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Buchbinderei, Cartonnagen und Mafchinen für Buchbinder. AT
und koftbare Einbände zu fchätzen weifs, die Prachtbände meift aus Frankreich
bezieht oder dort beforgen läfst?
Man findet den dortigen Preis nicht zu hoch, würde aber für ein in Oefter-
reich ebenfo fchön und dauerhaft gebundenes Buch denfelben Preis für viel zu
theuer erklären. Der in Oefterreich fchlecht bezahlte Buchbinder foll noch über-
diefs gleichzeitig allen Arbeiten feines Faches gerecht werden, er foll in jeder
Richtung tüchtig fein!
Das ift nicht möglich, denn faft kein Gewerbe hat fo viele und fo ver-
[chiedene einfchlägige Facharbeiten als das der Buchbinderei. Dem öfterreichi-
fchen Buchbinder fteht auch das zur Herftellung einer fehlerfreien Arbeit unum-
gänglich nöthige Materiale kaum zu Gebote. — Es ift z. B. eine kaum glaubliche,
aber leider verbürgte traurige Wahrheit, dafs unfer Pappendeckel viel zu wünfchen
übrig läfst. Ihm fehlen Feftigkeit, Härte und Egalität, welche Vorzüge der fran-
zöfifche Pappendeckel im vollften Mafse befitzt; allerdings koftet derfelbe etwas
mehr als der öfterreichifche und dafs wir diefes wichtige Material nicht in
gewünfchter Güte haben, mag der billige Preis, wofür man die Bücher gebunden
wünfcht, erklären. — Die in Oefterreich und auch in Deutfchland fabricirten
Deckel geftatten keine fo reine Prefs- und Handvergoldung anzubringen, wie
folche in England und Frankreich üblich; der Pappendeckel ift zu weich und
zu fandig. Der ordinärfte Deckel, welchen englifche und franzöfifche Buchbinder
zur Fabrication gewöhnlicher Hausbücher verwenden, ift immer noch feiner
und glatter als unfere feinfte Pappendeckel-Sorte. Doch auch die öfter-
reichifchen Buchbinder trifft mit wenig Ausnahmen ein grofser Theil der Schuld
hinfichtlich der Hemmung des Gewerbefortfchrittes. Wir haben Meifter aufzu-
weifen, die noch heute mit rührender Pietät ihre Arbeit genau fo fertigen, wie ihr
Grofsvater oder Gefchäftsvorgänger fie zu leiften pflegte. Die glänzendften
Leiftungen Englands oder Frankreichs vermögen diefe in Ehren grau gewordenen \
Zöpfe nicht aus dem gewohnten Geleife zu bringen; fie fehen ein, dafs
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fie weit, fehr weit zurückgeblieben find, während Andere im Sturmfchritte mit
dem Zeitgeifte vorwärts eilten; aber fie fagen mit dem naiven Trotze eines
[chmollenden Kindes: Wir wollen Frankreich und England nicht nachäffen!
Die Wahrheit zu fagen: wir find zu alt geworden, wir wollen nichts mehr
lernen! deffen fchämen fie fich und Oefterreichs Glück ift es, dafs junge rüftige
Männer die Ehre des Gewerbeftandes energifch zu wahren beginnen, und der
junge Gefchäftsmann fchon längft einfieht, dafs dem Geifte der Neuzeit gemäls
der Meifter nie aufhören darf, zu lernen, denn der Vortheil feines Gefchäftes
bedingt es und die Concurrenz fchreitet, dem trotzigen Ignoranten hohnlachend,
rüftig vorwärts.
Wenn wir auch mit Recht behaupten können, dafs die öfterreichifche Buch-
binderei vorzugsweife in Wien in den letzten drei Jahren bedeutende Fortfchritte
gemacht hat, müffen wir doch pflichtgetreu bekennen, dafs wir noch fehr viele
Schwierigkeiten zu bewältigen haben, ehe wir uns mit den franzöfifchen Engrofifften
unferes Faches zu meffen wagen dürften!
Es fei hier noch erwähnt, dafs es in England und Frankreich durchwegs
Gefchäftsgebrauch ift, das Buch erft dann mit Leder zu bekleiden, wenn die beiden
Decken (Pappendeckeln) bereits am Buchblock befeftigt find. Der Block wird bis
zum Goldfchnitt fertig gemacht. Das Buch wird nämlich, nachdem es geheftet und
der Rücken mittelft einer Mafchine, die ihm gleichzeitig den Falz gibt, abgerundet
wurde, befchnitten. Die vorher je nach der Buchgröfse genau gefchnittenen
Deckel werden an der einen Seite mit Löchern verfehen und an den Binden
des Rückens befeftigt ; dann erft bekommt der Goldfchnittmacher das Buch in
die Hände und kann fich dann bei Beforgung des Schnittes genau nach den
Deckeln richten. Nach Vollendung des Goldfchnittes wird das bekleifterte
Leder über den Block gezogen und eingefchlagen. Nur bei folchem Vorgange
ift Gleichheit zu erzielen und das fertige Buch zeigt fich fcharfkantig, regel-
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