Full text: Strassen-Fuhrwerke und andere Transportmittel (Heft 58)

  
  
18 M. B. Rideli. 
Eine derartige Wirkfamkeit ift nämlich nur dann möglich, wenn die Wagen- 
feder aufserhalb des Wagenkaftens, und zwar zwifchen denfelben und die Achfe 
eingefchaltet gedacht wird; diefe Lage kommt aber dem höhnifchen „piumis pen- 
filibus vehi* von Juvenal, oder den „ofcilla mollia“, wovon fehr häufig bei den 
Römern Erwähnung gefchieht, gar nicht zu, und kann nur auf die verfchiedenen 
Kiffen, Teppiche u. f. w., welche innerhalb des Wagenkaftens mitteltt 
Riemen, Schnüren aufgehängt wurden und den beabfichtigten Zweck der Vermin- 
derung des Stofses, wenn auch in einer minder vollkommenen Weife, erreichten, 
Bezug haben. Die Hypertheria oder das gefammte Obergeftelle inclufive des 
Wagenkaftens waren aber unmittelbar auf den Achfen befeftigt, fowie auch der 
Vorderwagen mittelft des Reibfcheites und nicht im Scheibengeftelle oder Felgen- 
kranze umgedreht werden konnte. 
Diefs fchliefst jedoch nicht aus, dafs die Alten in Bezug auf die raffinirteften 
Bequemlichkeitseinrichtungen bei ihren Wagen eine ebenfo grofse Sorgfalt ver- 
wendeten, als auf die äufsere Pracht derfelben;; fo wurden beifpielsweife nach Er- 
mordung des Kaifers Commodus von deffen Nachıolger Pertinax eine Unzahl Hof- 
wagen verkauft, die fchon ihrer Benennung nach: Carucca dormitoria, Carucca 
lusoria, Schlafcaroffe, Spielcarofe u. f. w. eine ebenfo forgfältige als bequeme 
innere Einrichtung verrathen, wobei auch ein Wagen mit einer Vorrichtung zum 
Abmeffen des zurückgelegten Weges mit unter den Hammer kam und für diefen 
von den koftbarften Edelfteinen und Metallen ftrotzenden Wagenpark ein aufser- 
ordentlich hoher Kauffchilling realifirt werden konnte. 
Es liegt die Vermuthung nahe, dafs ein Theil der fo häufig noch vorkom- 
menden antiken Metallfeder-Spiralen als Möbelfedern verwendet wurde, nament- 
lich könnte diefs bei den von Georg Rath aus Peft in der ungarifchen Abtheilung 
ausgeftellt gewefenen fehr gut erhaltenen cylindrifchen Federfpiralen von circa 
0'200 Meter Höhe und 8o Millimeter Durchmeffer im Lichten bei 2 Millimetern 
Fleifchdicke, beiderfeits mit Spiralkappen gefchloffen, der Fall gewefen fein, wo- 
von auch im k. k. Antiken-Cabinet ähnliche Exemplare vorkommen, in welcher 
Form diefer antike Reffort & boudin bei der inneren Wagengarnirung der Alten 
eine fehr wichtige Rolle gefpielt haben dürfte. 
Mit dem Verfalle des römifchen Reiches verfiel auch die Kunftund die Pracht 
der fchönen antiken Wagen, fie verfchwanden und wurden durch einfachere Fuhr- 
werke erfetzt. In den erften chriftlichen Jahrhunderten war die Form der neu ein- 
geführten Fuhrwerke noch unbeftimmt, obgleich genug vortreffliche Urbilder zur 
Nachahmung von den Römern übrig geblieben waren. Aber die Form der Wagen 
jener erften Chriften durfte nichts Aehnliches mit denen des Heidenthums ansich 
tragen, diefrüher meiftens den Götzen und ihren Dienften, fowie den Prieftern ge- 
widmet waren, daher trugen die erften felbftftändigen Bauwerke, fowie alle da- 
maligen Kunftverfuche der beginnenden chriftlichen Epoche den fchweren Stempel 
der Gefchmacklofigkeit. 
Während des Mittelalters erhielt fich in den ehemals den Römern unter- 
worfenen Ländern von den früher in Gebrauch geftandenen Fuhrwerken blos die 
vierrädrige gallifche Rheda, die übrigensmit der heutigen ruffifchen Kibitka grofse 
Aehnlichkeit hat, und derzweirädrige gallifche Kar (davon derjetzigeChar, Chariot), 
welchen die Franken fpäter durchgehends mit Speichenrädern verfehen hatten, der 
aber fonft und auch in Bezug auf die. in langen Reihen einzelweife vorgefpannten 
Zugthiere genau fo ausfieht, wie er vor beinahe 2000 Jahren von Julius Caefar 
gefchildert wird. 
Nachdem ein Theil der reifenden Menfchheit die längfte Zeit hierauf im 
Bauernwagen rechtfchaffen gefchüttelt worden war, während nur die Bevorzugten 
fich in Sänften trägen liefsen, kam man auf den Einfall, diefe zwei Locomotionsarten 
za vereinigen und von der Wagenleiter blos die zwei unteren Schrotbäume auf den 
Untergeftellen zu belaffen, dazwifchen aber eine mehr oder weniger reich ver- 
zierte Sänfte in zwei breiten Riemen, welche nach Bedürfnifs mitfammt der Sänfte 
 
	        
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