Full text: A (1. Band)

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365 Alpen 4 
gelöſt iſt, die goldig im Strahle der Sonne ſchimmern, oder große, mächtige 
Waſſerſäulen , die ſich in das tief gewählte Keſſelbett ſtürzen und brauſend dann 
ihren Weg weiter fortſeßen. Einige der berühmteſten, oft aufgeſuchten Waſſerfälle 
in den Schweizer Alpen mögen hier no< ihre Erwähnung finden. Jm Ober- 
Engadin iſt es der Jnnfall am St. Morizſee, der alle Reiſenden entzü>t; am 
Brienzer See im Berner Oberland ſtürzt aus der fühlichen Seewand heraus von 
den Höhen des Schwarzhorn und des Wildgeift, vierzehnfach gebrochen, über 
Felſenterraſſen zwiſchen Tannengehölz hindurch der Gießbach, ein Waſſerfall von 
europäiſchem Rufe. Jm unteren Wallis ſtürzt über treppenförmig ausgebrochene 
\hwarze Felſenwände die Sallenche in zerſchellend aufſprizenden Säten herab, 
die prächtige Kaskade de Piſſevache bildend. Alle dieſe übertrifft aber der Staub- 
bah im Lauterbrunnerthal des Berner Oberlandes, von dem der Dichter Stöber 
ſagt: „Die Winde hätten der lichtverklärten Jungfrau ihren Schleier geraubt 
und an dieſer Felſenza>e aufgehangen, blendend weiß und mächtig groß, wie aus 
reinſtem Silberſtoff gewoben, am unteren Saum mit Diamanten ohne Zahl 
überſäet, wehe er herab.“ Alle Waſſerfälle gelangen, indem ſie ſhäumend ihren 
Lauf fortſeßen, zu einem der Seen, welche nord - und ſüdwärts die Alpen um- 
gürten. Im Norden, wo diefe Seen fic) über eine Strede von 70 Meilen aus- 
dehnen, ſind der Genfer, Thuner, Vierwaldſtädter, Zuger, Züricher, Bodenz, 
Ammer-, Wurm-, Chiem-, Kochel- (Nx. 291), Mond-, Atter- und Traunſee 
die bedeutendſten. Jm Süden dagegen findet man ſie nur über ein Gebiet von 
20 Meilen verbreitet; der Lago maggiore, den man vom Kloſter Madonna del 
Saſſo bei Locarno herrlich überſhaut (Nr. 284), Lugano-, Comer-, Jſeo- und 
Gardaſee bilden hier den herrlichſten Shmu> der Alpennatur, ausgezeichnet 
durch die landſchaftlihe Abwechslung ihrer Umgebungen , dur prachtvolle Fär- 
bung des Waſſers, die vom tiefdunklen Grün bis zum dunklen Blau durch alle 
Abſtufungen ſpielt. An den Seen, die mit ihren lieblichen Ufern, mit dem ge- 
ſunden, milden Klima, das an ihnen herrſcht, vorzugsweiſe den Menſchen zum 
Aufenthalte einladen, breiten fi die anſehnlichſten Städte der Alpen aus — 
aber von allen dieſen Waſſerbe>en droht ihnen Gefahr. Durch die ſtete An- 
ſ{hwemmung von Geröll, welches die Flüſſe den Seen zuführen, gehen leßbtere 
einer allmähligen, aber ſiheren Ausfüllung entgegen. 
Yan der Alpen. (Vgl. Nr. 280.) Es ſind nicht die Reize der Alpen , die allein 
unſer Intereſſe erregen, es iſt au< ihr merkwürdiger innerer Bau, der unſere 
Aufmerkſamkeit verdient, der die äußeren Schönheiten bedingen hilft. Die 
Alpenkette bildet in ihrer gefammten Ausdehnung ein zufammengehöriges, für 
ſich abgeſchloſſenes-Gebiet, deſſen Glieder nicht zufällig durch einander gewürfelt, 
ſondern die in einem innigen, harmoniſchen Verhältniſſe ſtehen, und die ſowol 
von einander als von dem Ganzen abhängig ſind. Dies läßt ſich am beſten aus 
einem Querſchnitte der ganzen Alpenkette erkennen, an einer Stelle, wo der Bau 
gerade ein ſehr einfacher und ſymmetriſcher iſt, nämlich zwiſchen Roſenheim, 
Kufſtein und Tolmezzo (Nr. 277). Wir finden dort eine centrale Hauptkette, 
beſtehend aus kryſtalliniſchen Schiefern: Gneiß, Glimmerſchiefer, Talk- und 
Chloritſchiefer, mit Einlagerungen von körnigem Kalkſtein und Serpentin, hier 
und da durcſeßt von Granit. Zu beiden Seiten dieſer Hauptkette ſind breite und 
tiefe Längenthäler jener parallel eingeſchnitten und aufgeſpalten, welche vorzugs- 
weiſe den leichter zerſtörbaren Steinen der Grauwate folgen. Ueber den Grau- 
wad>en lagert der rothe oder bunte Sandſtein, dann aber erheben fi als eine 
mächtige Blatte zu beiden Seiten die oft dolomitifhen Kalkalpen. Dieſe 1300 
bis 2000 Meter mächtige, ſtark zerriſſene Felsplatte enthält außer Kalk und 
Dolomit no Gyps und Steinſ alz. Man benennt ſie geologiſch als Alpenkalk- 
ſtein; ſie iſt wahrſcheinlih ein Gemiſch von ſe<s bis ſieben Formationen, die 
im übrigen Deutſchland getrennt von einander vorkommen, nämli<h: Muſchelkalk, 
Keuper, Lias, Jura, Neokoin, Quader und Kreide. Dieſe Miſchbildung dehnt ſich 
auf beiden Seiten ſymmetriſch aus, doc in geſtörter Lagerung mit gebrochenen, 
gebogenen und vielfach in einander geſhobenen Schichten. Neben dieſer Alpen- 
kalkzone treten dann am äußern Rande auf beiden Seiten gewöhnlich ſogenannte 
tertiäre Ablagerungen auf, aber feineswegs immer den Alpenfalk überlagernd. 
Vorherrſchend in dieſen tertiären oder Molaffebildungen der Alpen find: Mo: 
Iaffefandftein, Nummulitengeftein, Nagelftuhe und kalkige, thonige Schichten 
mit Kohleneinlagerungen. Hier haben wir nur einen ganz einfachen Querſchnitt 
der Alpenkette kennen gelernt, die an anderen Stellen fich weit verwi>elter dar- 
ſtellt, denn an den meiſten Orten haben außerordentliche Schichtenſtörungen 
ſtattgefunden, ſo namentlich in den Shweizeralpen, wo oft alle Formationen bunt 
Alpen 366 
  
Nr. 288. Rheinfall im Rofflagrunde. 
durcheinander geknetet wurden. Die Natur der Geſteine in 
den geſchichteten Formationen der Alpen iſt zum großen 
Theil eine ganz beſondere, von dem übrigen Deutſchland 
  
  
Nr, 289, Die Ortlesſpigze. 
abweichende, und dieſes iſt auch der Grund geweſen, daß 
man die Alpen längere Zeit für älter gehalten hat, als 
ſie wirklich ſind. Dazu trug namentlich der Umſtand bei, 
    
  
Nr, 290, Die dritte Galerie des Wormſer Iochs im Vallone de la Neve vor dem 3,1848. 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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