48 J. F. Radinger.
im zweiten Falle der ganze Ueberdruck vom Kolben auf die Kurbel durch die
Verbindungsftange überkommt. Diefe Stangen ftehen daher unter einem dauern-
den Zug und der Mangel jedes Druckwechfels macht deren Gang weich und hält
den ganzen Mechanismus von Stöfsen auch dann noch frei, wenn fich felbft die
Gelenkflächen durch ftarke Abnützung erweitern.
Diefe gelungene Anordnung macht die Mafchine für fchnellen Gang beffer
geeignet als irgend eine andere mit hin- und hergehender Conftrudtion. Aller-
dings finden fich hier diefelben von Ueberdruck und bewegter Maffe abhängigen
„Grenzen der Kolbengefchwindigkeit“ in genau fo theoretifch feftem Zufammen-
hang wie anderwärts; aber da die zu bewegenden, das ift zu befchleunigenden
Maffen in minimaler Gröfse hier auftreten, wo Geradführung, Kolbenftange und
Kreuzkopf entfallen, fo rückt die Gefchwindigkeitsgrenze fchon rechnungsmäfsig
höher und die praktifche Grenze kann fich ihr mehr nähern als fonft, wo die
wechfelnde Kraftrichtung beim kleinften todten Spielraum im Geftänge der
Gefchwindigkeit durch Vibrationen und Stöfse eine vorzeitige Grenze zieht
Allerdings war in den Ausftellungsmafchinen die Gefchwindigkeit' noch
mäfsig-und überfchritt nur wenig 1'5 Meter per Secunde, was aber gar nicht fehr
zu verwundern ift, wenn man bedenkt, dafs diefe Mafchinen auf fehr kurzem
Hub (kleiner als die Durchmeffer) und für einen Maximal-Dampfdruck von 2%
Atmofphären gebaut waren. Die ausgeftellte Mafchine foll dabei 35 indicirte
Pferdeftärken leiften, hatte 230 Millimeter Bohrung, 203 Millimeter Hub und
machte 225 Umdrehungen per Minute normal. Eine kleine Mafchine, welche den
Schaber eines Economifers trieb, arbeitete aber mit 6000 und verfuchsweife auch
mit 1000 Touren per Minute. Bei hoher Spanung und längerem Hub kann diefes
Syftem Gefchwindigkeit zulaffen, an welche man heute noch gar nicht denkt.
Ein weiterer Vortheil diefer Mafchine ift der Entfall der todten Punkte
und der relativ gleichförmige Gang. Sie kann von jedem Punkte angehen, weil
ftets mindeftens ein Kolben am Hube fteht, und das Schwungrad bleibt klein
nicht nur der fchnellen Drehung halber, fondern auch wegen der gleichmäfsig
wirkenden Kraft.
Diefs alles macht die Mafchine leicht und billig im Anfchaffungspreife.
Die indicirt 35pferdige Ausftellungsmafchine kommt auf 125 Pfund Sterling und
eine Mafchine von 124 Pferden auf 275 Pfund Sterling, was Preife find, welche
bis heute fremd waren und diefem Syftem fofort die allgemeine Verwendung
bahnen müfften, wenn nicht andere fchwere Nachtheile an ihm hingen.
Einer der gröfsten Nachtheile dürfte das rafche Auslaufen der Cylinder
und die baldige Abnützung der Kolben fein, welche keine andere Führung als
ihre eigene Breite befitzen. Die Zugftangen find kurz und erhielten nur die 21/,-
bis 3fache Kurbellänge für fich und da fie ftets gezogen find, fo wechfelt ihr
Geradführungs Druck von einer zur andern Seite. Bei der geringften Ausnützung
wippt dann der Kolben bei jedem Hub und befchleunigt feinen Verderb. Dabei
werden Dampfverlufte eintreten, welche bei den ı!, im Mittel arbeitenden
Kolben weitaus bedeutender find als in einer normalen Mafchine.
Bei halbwegs fchlechtem Waffer wird die Stein- und Schlammablagerung
auch die Zapfen fchädigen, welche fämmtlich vom frifchen, wenn auch geölten
Dampf umgeben arbeiten, und nicht wie fonft überwacht und gereinigt werden
können.
Vorläufig wenigftens entbehrt die Mafchine der variablen Expanfion und
befitzt fchädliche Räume von mehr als drei- und vielleicht vierfacher Gröfse
als fich fonft ergeben. Diefe werden dabei aber noch fo vielmal öfter gefüllt und
ihr Dampf geht fo vielmal öfter verloren.
Wie fich nun all diefe Verhältniffe thatfächlich ftellen, wie fich Cylinder
und Kolben, der lange weitaufsen angegriffene Kurbelzapfen und die (gleich
zu befprechende) rotirende Steuerfcheibe hält, welcher Dampf- und Kohlenver-