Full text: A (1. Band)

   
   
  
    
   
  
   
   
   
   
   
   
    
   
     
    
   
   
   
   
   
    
   
   
   
    
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
  
   
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
291 Algerten 
Algerien 292 
  
(11,500 €.) und Bona (18,000 E.). Bon den Städten des Tell, 
der fruchtbaren nördlichen Zone, find zu erwähnen: Yumale (3000 
E. ), Blida (10,000 E.), Bufarik (6000 E.), Miliana (6200 E.), 
Muſtapha (6200 E.), Maskara (9500 E.), Tlemſen (19,000 E.), 
Conſtantine (\. d.), Guelma (4500 E.), das al3 Station für poli- 
tiſche „Verbrecher“ berüchtigt gewordene Lambeſſa (1600 E.), 
Bisfkra (1800E.). Unter den Oaſen, ſüdli<h vom Großen Atlas, 
führen wir auf Laghuat (600 E.), Beni Jsgen (7000E.), El Kan- 
tara (1700 E.), Ghardaja (14,000 E.), in welcher auch die Oaſen- 
ſtadt Metlili (Nr. 246) liegt; Tuggurt (5000 E.) und vor Allem 
Wargla (15,000 E.), die „Sultanin der Oaſen“, welche erſt 1852 
von den Franzoſen bezwungen wurde und nun den ſüdlichſten Stüß- 
punkt ihrer Macht bildet. 
Algerien aſs Kolonie. Die Franzoſen find kein Kolonialvolk, daher 
franken ihre überſeeiſchen Beſißungen mit wenigen Ausnahmen, ja 
manche befinden fich in offenbarem Rückgang. Algerien , das ſeit 
1830 im Beſiße Frankreichs iſt und von Marſeille aus in wenigen 
Tagen erreicht werden kann, erſcheint heute als Laſt und Plage für 
das Mutterland, welches ein „afrikaniſches Frankreich“ errichten und 
franzöſiſche Zuſtände ohne Rückſicht auf Menſchen, Boden und Klima 
auf Algerien übertragen wollte. Sind einzelne mauriſ che Stämme auch 
ſranzöſirt worden, beſuchen ſie auch die franzöſiſh-arabiſchen Schulen, 
jo. verhält fich Doch der größere Theil der Araber und Kabylen ab- 
Ichnend gegenüber einer Verwaltung, die ſie durhaus franzöſiſch 
reglementirt. Jede der drei Provinzen des Landes zerfällt in ein 
„Civilterritoriuum“ und in ein „Militärterritorium“, in welch leßterem 
ein General über die Eingeborenen gebietet, der durch die „arabi- 
ſchen Militärbureaus“ einen fortdauernden Belagerungszuſtand 
über das Land verhängt. Der Diviſions-Kommandant iſt faſt unbe- 
Ihränkter Herr über Leben und Tod und hat das Recht, die Häupt- 
linge der Stämme einzuſeßen. Erwähnenswerth iſt no<, daß bei 
Streitigkeiten zwiſchen Europäern und Eingeborenen das franzö- 
ſiſche Geſeß maßgebend iſ, welchem fich lebtere jedo<ß nur ungern 
unterwerfen, da ihnen als Rehtsbuch der Koran gilt. Mit Wider- 
ivillen dulden die Eingeborenen dieſes Joch, und der religiöſe Fana- 
tismus trägt weiterhin dazu bei, daß die Franken ihnen nur als 
Unterdrü>er erſcheinen, welche dem Araber ſeine Ungebundenheit, 
dem Kabylen die Freiheit der Berge mißgönnen. Frankreich ſelbſt 
hat nur wenige Auswanderer, einen geringen Ueberſhuß ſeiner 
heimiſchen Bevölkerung zur Kolonifirung nad Algerien ſchi>en 
können, und ebenſo tft auch die Zahl der fremden Koloniſten eine 
überaus mäßige geblieben. Unter den jeßhaften Einwohnern be- 
finden ſih nur 218,000 Europäer, darunter 122,000 Franzoſen. 
Es fehlt daher zur Beſtellung des Bodens an Arbeitern, und ſo 
bleibt das Land, welches ungefähr ſo groß wie der ehemalige 
Deutſche Bund iſt, größtentheils unbenubßt, zumal die Eingeborenen 
nux ungern für die Ungläubigen arbeiten. Jufolge der klimatiſchen 
Verhältniſſe vermögen nur Süditaliener und Spanier gut auszu- 
dauern, während Deutſche und Schweizer maſſenhaft zu Grunde ge- 
gangen ſind. Wo dagegen mit mechaniſchen Mitteln oder mit Hülfe 
der Wiſſenſchaft etwas geleiſtet werden konnte, da- haben die Fran- 
zoſen große Fortſchritte erzielt. Dur ein allgemeines Austro>- 
nungsſyſtem wurde ungeſundes Marſchland in geſunden Boden ver- 
wandelt, und die bösartigen Fieber wichen dieſer Verbeſſerung. Die 
Sterblichkeit, welche von 1831 bis 1846 auf 1000 Mann der Truppen 
80 bis 140 jährlich betrug, verminderte fich bedeutend, und 1863 ſtar- 
ben von tauſend Mann nur zwölf. Auch durch die Anlage arteſiſcher 
Brunnen (ſ. d.) haben die Franzoſen dem Lande eine große Wohl- 
that erwieſen; überall, wo ein ſolcher in der Wüſte angelegt wurde, 
keimt ringsum das Gras auf, da erfolgt Anbau, denn Menſchen 
ziehen fich dahin. Trob alledem bleibt Algerien für Frankreich eine 
Laſt. Nach ſo langem Beſike vermag das Land noch nicht ſi felbft- 
ſtändig zuentwideln, es bedarf vielmehr fortdauernd der Unterſtützung 
durch das Mutterland, wovon ſi< Napoleon ILL. bei feinem Befuche 
  
  
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daſelbſt 1865 überzeugte. Wenn nun auch die Einnahmen (19 Mill. 
Franken) die Ausgaben (15 Mill. Fr.) überragen , ſo kranken troß 
alledem die Finanzen dennoch, da die 40,000 Mann ſtarke Armee auf 
Koſten des Mutterlandes unterhalten werden muß, welches auh zur 
Steuerung öfters wiederkehrender Hungersnoth in dem reich geſegne- 
ten Lande no< fortwährend baare Geldzuſchüſſe zu leiſten hat. 
So bleibt in der That nur der Zuwachs an politiſcher Bedeutung 
übrig, den Frankreich durch den Beſiß Algeriens erlangte , ſowie die 
Ausdehnung der franzöſiſhen Macht auf die Tuaregſtämme der 
Sahara, deren Karawanenzüge nach Algier abgelenkt werden. 
Geſchichte. Jun den älteſten Zeiten wohnten die Numidier in Al- 
gerien, die im 2. Jahrhundert vor Chriſtus von den Römern unter- 
joht wurden. Auf Roms Geheiß entſtanden zahlreiche Städte in 
dem Lande, und Handel wie A>erbau ward mächtig gefördert. Aber 
dieſer blühende Zuſtand ging zu Grunde, als die germaniſchen Van- 
dalen 430 in das heutige Algerien verwüſtend eindrangen; was ſie 
verſchonten, vernichteten im 7. Jahrhundert die Araber, die ſeitdem 
das herrſchende Volk wurden. Jmmerhin kehrte mit ihnen eine Art 
Civiliſation zurü>; ihr Fürſt Zeiri gründete 935 an der Stelle eines 
römiſchen Kaſtells die Stadt Al-Dſcheſſair (die Jnſelſtadt), das heu- 
tige Algier. Seiner Dynaſtie verblieb die Herrſchaft bis 1148, von 
da bis zum Jahre 1269 herrſchten die Almohaden, dann zerfiel das 
Reich in kleine Staaten, die ſ{ließli< von dem mächtigen König- 
reiche Tlemſen, im öſtlichen Algier gelegen, unterjo<ht wurden. 
Schon unter den Vandalen ward von Algier aus Seeraub betrieben, 
doch gelangte dieſes viele Jahrhunderte hindurch für durchaus ehr- 
jam gehaltene Gewerbe erft im 16. Jahrhundert zu voller Blüte, 
als die aus Spanien vertriebenen Araber in Algerien fi) anfiedel- 
ten und 1516 der berühmte Korfarenfürft Horuf Barbaroffa die 
Macht an ſi riß. Die Spanier zogen allerdings zu verſchiedenen 
Zeiten gegen die Seeräuber aus, die von jet ab bis in die erſten 
Jahrzehnte unſeres Jahrhunderts der Schre>ken der europäiſchen 
Meere wurden. Chriſtenſklaven füllten die Kerker Algiers und die 
reichen, für fie gezahlten Löfegelder die Sädfel der übermüthigen 
Piraten. Nach Horuk'3 Tode, welcher von den Spaniern gefangen 
und geköpft wurde, gerieth Algerien unter türkiſche Herrſchaft; es 
wurde ein Paſchalik, deſſen Name immer gefürchteter in den Ohren 
der Chriſten erklang. Damals und noch lange Zeit hernach waren 
die Nollen zwiſchen den Europäern und den Barbaresken Nord- 
afrika’s vertauſcht, die lebteren waren die mächtigeren. Selbſt Kaiſer 
Karl V. kehrte 1541 von einem Kreuzzuge, den er gegen die See- 
räuber unter großer Machtentfaltung unternommen, entmuthigt 
heim, und zwanzig Jahre ſpäter erging es den Spaniern nicht beſſer : 
fie verloren ihre wenigen Befikungen an der Küſte von Algier und 
wurden in einer Schlacht bei Moſtaganem völlig beſiegt, wobei ihr 
ganzes Heer vernichtet ward oder in Gefangenſchaft gerieth. Auch 
die Franzoſen bekämpſten zur Zeit Ludwig's XIV. wiederholt die 
Seeräuber; wol bombardirten ihre Flotten zu drei verſchiedenen 
Malen, 1682, 1683 und 1687 die Hauptſtadt Algier, welche durch 
ſie gänzlich in Aſche gelegt wurde, aber die Schlange des Seeraubes 
erhob immer wieder ihr Haupt, die zerſtörte Stadt wurde wieder auf- 
gebaut und die Galeeren der Piraten durchfurchten nach wie vor die 
europäiſchen Meere. Auch England verſuchte es, das Uebel auszu- 
rotten; eine britiſche Flotte beſhoß 1655 Algier; das Bombarde- 
ment wurde im Verein mit den Holländern 1669 und 1670 wieder- 
holt; die Spanier führten den Krieg zu Lande fort und eroberten 
das ihnen entriſſene Oran 1732 zurü>, mußten es aber 1791 wie- 
der verlaſſen. Nach unendlichen Opfern an Menſchen und Geld, 
nach den außerordentli<ſten Anſtrengungen Seitens aller bedeuten- 
den Seemächte Europa's ſtand zu Ende des vorigen Jahrhunderts 
der Seeräuberftaat noch ungebrochen da. Im Innern hatfe' unter: 
deſſen eine gewaltige Umwälzung ſtattgefunden. Neben dem vom 
türkiſchen Sultan eingeſeßten Paſcha hatten die Janitſcharen-Milizen 
einen aus ihrer Mitte erwählten Dei als Mitregierenden eingeſeßt, 
  
   
    
  
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