Full text: A (1. Band)

     
          
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Algerien 288 
  
  
In den Gebirgsmwäldern wachſen Cedern und eine Niejeneiche 
(Quercus Mirbecki), deren Stamm einen Umfang von mehr als 
5 Meter erreicht. Angebaut werden außer Getreidearten: der Del: 
baum, die Tärberröthe, die Baumwolle, der Tabak, die Ricinu3- 
ſtaude. Große Fortſchritte hat der Weinbau gemacht und von ſegens- 
reichen Folgen war die Anpflanzung der Dattelpalme (f. d.) in Erd- 
feſſeln oder Ritans. Auch die Anlage von artefiichen Brunnen tft in 
größerem Umfange erfolgt und dank derſelben wird ein wohlthätiges 
Berieſelungsſyſtem durchgeführt. Die Thierwelt verleugnet den 
echt nordafrifanifchen Charakter nicht. Löwen, Hyänen, Schafalz, 
Antilopen und Gazellen beleben die Landſchaften und Waldgebiete. 
Die Eingeborenen unterhalten in ungeheuren Herden Schafe, Zie- 
gen und Rinder, in der Sahara auch Kameele, weiterhin herrliche 
Pferde und nußbare Maulthiere. Der mineraliſche Reichthum des 
Landes, noch wenig erforſcht, liefert trobdem bedeutende Ausbeute 
an Schwefel, Kupfer, Eiſen, Blei und Marmor. Salz wird in gro: 
ßem Maßſtabe gewonnen und einzelne Mineralbäder (z. B. Ham- 
mam Meluane im Kleinen Atlas) werden von Eingeborenen und Eu- 
ropäern mit Erfolg benußt. 
Ginsheilung und Bevölkerung. Algerien zerfällt in die drei Provinzen 
Algier, Oran und Konjtantine, in welchen 1867 zufammen 486,000 
Givilperfonen (darunter 218,000 Europäer) wohnten. Dazu kom- 
men 2,500,000 nomadiſirende Eingeborene, ſo daß die Geſammtbe- 
völkerung des Landes ohne Militär 2,986,000 Seelen beträgt. Die 
eingeborene Bevölkerung beſteht aus Ureinwohnern, den Berbern 
(und Kabylen), welche in das Jnnere des Landes, in die Gebirge, zu- 
rüdgedrängt find; das Tell, die dem Anbau günſtigen Stre>en, haben 
die als Eroberer eingedrungenen Araber beſeßt und aus der Ver- 
miſchung beider ſind die Mauren hervorgegangen, welche die jchlech- 
ten Eigenſchaften ihrer Stammeltern zeigen und in den Städten die 
niedere Bevölkerung bilden. Türken, Juden, eingewanderte Neger 
und Europäer fünnen nur als Nebenbejtandtheile der Bevölkerung 
gelten. Die Araber, welche im 7. Jahrhundert in das Land kamen, 
haben ihre alten patriarchalifchen Sitten zu erhalten gewußt. Man 
trennt fie in die Beduinen oder wandernden Araber, welche noch 
heute mit ihren Herden nomadifirend umberziehen und zum der: 
bau fich nur {wer entſchließen, und die wenigen verachteten Dadars 
oder anſäſſigen Araber. Die Neigung zu ungebundenem Leben und 
Abenteuern erſcheint als Hauptcharakterzug dieſes Volkes. Von höch- 
ſtem Einfluſſe auf ſie ſind die Marabuts, der geiſtliche Adel, deren 
Predigten und Zuſprachen immer in ein williges Ohr dringen, daher 
ſich die Maſſe leiht zum Glaubenskrieg gegen die Ungläubigen auf- 
ſtacheln ließ, um als Gottesſtreiter durch Vergießen von Chriſtenblut 
fid) das Paradies zu erwerben. Die Araber wohnen in aus Kameel- 
haaren gewebten Zelten, deren mehrere ein Duar (Dorf) bilden, 
welchem der Familienälteſte, der Sche oder Scheik, vorſteht. Meh- 
rere Duars unter einem Schech bilden die Ferka (Abtheilung), meh- 
rere Ferkas den Stamm, die nationale Grumdeintheilung, welcher 
vox dem Namen der urſprünglichen Familie gewöhnlich das Wort Beni 
oder Uled (Sohn, Kinder) führt. Den Typus der Araber Algeriens 
vergegenwärtigen uns die junge Frau aus Metlili und der Beduine 
aus Wargla (Nr. 245). Die Kabylen, wol die Nachkommen der 
alten Numidier (\. d.), find, wie ihre Sprache beweiſt, Berbern. 
Am Aureesgebirge hat man merkwürdiger Weiſe blonde, blauäugige 
Kabylen gefunden, die man für Nachkommen der deutſchen Vandalen 
(f. d.) erklären wollte. Die Kabylen ſind ein Bergvolk, das ſi<h am 
meiſten in der Großen Kabylie am felſigen Dſcherdſcheragebirge er- 
halten hat; ſie haben am längſten den Franzoſen widerſtanden und 
wurden erſt 1857 dur< Marſchall Randon unterjoht. Die Kabylen 
ſind ſeßhaft: ſie bewohnen ſteinerne Häuſer und pflegen den Garten- 
und A>erbau. Mit Rückſicht auf die Vertheidigung ſind ihre Häuſer 
feſtungsartig auf die Spiben der Berge gebaut, zu denen oft nur 
dur< unwegſame Schluchten ein Zugang ſich eröffnet. Tapfer und 
ausdauernd, ſchlagen fie fih im Kriege bis auf den lebten Mann, 
  
  
ſelbſt die Frauen folgen den Männern nicht ſelten in Kampf und 
Tod. Die Frau nimmt bei ihnen überhaupt eine weit würdigere 
Stellung ein, als bei den Arabern, fie erjcheint unverfchleiert und 
ißt mit dem Manne zuſammen. Gegen Fremde erweiſt der Kabyle 
fi) überaus gaftfrei, ja eine Mißhandlung des Gaſtfreundes zog 
ehemals Steinigung als Todesſtrafe nah ſi<h. Die politiſche Ver- 
faſſung iſt eine andere als bei den Arabern, mit denen die Kabylen 
nur den fanatifchen Muhamedanismus gemeinfam haben; ſie iſt de- 
mofratiih. Die Dacdera (das Dorf) wird von den ſtreitbaren 
Männern gebildet, welche gleichberechtigt im Nathe ihre Stimme ab: 
geben. Vorſteher des Stammes (Arch) iſt der Amin, der Führer 
im Kriege und Frieden. Mehrere Stämme, welche ein Schuß - und 
Trußbündniß ſchließen, heißen eine Kebila. — Das Miſchvolk der 
Mauren nimmt an Zahl allmählig ab. Sie ſißen in den Küſten- 
ſtädten, treiben Handel und haben ſich am meiſten, wenigſtens äußer- 
lih, dem franzöſiſchen Weſen anbequemt. — Die Türken waren 
als Seeräuber in das Land gekommen und hinterließen, wo ſie er- 
ihienen, einen unvortheilhaften Ruf. Im Jahre 1830 verbannten 
die Franzoſen alle unverheiratheten Türken, daher deren Zahl jebt 
jehr zufammengejchrumpft ift. Eine Mifchraffe au Mauren und 
Türken bezeichnet man als Kuluglis. — Die Neger find Nadı: 
fommen ehemaliger Sklaven aus dem Süden und die Juden, 
\{<muzige, geldgierige Schacherer, ſpielen als Dolmetſcher ſowie als 
Verbindungsglied zwiſchen Franzoſen und Eingeborenen eine wich: 
tige Rolle. Sie find den erfteren rechtlich gleich geſtellt und daher 
warme Anhänger der franzöſiſchen Regierung. Araber und Kabylen 
dagegen vermögen fich mit den europäiſchen Machthabern nicht zu 
beſreunden und betrachten ſelbſt die wirklihen Segnungen, welche 
ihnen durch dieſelben zu Theil geworden, z. B. die arteſiſhen Brun- 
nen in der Wüſte, mit Mißtrauen. Sie ſind fortwährend zum Auf- 
ſtande bereit und warten nur auf Gelegenheit, um ihrem Haſſe in 
einem neuen Glaubenskriege wieder Ausdru> zu geben. Jn dem 
Worte Dſchihad (Glaubenskampf) gipfelt der Muhamedanismus in 
Algerien, und die religiöſen Brüderſchaſten , wie die Marabutz, ar: 
beiten unausgeſeßt daran, daß der Fanatismus nicht ausſterbe. 
Handel und Induſtrie. Während A>erbau und Viehzucht die Haupt- 
beſchäftigung der theils nomadiſchen, theils ſeßhaſten Bevölkerung 
ausmachen, treten Handel und Gewerbe dagegen in den Hintergrund. 
Allerdings verfertigen die Mauren in den Städten Burnuſſe, Tep- 
piche, feine Lederwaaren, Sandalen, goldgeſti>te Stoffe, Filigran- 
arbeiten, Sättel, grobe Wollitoffe, doc ſind dieſe Jnduſtriegewerbe 
von größerem Belange nicht, ebenſo wie die von den Kabylen betrie- 
bene Eiſeninduſtrie, während die Araber ſich) damit begnügen , das- 
jenige, was für ihren häuslichen Gebrauch nöthig iſt, herzuſtellen. 
Wo von Handel die Rede ſein kann, da wird ex mit Frankreich oder 
nach dem Jnnern Afrika's betrieben. Der leßtere iſt reiner Kara- 
wanenhandel, namentli<h mit den Tuaregs ſowie mit den Völkern 
im Sudan. Der größere Theil der Ausfuhren geht nah Frankreich, 
und zwar beträgt der Geſammtwerth des Exportes , vorzugsweiſe in 
Wolle, Hornvieh, Getreide, Wein beftehend, 40 bis 50 Millionen 
Franken, dem gegenüber eine gleich große Einfuhr europäiſcher Ins 
duſtrieprodukte ſteht. Der Haupthafen iſt die Stadt Algier, wo all: 
jährlich zur Zeit der Wettrennen aud) eine große Mefje abgehalten 
wird. Den Schiffsverkehr unterhalten 2500 Schiffe mit einem Ge- 
halt von 187,500 Tonnen (1867). Dampferverbindungen mit Mar- 
ſeille finden regelmäßig ſtatt; die Länge der Telegraphenlinien be- 
trug 1867 fchon 3752 Kilometer, dagegen führte nur eine blog 8 
Kilometer lange Eiſenbahn von der Hauptſtadt nah Blid, die 
einzige Eiſenbahn, welche bis dahin in einer franzöſiſchen Kolonie 
beſteht; ein harakteriftifches Zeichen für die franzöſiſche Verwaltung! 
Die Küſtenſtädte ſind zugleich mehr oder weniger bedeutende Handels- 
pläße. Die wichtigſten ſind die Hauptſtadt Algier (\. d.), Oran 
(34,000 Einw.), Moſtaganem (11,000 E.), Tenes (2000 E.), 
Scherſchel (3500 Einw.), Budſchaja (3000 Einw.), Philippsville 
  
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