Full text: Eisenbahn-Unter- und Oberbau (Heft 90)

  
  
10 I. Die geschichtl. Entwickelung u. d. Culturwerth d. Eisenb. 
Der zweite Abschnitt in der Geschichte der Wege des Welt- 
handels beginnt mit der Entdeckung von Amerika und jener des 
Seeweges nach Ostindien. Zu allen vorhergegangenen Zeiten war 
das Ziel der im Westen der alten Welt wohnenden Völker das Land 
Indien gewesen, und die aufstrebende Cultur in Europa hatte diesen 
Drang nach dem Lande der Schätze und der träumeriselen Märchen 
in dem Aufblühen der Hansa, Genuas und vor Allem Venedigs zu 
einem so bestimmten Ausdrucke gebracht, dass die an der atlanti- 
schen Küste wohnenden Völker Europas das Ziel ihrer Wünsche im 
Segeln nach Sonnenuntergang zu erreichen suchten. Vorbereitet war 
dieses Ziel dureh den Italiener Gioja, der, wie man annimmt, schon 
um 1300 den Schiffscompass verbessorte, und durch Martin Behaim 
(1459 — 1507), den deutschen Mann aus Nürnberg und den Carto- 
graphen, der 1480— 1484 in Portugal sein Astrolabium erbaute und 
1484—-1485 Westafrika befuhr. Es regte sich unter den kühnen 
Schiffern, und die Rolle, Amerika zu entdecken, fiel dem Genuesen 
Christoph Columbus 1492 zu. Das fabelhafte Geflüster über das neu 
entdeckte Land reizte auch zu Lissabon, und Vasco de Gama um- 
schiffte, segelnd nach Sonnenaufgang, am 20. November 1497 die Süd- 
spitze von Afrika und landete am 20. Mai 1498 im Hafen von Kalikut. 
West- und Ostindien war für die direete Fahrt entdeekt und 
Venedig durch den Geist zweier kühner Männer in seinem Marke 
erschüttert. Die Spanier bemächtigten sich, die Menschenwürde 
niedertretend in der Gier nach Gold, des neuen Landes im Westen, 
die Portugiesen hielten Ostindien fest, das Mittelländische Meer sank 
in seiner Bedeutung für Europa, und zum Wege des Welthandels 
wurde die alle Continente umspülende See. Es verstummte am Hin- 
dukusch die Leier Sultan Baburs und der Welthandel gewann Rich- 
tungen, welche von der stärksten Macht zur See geboten wurden. 
Wir sehen in der Reihenfolge der Jahre den Handel zwischen 
Europa einerseits und Asien und Amerika anderseits in den Hän- 
  
den der Portugiesen, der Spanier, der Holländer, der Franzosen 
und der Engländer. Für den Strich des Welthandels aber, der nun 
zwischen Amerika und Ostindien sieh erdehnte, bewegte sieh der 
Drehpunkt des Hebels von Venedig hin nach Cadix, nach Lissabon 
und nach Antwerpen, also immer weiter hinauf nach Nordwest 
an der atlantischen Küste Europas. Nicht die Spanier, auch nicht die 
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