Strafsenfuhrwerke und andere Transportmittel. 5
der Formen oder Bequemlichkeit und Reichthum der Ausftattung je nachkommen
zu können, vollkommen ausgefchloffen werden mufs.
Während einestheils fichergeftellt ift, dafs die dem indogermanifchen
Stamme angehörigen Griechen, Italiker und Kelten beim Ueberfchreiten des
Hellefponts noch im Befitze von Tympanwagen waren und erft in ihren neuen
Wohnfitzen die Speichenräder kennen lernten, refpedtive felbft erfanden, fo
berechtigt uns die auffallende Uebereinftimmung der den Germanen und Slaven
als den jüngften Gliedern desfelben Stammes eigenthümlichen Fuhrwerke fowie
deren erhalten gebliebenen Befchreibungen zu der weiteren Annahme, dafs diefe
zwei Völker bei dem fucceffiven Verlaffen ihrer früheren gemeinfchaftlichen
afıatifchen Heimath bereits Speichenräder-Wagen hatten und im Befitz derfelben
ftehend die Pontosflüffe hinaufzogen. Die bei den flavifchen Scythen fo aus-
gebildete Wagenbau-Kunft fowie die mit Hilfe der uneinnehmbaren fcythifchen
W agenburgen den perfi fifchen Weltbeherrfchern beigebrachten fchweren Nieder-
lagen (500 vor Chr.) find ebenfo bekannt, als die den Cimbern und Teutonen
fo verhängnifsvollen und mit deren Vernichtung fowie mit der Wegnahme ihrer
Wagenburgen endigenden Doppelfchlachten von Aqux& Sexti@ und Vercellae
(109 vor Shr.). In dem vom römifchen Feldherrn C. Marius über diefen Sieg
erftatteten Berichte finden fich in der That bei der Aufzählung der erbeuteten
Wagen zum gröfsten Theile nur folche, die bei den Römern nur mit Speichen-
rädern verfehen zu fein pflegten und wobei Currus, Rheda, Carpentum, (die
letzteren wahrfcheinlich dem überwundenen Teuto Boch und deffen Unterfeld-
herrn gehörig) mit der gröfsten Anzahl unter den Beuteftücken figurirten, wäh-
rend die Plauftra fehr fchw ach vertreten waren und höchft wahrfcheinlich auf
dem damals fchon ziemlich cultivirten Requifitionswege von den umliegenden
gallifchen Völkerfchaften in den proviforifchen Befitz der Teutonen gelangt
fein mochten.
Die Völker des femitifchen Stammes haben als fpecififiche Nomaden mit
allfälliger Ausnahme der Phöniker keine befondere Veranlaffung bei Erfinduug
und Ausbildung des Wagenbaues wahrnehmen können und diefs umfoweniger, als
ihnen das „Schiff der Wüfte“ ohnehin die beften Dienfte leiftete, es finden fich
auch weder in ihrer Mythologie noch Gefchichte derlei Erfindungsanfprüche
erhoben oder auch nur angedeutet. Den Schriftgelehrten wird namentlich nicht
unbekannt fein, dafs in der vorfalomonifchen Zeit das auserwählte Volk den
Bedarf an Wagen in Egypten deckte und bei einer fpeciellen Gelegenheit auf
einmal nicht weniger als 600 Wagen von dort importirte und das Stück mit
700 Silberlingen per comptant bezahlte.
König 5 dLöhrr felbft fah fich fpäter, ungefähr 1000 Jahre vor Chr., bei
Gelegenheit desT empelbaues gezwungen, die für die Tempel-Feuerwehr beflimmte
Lieferung von zehn W agengeftellen zum Tragen der zehn ehernen Wafferkeffel
dem phönikifchen W agenbauer Hiram Abifin Tyrus zu übertragen (Buch I der
Könige, 7. Capitel), da in der königlichen Refidenz Niemand die Lieferungs-
bedingniffe für die aus „lauterem Erz“ beizuftellenden Naben, Speichen, Felgen
und Kehren einzuhalten im Stande war.
Die bei den femitifchen Völkern damals fo auffallend zu Tage getretene
Vernachläffigung des Wagenbaues konnte in der Gegenwart gewils Bat keine
erfreulichere Weife als durch die bereitwilligfte Uebernahme der Verwaltungs-
forgen bei einem grofsen Theile der grofsen modernen Transportanftalten, wobei
namentlich in Oefterreich mitunter eine wahrhaft antike Selbftverleugnung ent-
wickelt wird, gutgemacht werden.
Neben der Conftrudtion des Wagens fpielt die zur Fortbewegung diefer
höchft complicirten Mafchine angewendete Locomotionskraft eine fehr
wichtige Rolle.
"In diefer Beziehung unterliegt es keinem Zweifel, dafs analog den während
der Urzeit beim Fortwälzen der Laften angewendeten Hebebäumen auch die