Full text: A (1. Band)

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bei der Franz. Kirche zu Berlin ein, übernahm aber" bereits zwei 
Jahre ſpäter als Profeſſor der Geſchichte zugleih ein Lehramt an 
dex Militärakademie, während ihn der König infolge ſeines vier- 
bändigen Werkes „Tableau des révolutions du système politique 
de l’Europe depuis le XV’® siele‘“‘, Berlin 1803—1805, zum 
königl. Hiſtoriographen und die Akademie der Wiſſenſchaften ihn zum 
Mitgliede erfor. Jm Jahre 1808 berief ihn der König zum Erzieher 
des Kronprinzen, des nahmaligen Königs Friedrih Wilhelm'TV. ; 
die Akademie übertrug ihm ſpäter das Sekretariat der philoſophi- 
{hen Klaſſe. Achtzehn Jahre lang hatte er erfolgreich als Lehrer 
an der Militärakademie gewirkt, zwanzig Jahre lang ſein Prediger- 
amt verwaltet und das Vertrauen aller Derer genoſſen, die während 
der <hweren Prüfungsjahre , welche über Preußen gekommen, noch 
zu hofſen wagten. Nachdem er der königl. Familie näher getreten, 
mußte er die bis dahin innegehabten Aemter aufgeben und im 
Jahre 1809 von ſeiner Gemeinde Abſchied nehmen. Seine Ab- 
ſchiedsrede war zugleih eine Trauerrede auf den Tod der Königin 
Luiſe, und gedru>t machte ſie Durch ihre Beziehungen ſol< ein Auf- 
ſehen, daß die franz. Gewaltherren ſie ihrer Bedeutung wegen dur 
ein Verbot ehrten. Während der Befreiungskriege folgte A. ſeinem 
hohen Zöglinge auf die Schlachtfelder, wo der König und die Prinzen 
ſeines Hauſes Zeugen des Opfermuthes des preußiſchen Volkes wur- 
den. Nach der Mündigkeitserklärung des Kronprinzen im Jahre 
1813 legte A. ſeine Stelle als Erzieher nieder und betrat im fol- 
genden Jahre die politiihe Laufbahn. Durch den Staatzkanzler 
von Hardenberg zum Legationsrath im Departement des Auswär: 
tigen befördert, durchlief er hinter einander alle Rangſtufen bis zum 
wirklichen Geheimen Staatsminiſter, wozu er nah Bernſtorff's Rüt- 
tritt von der Leitung der auswärtigen Politik (1832) ernannt 
wurde. Jn dieſer Eigenſchaft übernahm er die Leitung der auswär- 
tigen Angelegenheiten des preußiſchen Staates , zu einer überaus 
bewegten Zeit, als es galt, Shwierigkeiten aller Art zu überwinden. 
Die zweite franzöſiſhe Revolution bedrohte den während der Yetten 
fünfzehn Jahre mühſam wieder aufgerichteten europäiſchen Staaten- 
hau mit neuen Gefahren. Ganz Europa gerieth in Bewegung, und 
mit dem Frieden ſchien's zu Ende gehen zu ſollen. Jm Jn- und 
Auslande machte fich weithin die Unzufriedenheit mit dem Beſtehen- 
den geltend, und es bedurfte zur Beſänftigung des Volksunmuthes 
mehr als gewöhnlicher Talente und Thatkraft, um die Anarchie fern 
zu halten, den drängenden Parteien zu widerſtehen, weitgehende 
Wünſche und Forderungen zu zügeln und einen europäiſchen Krieg zu 
verhüten. Mit ſicherer Hand geleitete A., der Hardenberg's praktiſcher 
Schule Ehre machte, das Staats\chiff, indem er, vermöge der ihm 
angeborenen humanen Geſinnung, das Schroffe der Gegenſätze zu 
vermitteln, dur< Begünſtigung von Reformen im Jnlande dem 
Peberhandnehmen der Unzufriedenheit Einhalt zu gebieten ſuchte. 
In den Beziehungen nad) außen zeigte er fich vielfach Rußland will: 
fährig und unterftüßte gern, wiewol höchft vorſichtig , die gegen das 
konſtitutionelle Syſtem gerichteten Beſtrebungen. Erhaltung des 
Friedens und ängſtlihe Ueberwachung aller freiheitlichen Volks- 
bewegungen blieben auch die Zielpunkte der preußiſchen Regierungs- 
kunſt während jener trüben Reaktionsperiode. Als oberſte Staats- 
weisheit galt der Grundfat des Königs: „Alles für das Volk, nichts 
duch) das Volk “, wozu fich aus Ueberzeugung au< A. bekannte. 
Demgemäß vertheidigte er in ſeinen literariſchen Werken mit großem 
Scharfſinn das „geſchichtliche Recht“ und hielt feſt daran, daß Refor- 
men nur infolge freiwilliger Entſchließungen von Seiten eines Mo- 
narchen eintreten dürften, daß dem Volke ſelbſt die Anregung hierzu 
niht zuſtehe. Die unbeſchränkte Monarchie erſchien ihm daher als 
vorzüglichſte Staatsform, wie aus ſeinen Werken „Die Staatswiſſen- 
ſhaft“ (1820), „Nouveaux essais de politique et de philosophie“ 
(1824), „Ueber den Geiſt der Staatsverfaſſungen“ (1825) hervor- 
geht. A.'3 Abneigung gegen die konſtitutionelle Regierungsform hat 
die vielen Mißgriffe mit verſchuldet, die im Verlaufe der nächſten 
Jahrzehnte auch im Leben des preußiſchen Staates die empfindlichſten 
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An>arſtröm — An>arſward 598 
Rückwirkungen äußerten. Jn perſönlicher Beziehung ſtand der Mi- 
niſter bei Allen, die ihn näher kannten, wegen ſeiner Zuverläſſigkeit, 
ſeiner redlihen Geſinnung und ſeines tiefen Wiſſens in hoher Ach- 
tung. Er ſtarb, wiewol mehrmals verheirathet, ohne Nachkommen, 
als der Lette ſeines Stammes, am 19. April 1837 zu Berlin. 
Anckaxſtröm, Johann Jakob von, der Mörder des Königs 
Guſtav TIT. von Shweden. Am 11. Mai 1762 geboren, trat A. 
frühzeitig in den Kriegsdienſt und verlebte ſeine Jugend als Fähndrich 
am königlichen Hofe. Das Streben Guſtav's, ſih von den einſhrän- 
kenden Feſſeln des bevorrehteten Adels frei zu machen, erregte viel- 
fahe Erbitterung unter den Altadeligen und den leidenſchaftlichſten 
Haß des ariſtokratiſchen A. gegen den König. Vol Unmuth gegen 
Guſtav TIT. trat A. 1783 aus dem Kriegsdienſte und unterſtütte, 
wenn au< nur indirekt, den Aufſtand der gothländiſhen Bauern 
während des Krieges gegen Rußland im Jahre 1789. Deshalb des 
Landesverrathes angeklagt, wurde er vom König begnadigt ; A. ver- 
langte jedo<h trobig ſtrenge Unterſuchung und verließ, da ihm dieſe 
verweigert wurde, aufs Aeußerſte erbittert die Hauptſtadt. Erfüllt 
von blutigen Racheplänen, verband er ſi<h im Jahre 1790 mit den 
Grafen Ribbing und Horn und anderen unzufriedenen Edelleuten 
zum Sturz des Königshauſes und zur Beſeitigung des Königs. 
Durch Entſcheidung des Looſes fiel ihm die Aufgabe zu, den Monar- 
hen zu ermorden. Der König, dur einen Ungenannten vergeblich 
gewarnt, begab fich am 16. März 1792 auf eine Maskerade. Hier 
war es, wo den Argloſen die Kugel des Mörders traf. Erkannt und 
verhaftet, weigerte ſih A., ſeine Mitſchuldigen namhaft zu machen, 
und wurde zum Tode verurtheilt. Mit der ſtandhafteſten Ruhe ſah 
er, troy herber, ihm auferlegter Peinigungen, der Hinrichtung ent- 
gegen, welche am 27. April erfolgte. Ribbing und Horn, in denen 
man mit Net Mitſchuldige erkannte, wurden des Landes verwieſen. 
Anckaxſwürd, Karl Henrik, Graf, Führer der Oppoſition in 
dem ſhwediſchen Reichstage, geb. am 22. April 1782, war ein Sohn 
des Generals und Reichsmarſchalls Grafen von A., der in den \hwe- 
diſchen Kriegen gegen Rußland von 1788—1792 ſi< rühmli<ſt 
hervorgethan, vom Sergeanten zum General und Reichsmarſchall 
ſih emporgeſhwungen hatte und infolge deſſen in den Grafenſtand 
erhoben worden war. — Karl Henrik A. trat frühzeitig in den Kriegs- 
dienſt, wandte ſih aber bald der Politik zu, die damals, in der Zeit 
der revolutionären Wirren gegen König Guſtav TV, eine beſonders 
{nelle Laufbahn in Ausſicht ſtellte. Ein treuer Gehülfe des Grafen 
Adlerſparre (. d. ), ward er nah der Revolution , welche dem Hauſe 
Waſa die ſhwediſhe Krone raubte, zum Oberſten befördert und be- 
gleitete als ſolher 1813 den damaligen Kronprinzen von Schweden 
und ehemaligen General Bernadotte, in dem Kriege gegen Frankreich, 
na< Deutſchland. Da er jedo< in dem Beiſtande, den Shweden 
Rußland gegen Napoleon leiſtete, einen großen politiſchen Fehler 
erkannte und dieſes in einem Schreiben an den Kronprinzen aus- 
ſprach, indem er denſelben zur Parteinahme für Frankreich auffor- 
derte, ſah er ſi ſofort entlaſſen. Voll bittern Grolls zog er ſi< nun- 
mehr auf ſein Gut Carlslund zurück, wo er bis 1817 verweilte. 
Der Zurückgezogenheit müde, trat er nah mehreren Jahren wieder 
ins öffentliche Leben und begann, unterſtüßt dur< gewinnende Per- 
ſönlichkeit und beſtehende Beredſamkeit, ſeine Laufbahn als Haupt der 
Oppoſition im ſ{hwediſhen Reichstage. Seine Leidenſchaftlichkeit riß 
ihn häufig zu eben ſo heftigem als unbegründetem Tadel aller Re- 
gierungsmaßregeln hin, und in ſeinem ſ{le{<t verhehlten Haſſe trat 
er oft in einer ſo ſhroſſen Weiſe gegen die Regierung auf, daß feine 
eigenen Anhänger ſi< deshalb von ihm zurü>zogen. Durch ſeine 
unausführbaren Vorſchläge zur Abänderung der Verfaſſung, durch 
Heftigkeit und Starrſinn verdarb er es \<ließli< mit allen Parteien, 
und ſo ſtand er 1844 bei Königs Karl Johann XIV. Tode verlaſſen da. 
Noch im hohen Alter 1860 trat ex mit unverminderter Heſtigkeit 
gegen die zwiſchen Schweden und Norwegen herrſchende politiſche Ver- 
bindung und 1863 gegen eine Adreſſe der Reichsſtände an den König 
zu Gunſten der Polen auf. Er ſtarb am 25. Januar 1865. 
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