300 IV. Aussergewöhnliche Unterbauten.
eines Wasserweges zwischen der Oster- und der Westerschelde,
also zwischen dem Rheine und der Schelde,
Zu diesem Zwecke wurde zwischen Hansweert und Wemel-
dingen ein Canal von 9150 Meter Länge, 421/, Meter Spiegelbreite,
Ö1/. Meter Minimaltiefgang angelegt, dessen Kuppelschleussen
16 Meter und dessen Brücken 17 Meter Liehtweite haben.
Die Baukosten dieses Canales einschliesslich der ihn über-
schreitenden gegenwärtigen Eisenbahnbrücke betrugen 4,420.000 fl.
österreichischer Währung, und erhellt die Wichtigkeit des Canales
schon aus dem Umstande, dass seit seiner Eröffnung im Jahre 1866
im Durehsehnitte jährlich 17.100 Schiffe mit 895.100 Tonnen
Gehalt passirten.
Ungeachtet dıeser bedeutenden Geldopfer und der sichtlichen
Erreichung eines grossen Zweckes war dieser Canal dennoch der
Ausgangspunkt erheblicher diplomatischer Verwiekelungen zwischen
Belgien und Holland, ferner die Ursache der Abhaltung und Ent-
stehung einer Fluth von Commissionen, Gutachten, Flugschriften
und Meinungsäusserungen; denn Belgien, sich stützend auf die
Tractate, behauptete, dass Antwerpen durch die Absperrung der Öster-
Schelde wesentlich geschädigt wäre, während die niederländische
Regierung ihrerseits bebauptete, die Tractate nicht verletzt zu haben,
indem der genannte hergestellte Canal durch Südbeveland die
Schifffahrtsinteressen aufrecht erhalte, die beabsichtigte Abdämmung
eines Seitenarmes des Hauptstromes den Letzteren selbst verbessere
und nach diesen technischen Ergebnissen die Absperrung der
Osterschelde durch einen Eisenbahndamm nur eine Massregel im
eigenen Lande sei.
Der diesermassen entstandene Streit, allseits als „Schelde-
frage“ bekannt, gibt daher einen neuen Beweis für die alte
Erfahrungssache, dass technische Arbeiten auch häufig
dem Anpralle internationaler Interessen gewachsen
sein müssen.
Der vorliegende Fall ist für uns Ingen’eure zu lehrreich, als
dass eine nähere Auseinandersetzung desselben übergangen werden
könnte.