251 Alexander der Große
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Indus zurück und hier theilte er ſein Heer. Die eine Hälfte ſegelte
an der perſiſchen Küſte und den Euphrat hinauf, die andere führte
er ſelbſt auf dem Landwege, wo er noch einen harten Kampf mit dem
kriegeriſchen Volke der Maller zu beſtehen hatte, über Suſa zurüd
nach Babylon und ſchlug nun hier ſeine Reſidenz auf, im Jahre 324.—
Zehn Jahre waren unter fortwährenden Kämpfen vergangen ; aber
Alexander war nach und nach ein Anderer geworden. Der kräftige,
alle weichlichen Genüffe verachtende Kriegsheld hatte fich, aſiatiſche
Kleidung ‘und Sitte annehmend, in einen orientaliſchen Deſpoten
verwandelt. Die göttliche Ehre, welche ihm die aſiatiſchen Völker
als ihrem Herrſcher bezeigten, berauſchte ihn. War es Staatsklug-
heit geweſen, wenn ex ſi< dur< das Orakel des Amun als Sohn
des Zeus begrüßen ließ, ſo war es jeßt die Fülle der Macht, die un-
unterbrochene Gunſt des Glückes, welche den ſonſt fo klaren Sinn
zeitweilig gefangen nahmen. A. blieb entnervendem Sinnengenuſſe
nicht fremd und ſtrafte mit Härte ſolche, die ihm göttliche Ehre ver:
weigerten. Sein Hof zu Babylon ſtrahlte in höchſter Pracht; pomp-
haſte Geſandtſchaften aus dem Abend - und Morgenlande erſchienen,
ihm zu huldigen und ſeine Thaten zu preiſen, ſ{hwelgeriſ<he Gelage
und Feſtlichkeiten drängten einander. Unter Anderm gab ihm ſeine
Vermählung mit des Darius Tochter Stateira (au< Barſine ge-
nannt), welche er neben Norane zur Gattin wählte, Gelegenheit zu
außerordentlichen Feſtlichkeiten. Judeſſen fehlte es auh an unerfreu-
lichen Vorfällen niht, wie z. B. das gefährliche Zerwürfniß mit
ſeinen alten makedoniſchen Kriegern zeigt, welche er nur mit Mühe,
durch ein eben ſo kluges wie energiſhes Auftreten, fich wieder zu ver:
jöhnen vermochte. Bei alledem verlor jedoch U. fein hohes Ziel, die
Gründung eines Weltreiches mit politiſcher Gleichſtellung aller Staats-
bürger, mit helleniſchen Lebens - und Bildungsformen , nicht aus dem
Auge. Um dem Weltverkehr neue Bahnen zu eröffnen, ging er im
Herbſt des Jahres 324 nah Ekbatana, wo zugleich das Dionyſosfeſt
mit höchſtem Pompe, mit den glänzendſten Aufzügen, Kampfſpielen
und Gelagen gefeiert wurde. Bei dieſer Gelegenheit erkrankte ſein
treuefter Jugend = und Waffengefährte, Hephäftion, welchem A. von
ganzer Seele (wie einſt Achilles dem Batroflos) zugethan war, und
fiel in der Blüte feiner Jahre dem Tode zum Raube. Dieſer harte
Schlag brach des Königs Herz ; drei Tage lang ſaß er ſtumm bei der
theuren Leiche, ohne Speiſe und Trank zu fich zu nehmen. Dann
ordnete er ſelbſt ven Tranerzug nad) Babylon an und bereitete dort
im nächſten Frühjahr (323) dem theuren Verſtorbenen, den er wie
ſein eigen Haupt geliebt, die glänzendſte Leichenfeier, welche je einem
Sterblichen zu Theil geworden. Es war eine ſeiner leßten Anord-
nungen, glei<hſam das Vorſpiel zu ſeinem eigenen Hinſcheiden. Ju-
folge der Aufregung und ſeiner Ausſchweifungen fiel A. in ein Fieber,
welches ſchnell ſeine Lebenskraft bra<h und mit einem unerwartet
raſchen Tode (am 11. Juni 323) endigte, nod) che der Sterbende
eine beſtimmte Anordnung über die Nachfolge getroffen. Auf die
Frage, wem er ſein Reich hinterlaſſe, ſoll er, ganz ſeinem Charakter
angemeſſen, erwiedert haben: „dem Würdigſten.“ Die blutigen
Kämpfe, welche unmittelbar nad) dem Ableben des großen Königs
unter ſeinen höchſten Würdenträgern (\. „Diadochen“) ausbrachen, hin:
derten ſogar längere Zeit die Beſtattung des Todten. Erſt im nächſten
_ Jahre gelangte man dazu, die Ueberreſte des Königs von Babylon
wegzuſühren , um ſie in der Königsgruft zu Aegä beizuſeßen. Allein
auf dem Wege dorthin bemächtigte ſi< Ptolemäus, Statthalter von
Aegypten, der Heldenleiche und ließ ſie in Alexandrien beſtatten, um
dem Nillande den ſegnenden Schußgott zu erhalten. Der Sarkophag
befindet ſi ſeit 1802 im Britiſchen Muſeum zu London.
A. iſt unſtreitig einer der größten und genialſten Menſchen des Al-
terthums. Klarer Geiſt, das Erbtheil des Vaters, war bei ihm wun-
derbar mit der Mutter Leidenfchaftlichkeit gemifcht. Wurde der erſte
durch des Ariſtoteles ſorgfältige Erziehung gehoben, ſo fand der lebte
Nahrung in den Geſängen Homer's, in welche ſeine lebendige Phan-
tafie fi) gern vertiefte. Dieſe Miſchung war auch der Grund, aus
dem ſeine Feldherrngröße und perſönliche Tapferkeit, niht minder
aber ſo manche raſche Gewaltthat, endlich auch ſein ſpäterer Deſpo:
tismus entſprang.
So lange die Leidenſchaft unter der Herrſchaft des Verſtandez
blieb, trat ſie nur als mildes Feuer zu Tage, deſſen warme Strah:
len uns exfr-uen. Laut preift der jugendliche Held die Tapferkeit |
Achill's, ſein Grab mit einem Kranze ſ{<müd>end, und neidet ihm den
Nuhm, dur< Homer unſterblih geworden zu ſein. Muthig ſucht ex
im Getümmel der Schlacht bei Jſſus, wie bei Arbela, perſönlichen
Kampf mit dem Perſerkönig und eilt dem fliehenden in die unwirth:
lichen Berge nah, um ihm mit eigener Hand gefangen zu nehmen,
Dem Heere voran zieht er dur< die Wüſte und gießt durſtend das
Waſſer inden glühenden Sand, um die Entbehrungen Aller zu
theilen. — Mehr und mehr aber ſinken die Feſſeln, freier und na&
ter tritt die Leidenſchaft hervor. Batis, dem heldenmüthigen Ver-
theidiger von Gaza, durchbohrt er die Füße und fchleift deffen nadten
Leib, wie Achill einſt den Hektor ,_ hinter ſeinem Siegeswagen. Die
Milefier, deren Vorfahren ehemals dem Xerxes Apollo's Tempel
überlieferten, ſtraft er im Namen Apoll's für dieſes Verbrechen der
Väter am Leben. — Schließlich iſt die Leidenſchaft faſt allein Herr:
ſcherin. Sinnlichkeit, Trunk und Ueberhebung, mehr und mehr
durch aſiatiſche Schmeichelei groß gezogen, verbinden ſich mit ihr und
nehmen den Elaven Geift gefangen. Durd Worte gereizt, durchbohrt
er im Trunke den Lebensretter Kleitos, und obwol über die raſche
That trauernd das Haupt verhüllend, fo muß er doc bald mit dem
eigenen Leben den Taumel büßen, in den er verſunken iſt.
Sowie die Leidenſchaft allmählig wuchs, ſo mußte die Klarheit
des Geiſtes nah und nach ſi< verdunkeln, wenn auch bis zum frühen
Tode fortwährend Geiſtesbliße die Nacht erhellten, wenn auch die
Entwürfe und Aufträge, die er Krateros hinterließ, beweiſen, daß
der große Gedanke einer Weltherrſchaft ihn bis zum Tode beſchäf:
tigte. Arabien und Libyen (Nord-Afrika), Sizilien, Jtalien und
Iberien (Pyrenäiſche Halbinſel), alles Land um das Mittelmeer bis
zu den Säulen des Hercules (Straße von Gibraltar) ſollten mit den
bereits eroberten Ländern zu einem Weltreich mit dem Herrſcherſiß
Babylon verbunden und dadurch ein nach allen Seiten ungehemm-
ter Verkehr zwiſchen allen Kulturvölkern der damaligen Zeit her:
geſtellt werden. Wohl mag dieſer Plan ſhon frühzeitig in dem klaren
Geiſte entſtanden ſein, der mit wahrem Feldherrutalent ſeine Pläne
zu entwerfen, die Maſſen zu lenken, jede Waffengattung zu benutzen
verſtand und neben der Leitung no< Zeit fand, ſeine perſönliche
Tapferkeit zur Geltung zu bringen. Für eine ſolche Abſicht ſpricht
der Umſtand, daß er vom Anfang an beſtrebt war, in den eroberten
Ländern griechiſche Kultur, griehiſhe Wiſſenſchaft zu verbreiten.
Künſtler und Gelehrte folgten ſeinem Zuge, um Länder und Völker
und ihre Produkte zu erforſchen, Städte wurden gegründet und
Handelsunternehmungen gefördert, um den Verkehr zwiſchen den
verſchiedenen Nationen zu beleben. Suchte A. auf dieſe Weiſe die
beſiegten Völkerſchaſten der griechiſchen Kultur zu gewinnen, ſo ſtrebte
er andererſeits danach, die kulturſtolzen Hellenen an aſiatiſche Sit:
ten und Bräuche zu gewöhnen, um ſie und die unterjochten Bar-
baren zu einem einzigen Volke zu verſhmelzen. Als der Erſte unter
Gleichen verkehrte er im Felde wie beim Becher mit ſeinen Makedo:
niern, um ſie für ſeine Pläne zu gewinnen, und fehmeichelte den Ai =
ten durch Annahme perſiſcher Gewänder und Sitten. Seine eigene
Vermählung mit Darius’ Tochfer Stateira, die gleichzeitige Ver-
heirathung jeiner Krieger mit den fchönften Perſerinnen war ein 4
großer Schritt zu dieſer Völkerverſhmelzung, deſſen Bedeutung er
durch glänzende Feſtlichkeiten kennzeichnete. Allein die Zeit, in wels 4
her Alerander nad Plutar<h's Erzählung den Seinen befahl, die 7
Welt als Vaterland, die Braven als Verwandten, die Schlechten als +
Barbaren und Feinde anzuſehen, war vorüber. Aſiatiſche Niedrigkeit, +
perſiſche Schmeichelei hatte aſiatiſchen Dünkel , orientaliſche Deſpoz
tenlaune gewe>t; das Mittel war unbewußt zum Zwe geworden, |
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