt wird, läfst fich künftlerifch wieder in zwei
Arten zerlegen, in die eine, bei welcher die Bemalung blos decorativ und orna-
mental ift, und in die andere, welche förmlich Figurenbilder auf Glas herttellt.
Letztere Art ift entfchieden franzöfifchen Urfprungs, dort in Frankreich noch am
meiften geliebt und auch am meiften geübt, obwohl fie auf unferer Ausftellung