Full text: Strassen-Fuhrwerke und andere Transportmittel (Heft 58)

  
  
12 M. B.Rideli. 
Später erfcheint diefesFuhrwerk noch einmal als unvermeidlicher Begleiter 
der erobernden Ungarn bei deren verheerenden Kriegszügen zwifchen Leitha 
und Rhein, gleichwie auch in Ober-Italien, bis durch den von Kaifer Otto I, am 
10. Auguft 955 imLechfelde herbeigeführten Zwifchenfall diefer handliche Wagen 
für eine Reihe von Jahrhunderten der friedlichen Benützung zurückgegeben werden 
konnte. Gegenwärtig wird derfelbe von den Szeklern in Siebenbürgen bei der 
Landwirthfchaft fowohl als auch beim Transporte von Gütern, namentlich aber 
bei der Verführung vom Borszeker Sauerbrunnen mitunter auf fehr bedeutende 
Entfernungen in Verwendung gehalten. 
Die erften vierrädrigen Wagen haben wahrfcheinlich jene primitive Form 
befeffen, zu welcher gegenwärtig die vierrädrigen Eifenbahn-Waggons endlich 
zurückgeführt worden find, fie entbehrten nämlich einer Vorrichtung zum Um- 
wenden des Wagens, wie diefs ja auch beim Stretweger Bronzewagen derFall iit. 
Diefe Vorrichtung ift gegenwärtig bei allen Wagen in der Hauptfache voll- 
kommen übereinftimmend. 
Gleichwie bei fämmtlichen anderen Fuhrwerken bildet auch beim vorliegen- 
den Szekler-Wagen der durch die Mitte des Wendfcheites, der Achsfchale und des 
Achsftockes, fowie durch dasvordere Ende der beide Achfen verbindenden Lang- 
wied gefteckte Reibnagel das Pivot bei der Umdrehung des Vordergettelles, 
wobei die Reibflächen zwifchen Wendfcheit und Achsfchale zu liegen kommen, 
und das mit dem oberen Wagentheil feft verbundene Wendfcheit unbeweglich 
bleibt. 
Die am Befeftigungspunkte der Wage gabelförmig von der Deichfelftange 
abzweigenden, zwifchen Achfe und Achsfchale eingekeilten und damit feft ver- 
bundenen zwei Stangenarme find an ihren Enden durch ein bogenförmiges Holz- 
ftück, das „Reibfcheit“, zufammengehalten, welches bei einer durch die feit- 
liche Bewegung der Deichfelftange bewirkten Umdrehung des Vordergeftelles 
unter der Langwied gleitet, und wegen der dabei ftattindenden rafchen Abnützung 
an der Reibfläche gewöhnlich mit Blech befchlagen ift. 
Diefes bei fämmtlichen in Wien zur Ausftellung gelangten Fracht- und 
Laftwagen angewendete Untergeftelle hat feit feiner uns durch die egyptifchen 
Denkmäler bekannt gewordene Einrichtung, fomit innerhalb der letzten 0000 
Jahre in Wefenheit gar keine Veränderung erlitten, und mufs diefe Behauptung 
auch in Bezug auf das letzte zwifchen der Parifer und Wiener Weltausftellung 
begriffene Luftrum aufrecht erhalten werden. 
Das Untergeftelle jener Fuhrwerke, welche ausfchliefslich auf die Loco- 
motion von Perfonen beftimmt, entweder durch Auspolfterung und Decorirung 
derim Inneren des Wagens ausgemittelten Sitzplätze oder durch luxuriöfe Aus- 
ftattung der äufseren Wagenbeftandtheile von allen anderen Vehikeln unterfchie- 
den und als Luxuswagen bezeichnet werden, war bei den Alten von dem 
foeben befprochenen Untergeftelle nicht verfchieden. Diejenigen Theile des 
Wagens jedoch, welche zu diefem Zwecke dem Untergeftelle aufgefetzt, und in 
der antiken Wagenbau-Kunft mit dem fo prägnanten Ausdrucke „Hypertheria* 
bezeichnet wurden, bildeten durch ihre zweckmäfsige Gliederung und durch ihren 
fymmetrifchen Zufammenhang mit dem Untergeftelle jenes harmonifche Ganze, 
welches, da eine Renaiffance der Wagenbau-Kunft noch immer ausftändig ift, leider 
der Mehrzahl der modernen Luxuswagen, bei denen die monftröfe, häufig bis 
zu einem Drittel der Kaftenhöhe unterachfig geftellte Tragfeffel-Form definitiv 
adoptirt worden ift, vollkommen abzugehen fcheint. 
Die meiften Veränderungen haben beim Vordergeftelle ftattgefunden, 
indem fowohl das mit dem Obergeftelle, refpedtive mit dem Kutfchbock feft 
verbundene Wendfcheit, als auch die Achsfchale in „Sproffenftänder“ umgewandelt 
wurden, welche je einen „Felgenkranz“ tragen, und innerhalb derfelben die 
Drehung des Vordergeftelles um den mittlerweile zu einer „Spindel“ avancirten
	        
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