Full text: A (1. Band)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
259 Alerander IL. von Rußland $ 
Alexander 11. von Rußland 260 
  
Alexander IL, Nikolajewitich, fett 2. März An. ruff. St. 18. Febr.) 
1855 Kaifer und Selbftherrfher aller Reußen, ift am 29. (17.) 
April 1818 geboren. Als Sohn des Kaiſers Nikolaus aus deſſen 
Ehe mit Alexandra Feodorowna ( ehemals Prinzeſſin Charlotte 
Wilhelmine), älteſter Tochter Königs Friedri<h Wilhelm TIT. von 
Preußen, hat er, gleich ſeinen vier Geſchwiſtern, unter Leitung eines 
ſtrengen, aber liebevollen Vaters und einer hochgebildeten Mutter 
durch den Dichter Schukowski eine vorzügliche Erziehung genoſſen. 
Vermählt ſeit dem 28. (16.) April 1841 mit Maria, Tochter des 
verſtorbenen Großherzogs Ludwig IT. von Heſſen, ſollte ex ſhon früh- 
zeitig ſih an dem Glüce eines mit Kindern geſegneten Familien- 
lebens erfreuen. — Nach dem plößlichen Tode ſeines Vaters in ge- 
reiſtem Alter zur Thronfolge berufen, als ſi< gerade dur den Fall 
von Sebaſtopol dex lebte Aft des Krimkrieges (\. dieſen) abſpielte, 
warteten ſeiner ſogleich ganz außerordentliche Aufgaben und Pflichten. 
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
    
  
   
      
   
   
   
   
   
   
   
   
    
   
   
  
   
  
   
  
   
   
   
   
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Vor Allem galt es, zum Frieden mit den Weftmächten und mit dem 
türkiſhen Nachbar zu gelangen, was auf dem Kongreſſe zu Paris 
(30. März 1856) durch weiſe, entgegenkommende Nachgiebigkeit gegen 
die ebenfalls nah Frieden verlangenden Weftmächte erreicht ward. 
Hierauf {ritt A. zur Bewältigung der großen Hauptaufgabe feines 
Lebens vor. Es begannen die Vorbereitungen zur Aufhebung der Leib- 
eigenſchaft. Da man bald wahrnahm, mit welcher Feſtigkeit A. die Re- 
organiſation der Armee und Marine in die Hand nahm und die För- 
derung der Wohlfahrt ſeiner Völker verfolgte, ſo {wand die allgemein 
verbreitete Befürchtung, daß das tief erſchütterte Reich infolge des mil- 
den, friedliebenden Charakters des neuen Monarchen, dem man Mangel 
an Friegerifchem Sinne, geringe Thatkraft und Willensſtärke beimaß, 
dem Zerfall entgegeneife. Aferander II. erblicte allerdings, im Gegen= 
ſabe zu den Anſichten ſeines unbeugſamen Vaters, nicht in Erwei- 
terung des kriegeriſchen Ruhmes ſeinen oberſten Beruf, ſondern in 
der Pflege der Werke des Friedens. Dieſen, vornehmlich der Hebung 
der ſozialen und induſtriellen Lage ſeines ausgedehnten Reiches, 
wandte er nah wiederhergeſtelltem Frieden ſeine ganze Fürſorge zu. 
Durch Erbauung zahlreicher Eiſenbahnen, bei deren Anlage man 
ſich ebenſowol dur wirthſchaftliche als dur ſtrategiſche Rükſichten 
  
leiten ließ, belebte ex den inneren Verkehr und förderte die Induſtrie 
ungemein, die in der mechaniſchen Geſchi>lichkeit des gemeinen Ruſ- 
ſen den wirkſamſten Gehülfen findetz Reformen in der Juſtiz und 
Verwaltung, die Trennung beider, Einſeßzung von Geſchworenen- 
gerichten, Deffentlichkeit des Gerichtöverfahrens wurden gleichzeitig 
angebahnt, um im Volke ein beſſeres Vertrauen zu dem Beamten: 
ſtande zu erwe>en, deſſen Beſtechlichkeit bisher ſprüchwörtlich geweſen. 
Weiterhin ward durch beſſere Einrichtung des Unterrichtsweſens auf 
freiſinnigen Grundſäßen der Sinn für Bildung und die Liebe zu den 
Wiſſenſchaften bei der Jugend gefördert; das freie Verſammlungsrecht 
ward zugeſtanden , die Preſſe, die freie Meinungsäußerung wurden 
der drücdenden Feſſeln entledigt; aber den kräftigſten Impuls zux 
Umwandlung der geſellſchaftlihen Verhältniſſe nah der Richtung des 
Beſſern gab A. dur<h Aufhebung der Leibeigenſchaft der Bauern. 
Nicht minder hat er fich Schon bald nad) feiner Thronbeſteigung be- 
müht, die Aufregung in ſeinem polniſchen Königreiche dur<h Milde 
und wohlgemeinte Konzeſſionen zu ſtillen und dem Lande den Frie- 
den wieder zu geben. Leider vergebens. Es wollte weder dem dama- 
ligen Vertrauensmann der Polen, dem Grafen Alexander Wielo: 
polski, no< weniger nachher dem Bruder des Zaren, dem wohl 
meinenden Großfürſten Konſtantin, gelingen, den Abſichten des 
Kaiſers oder gar den weitgehenden Erwartungen des fort und fort 
konſpirirenden polniſchen Volkes zu genügen. Vielmehr nahm die 
Widerjeßlichkeit ftetig zu, e3 brachen Unruhen aus, die fich im Jahre 
1863 jchfießlich zum Aufjtande fteigerten und erft nach Entfaltung 
bedeutender Militärfräfte niedergefchlagen werden konnten. Seitdem 
liegt die ruſſiſche Fauſt {wer auf dem unglücklichen Lande, und es 
geht das Streben des ruſſiſhen Gouvernements erſichtlich dahin, das un- 
botmäßige Königreich mit Aufbietung aller Mittel völlig zu ruſſifiziren. 
Wirft man einen Blick auf die gegenwärtig in Nußland herrſchen: 
den Zuſtände und vergleicht ſie mit den früheren, ſo muß man in 
der That zugeben, daß A. durch ſcine Reformen mehr für Rußland 
gethan hat, als irgend einer ſeiner Vorgänger, indem er im Gegen: 
jat zu dieſen vornehmlich ſi<h die Hebung des Kulturzuſtandes der 
unteren Volksklaſſen dur Unterricht und verbeſſerte Lebensſtellung 
angelegen ſein ließ. Allein Rußland krankt an einigen {wer zu 
heilenden krebs8artigen Schäden, zu deren Beſeitigung längere Zeit- 
räume erforderlich find, als ein Menſchenalter. Vor Allem erſcheint 
Beſorgniß erregend die früher für unerſchütterlich glänzend gehaltene 
Finanzlage des Staates, deren trauriger Zuſtand jeht für Niemand 
mehr ein Geheimniß ift. Dieſes Uebel wird weſentli verſchlim- 
mert dur< die Unredlichkeit, Beſtechlichkeit und Gewiſſenloſigkeit 
der Beamten. Dazu geſellt ſi<h das Widerſtreben des altruſſiſchen 
Adels, der fich allen Neuerungen ftets abhold gezeigt hat, endlich eine 
gewiſſe, vorzüglich in der panſlaviſchen Partei (\. „Panſlavismus“) 
vorherrſchende Abneigung gegen die als Eindringlinge und Fremde 
angejehenen Nichtruffen, zu denen von jener Seite ſelbſt die herrſchende 
Dynaſtie, weil ſie aus dem Hauſe Oldenburg ſtammt, gerechnet wird. 
Man hat vielleiht Seitens der ruſſiſhen Negierung zu wenig be- 
achtet, daß ein Staat von folhem Umfange, von- ſolcher Ver: 
ſchiedenheit der Nationalitäten und von ſo ungleichen Bildungs- 
zuſtänden wie Nußland niht dur dieſelben Regenerationsmittel 
und den gleichen Mechanismus gehoben werden Tann, Die bei 
anderen, auf höherer Kulturſtufe ſtehenden Nationen fich wirkſam 
gezeigt haben. Weiterhin hat man wol, erfüllt von dem leb- 
haften Wunſche, ein raſcheres Fortſchreiten aller Theile des Staats 
ganzen zu ermöglichen, beim Volke ſelb größere Befähigung dazu 
vorausgeſeßt, als in Wirklichkeit vorhanden iſt. Liberale Einrich- 
tungen waren in raſcher Folge nach allen Richtungen hin eingeführt 
worden; e3 konnte nicht ausbleiben, daß ein bisher faſt in Skla- 
verei gehaltenes Volk, als man ihm urplößlich feine eiſernen 
Feſſeln abnahm, ſich in ſeiner neuen Lage nicht zurecht zu“ finden 
wußte, daß es, der erlangten Freiheit ungewohnt, weit über die 
gezogenen Grenzen hinausſtürmte. Hierzu kam noch die ſteigende, 
    
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
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