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64 Carl Pfaff,
Deuwrichl and
Deutfchland war im Mittelalter auf dem Gebiete der mechanifchen Künfte
allen andern Ländern weit vorangeeilt. Durch die unglücklichen Kriege jener
Epoche aber, wurde es in feiner Entwicklung fo einfchneidend und nachhaltig
geftört, dafs es von England überholt und auf dem Felde der Induftrie gänzlich
in den Schatten geftellt werden konnte.
Die Vortheile, welche England in feiner politifchen Verfaffung, feinem
Seehandel und in feinen Rohmaterialfchätzen befafs, ficherten ihm diefen Vor-
fprung ganz entfchieden bis vor kurzem, und wir fehen heute, dafs Deutfchland
in dem Maafse, als es fich ähnliche Vortheile errungen hat, auch den Kampf auf
dem Gebiete der Induftrie mit Eifer und Beharrlichkeit aufnimmt.
Eine leitende Stelle wird es fich aber erft dann erringen können, wenn fich
feine politifchen Verhältniffe bewähren und befeftigen, fein Handel fich ausdehnt
und ihm nach und nach auch jener Reichthum zu Theil wird, den fich England
durch feine Induftrie erworben hat.
Als innig befreundete und verbündete Nachbarn nehmen wir den wärm-
ften Antheil an Deutfchlands induftriellen Beftrebungen, und indem wir uns fagen,
dafs feine Wege hierin unbedingt auch die unferigen fein müffen, betrachten wir
feine Erfolge mit dem gröfsten Intereffe.
Bei der Beurtheilung der ausgeftellten Mafchinen, müffen wir uns ftets
gegenwärtig halten, dafs die Bedürfniffe, wenn wir fo fagen dürfen, die Vorwürfe
zu den Conftructionen zumeift und in lebhaftefter Weife in England zu Tage
treten und daher auch dort zuerft gelöft werden. Deutfchland empfängt dann
fchon fertige Conftrudtionen und kann fie nur nachahmen, vervollkommnen und
feinen Bedürfniffen anpaffen.
Diefs ift wenigftens die gegenwärtige Lage der Dinge. Es ift aber noch
nicht zu lange her, dafs Deutfchland gezwungen war, nicht nur die Conftrudtionen,
fondern fogar die fertigen Mafchinen von England zu beziehen, und wir müffen
bei der Beurtheilung der heutigen deutfchen Mafchineninduftrie aufser diefen
Umftänden ihre verhältnifsmäfsige Jugend und ihr mühevolles Entftehen berück-
fichtigen und fchon ihr blofses Dafein als einen grofsen Fortfchritt betrachten.
Der jüngfte Zweig der deutfchen Mafchineninduftrie ift aber der alsSpeciali-
tät betriebene Bau von Werkzeugmafchinen, mit denen wir es hier zu thun haben.
Wenn auch fchon in früheren Jahren einzelne Firmen fich mit diefem Artikel
befchäftigen, wiez.B.Haman in BerlinundMannhardtin München, fo konnten
fie es doch zu keiner rechten Entwicklung bringen, und es datirt der deutfche
Werkzeugmafchinenbau erft von den Fünfziger Jahren unferes Säculums her.
Um diefe Zeit fand ein grofser Auffchwung der Eifen- und Mafchinen-Indu-
ftrie in Deutfchland, namentlich in Weftphalen und Oberfchlefien ftatt, welcher den
Impuls dazu gegeben haben mag, die nöthigen Werkzeuge im Lande felbft zu
bauen. Hauptfächlich war es Chemnitz in Sachfen, wo man fich demfelben zuerft
hingab, und mufs wohl der dortige Mafchinenfabrikant Johann Zimmermann
als derjenige genannt werden, der zuerft den Bau von Werkzeugsmafchinen als
felbftftändige Specialität organifirte und, freilich nach englifchen Muftern, folche