Trek.
594 Conrad Berg.
Jeanrenaud, frühere Firma Henke in Wien, exponirte fehr folid und doch
zart gebaute Mafchinen für Buchbinderzwecke; befonders erwähnenswerth find
feine Balancirpreffen, für die fchon fein Vorgänger bedeutenden Abfatz fand. |
Aufser den angeführten Mafchinen werden noch manche andere in
Buchbinder-Werkftätten verwendet und befanden fich auch unter den diefsfälligen
Ausftellungsobjecten, doch werden folche nur zu fehr einfachen Verrichtungen
gebraucht und verdienen daher keine nähere Befprechung.
Cartonnagen.
Diefes Gewerbsartikels hat feiner Niedlichkeit und netten. reinlichen Fabri-
cationsweife wegen theilweife der Dilettantismus fich bemächtigt und nicht felten
befaffen fich zarte Damen und galante Herren in ihren Mufseftunden mit der amü-
fanten Herftellung zierlicher Bonbonnieren und Nippesgegenftände, fich felbft zum
Vergnügen und für Freunde und Bekannte zur froh begrüfsten Spende. Doch auch
dem Gewerbefleifse liefert diefer zartefte Zweig vom Stamme der Buchbinderei
eine reiche Einnahmsquelle, befonders in der jetzigen Zeit, wo mit dem allfeitigen
Raffinement auch dem Luxus ein weites Feld offen fteht. Wohl keine Arbeit
erheifcht mehr Gefchmack und Eleganz, als eben die Cartonnage-Arbeit und fo
behaupten auch in diefer die Franzofen den erften Rang. In Paris befchäftigt
diefer Gewerbezweig über 2500 Arbeiter, welche bei 400 Fabrikanten in perma-
nenter Verwendung ftehen und der Totalertrag der diefsfälligen Erzeugniffe läfst
fich mit mehr als 10 Millionen Francs jährlich beziffern. Der Franzofe verfteht die
Kunft, den geringften Artikel durch Verleihung einer höchft gefchmackvollen Um-
hüllung leicht verkäuflich zu machen.
Paris verfertigt Bonbonnieren im Preife von 10 Francs bis 100 Francs per
Stück in Maffen und es ift durchaus nichts Seltenes, dafs Cartons zu diefen Zwecken
mit 2000 Francs bezahlt ‘werden. Die verfchiedenen Artikel von Cartonnage-
Arbeiten, welche Paris vorzugsweife liefert, aufzuzählen, wäre faft unmöglich, wir
begnügen uns, die befonders brauchbaren und daher gefuchten zu erwähnen.
Paris liefert die fogenannten Cartons de Bureaux und Cartons de Magafıns ;
erftere, zur Aufbewahrung und Eintheilung von Acten, Correfpondenzen und
dergl. dienend, find dem Bureau- und Kanzleibeamten unentbehrlich. Diefe Cartons
werden meift mit grünem Papier bekleidet und haben Abfalldeckel, wohl auch
mehrere Fächer. Letztere werden in den Verkaufsläden zur Aufbewahrung von
Weifswaaren, Cravaten, Tüchern u. f. w. verwendet, find äufserft praktifch und
fehr nett gearbeitet. Es ift unbegreiflich, dafs derlei Cartons in Oefterreich bis-
her keine Nachahmung fanden; die hier üblichen befleifsigen fich noch heute einer
fehr ungefälligen Plumpheit. Eine andere Sorte von Cartons zur Verpackung von
Kunftblumen, ‚Seide, Sammt und dergl. findet in Paris ebenfalls grofsen Abfatz.
Zu den nützlichften und daher meift begehrten Artikeln diefer Art zählen die
Cartonnagen für Apotheken, Oblatenfabrikanten etc. etc. In zahllofen Formen und
höchft gefchmackvoller Ausführung finden wir die Hüllen für Chocolade, Bonbons
Parfumerien und Schmuckwaaren.
Zu bedauern ift, dafs wir nicht Gelegenheit hatten, die Grofsartigkeit der
franzöfifchen Leiftung in diefem Gefchäftszweige in mehreren gröfseren Collec-
tionen kennen zu lernen. Die bedeutendften franzöfifchen Firmen diefer Branche
haben nicht ausgeftellt und nur Chevalier & Comp. in Paris lieferten fehr
gediegene Arbeiten. Es gelang ihm auch vollkommen augenfcheinlich zu beweifen,
was Frankreich in diefem Fache zu leiften vermag. Die von ihm exponirten
Körbchen, Bonbonieren etc. machten verdienterweife Senfation; befonders fchön
find die Etuis in Form von rohen Baumftämmen, die der Natur getreu en miniature
reizend nachgebildet find.
England war in diefem Fache nicht vertreten, obwohl es in demfelben
eit mehreren Jahren namhafte Fortfchritte gemacht ‚haben foll.