Full text: A (1. Band)

      
  
  
  
749 “Antwerpen 
Die Feſtungswerke ſind ſehr bedeutend, namentlich die hiſtoriſch be- 
rühmt gewordene, im Fünfe> unter Kaiſer Karl V. von einem deutſchen 
Meiſter 1540 erbaute Citadelle, ſowie verſchiedene detachirte Forts zu 
heiden Seiten der Schelde, von denen 1869 die Südcitadelle auf den 
Abbruch verkauft wurde, um dort einen neuen Stadttheil anzulegen. 
Antwerpens Bedeutung wurzelt in ſeiner überſeeiſchen Handelsthätig- 
feit u. im feinen Fabriken. Hier wird Zuckerraffinerie, Diamanten- 
ſhleiferei, Baumwollenſpinnerei, Spibenfahbrikation, Seidenweberei, 
Tapetenmanuſaktur, Erzeugung von Chemikalien u. Farbwaaren 
betrieben. Es iſt ein Knotenpunkt verſchiedener Eiſenbahnen, Mün- 
dungsort des Campinékanals u. hat regelm. Dampferverbindung 
mit Frankreich, England, Holland u. Hamburg. — A. wird ſhon im 
8. Jahrh. erwähntz es exlangte Bedeutung, als zur Zeit der braban- 
tischen Herzöge die normännischen Piraten hier ihre Beute verkauften ; 
die Heringsfiſcherei legte im 11. Jahrh. den Grund zur ſpäteren 
“Blüte der Stadt, im 14. u. 15. Jahrh. Seit Auffindung des See: 
weges nah Oſtindien zog fi nämlich von Brügge dorthin der Haupt: 
markt für die indiſhen Waaren, die hier gegen europäiſche Produkte 
ausgetauſht wurden. Dorthin, wo einmal der Handel feſten Fuß 
gefaßt, brachten die Portugieſen ſelbſt ihre Produkte. Die erſten 
deutſchen u. italieniſchen Handelsfirmen unterhielten in A. Filialen, 
die Zahl der gleichzeitig im Scheldehafen liegenden Schiffe ſoll einmal 
2500 betragen haben, u. die Zolleinnahmen der Stadt beliefen ſi< in 
jener Glanzepoche auf mehr als eine Million Gulden jährli<h. Auch 
die Induſtrie A.s, ſeine Zuker- u. Wollfabriken, Seiden - u. Lein- 
webereien, Tapeten - u. Waffenmanufaktux, Glas- u. Goldwaaren- 
induſtrie wurde damals begründet. Daneben erlangte der Geldhan- 
del eine hohe Bedeutung; die Börſe von A., nah deren Muſter ſpäter 
die, Londoner Börſe erbaut wurde, war der Plak, wo im Beginn des 
16. Jahrh. Europa's Fürſten ihre Anleihen abſchloſſen. Da, wo 
ſolche Summen zuſammenſtrömten, konnten au< Künſte u. Wiſſen- 
haften gedeihen. Jn A. verſammelten ſi die berühmteſten niederl. 
Künſtler, ein Rubens, Van Dy>, Meſſis u. A., um die Stadt mit 
den Meiſterwerken der Baukunſt u. Malerei zu {{<hmü>en. Jm 16. 
Jahrh. trat aber bereits der Verfall ein. Die reformat. Beſtrebungen 
in den ſpaniſch gewordenen Niederlanden wurden mit Waffengewalt 
u. ausgejuchter Iyrannei unterdrüdtz die tüchtigften Männer wan- 
derten aus, die blühende Handelsftadt verödete, jank mehr u. mehr, 
während Amſterdam, unter günſtigeren VBerhältniffen, fich fortwäh- 
rend hob und die Erbſchaft A.s antrat. — Aus der politiſhen Ge- 
ſchichte der Stadt find zahlreiche Kämpfe u. Belagerungen zu er- 
wähnen. Jm J. 1576 fand ein großes Gemeßel zwiſchen deutſchen, 
ſpaniſchen u. ſtädtiſhen Truppen ſtatt, wobei viele Einwohñer ums 
Leben kamen. Die Bürger empörten ſi< nun, beſetzten die Citadelle 
und zerſtörten die gegen die Stadt gerichteten Feftungswerfe. Die 
Belagerung durch den Herzog von Alençon 1583 ſcheiterte an dem 
mannhaften Widerſtande der geſammten Bevölkerung ; deſto unglück- 
licher fiel die Belagerung dur den Herzog von Parma 1585 aus. 
Er hatte während jener berühmt gewordenen Belagerung eine 800 
Meter lange Brü>ke über die Schelde ſ{hlagen laſſen (bei Fort Marie), 
deren Zerſtörung durch die Brander des Jtalieners Giambelli die 
duch Hunger bezwungene Stadt nicht zu retten vermochte. Nun 
ſank A. unaufhörlich, zumal dur< den Weſtfäl. Frieden die Schelde- 
mündungen an Holland übergingen, das den Verkehr hemmte u. 
A. zur Binnenſtadt degradirte. Jm 18. Jahrh. wurde die Stadt 
wiederholt (1746, 1792, 1793, 1794) erobert. Napoleon I. erhob 
fie 1803 zu einem der erſten Waffenpläßze u. Kriegshäfen Frank: 
reis, dem A. ſammt der ganzen Nordſeeküſte einverleibt wurde. 
Dex Verſuch einer engl. Armee, dieStadt 1809 zu erobern, mißglücte 
(Expedition nah Walcheren). Die Uebergabe erfolgte erſt 1814, 
nachdem Napoleon beſiegt war. A. wurde nun eine Stadt Hollands, 
bis 1830 ſeine Bürger der belgiſchen Revolution ſi< anſchloſſen, 
infolge deſſen der holländ. General Chaſſé von der Citadelle aus die 
Stadt bombardirte. Als die Holländer die Uebergabe der Citadelle 
an das mittlerweile neu begründete Königreich Belgien verweiger- 
  
      
Anubis — Anweiſung 750 
ten, erſchien ein ſtarkes franzöſ. Heer unter den Generalen Gérard u. 
Haxo 1832 vor der Stadt, welche unter dem Bombardement der 
Citadelle glei<falls litt. Lebtere wurde am 30. Dez. den Franzoſen 
übergeben, u. von nun an konnte A. ſi< ruhig als belgiſche Stadt 
entwi>eln u. die Wiedererreihung des alten Glanzes anſtreben. 
(Siehe „Belgien“, „Brabant“.) 
Anubis, \. „Aegypten“. 
Anurie, Ausbleiben des Harn, f. u. „Nieren“, „Blaſe“. 
Anville (Jean Baptiſte Bourguignon d'A.), geb. 11. Juli 1697 
zu Paris, geſt. 28. Jan. 1782 ebendaſ. , königl. Geograph v. Frank: 
reich u. einer der tüchtigſten Landkartenzeihner ſeines Vaterlandes, 
war durch große Fruchtbarkeit ausgezeihnet, indem er mehr als 200 
kartographiſche Werke {huf, darunter (1737—17890) einen allgemei- 
nen Atlas in 66 Blättern, einen Atlas v. China, ſowie mehrere Kar- 
tenwerke, welche die Geographie des alten Rom u. Hellas illuſtrirten. 
Anwahs, in Marſchgegenden das dur<h Waſſer an ein ein- 
gedeihtes Grundſtück angeſhwemmte Land. 
Anwachſungsreht , Akkreſzenzre<t, das Recht, nah welchem 
unter beſtimmten Vorausſeßungen der dur den Wegfall eines Erben 
od. Vermächtnißnehmers frei gewordene Theil einer Erbſchaft od. eines 
Vermächtniſſes ſeinen Miterben u. Mitvermächtnißnehmern zufällt. 
Anwalt, Prokurator, im eigentl. Sinne derjenige, welcher ſtatt 
eines Andern vor Gericht auftritt u. zu dieſer Vertretung einer 
Vollmacht Seitens des Vertretenen, ſeines Mandanten, bedarf. Da- 
durch unterſcheidet ſich der Anwalt vom Advokaten, der neben einer 
Partei, u. um thre Sache mit Hülfe ſeiner Rechtskenntniß zu führen, 
vor Gericht thätig iſt, einer Vollmacht alſo niht bedarf. Jm heut. 
Sprachgebrauche werden aber, weil der Advokat jet meiſt auch die 
Funktionen eines Anwaltes ausübt, beide Bezeichnungen gleichbe- 
deutend gebraucht. 
Anwartſchaft, Exſpektanz, überhaupt der rechtlich begründete 
Anſpruch auf einen künftigen Vortheil. Lehen8anwartſchaft im Be- 
ſondern iſt das Recht gegen ‘den Lehnsherrn auf Belehnung (Jn- 
veſtitur) mit einem künftig heimfallenden Lehen. Jm Kirchenrecht 
iſt A. die im Allgemeinen unzuläſſige Verleihung eines Kirhhenamts 
oder einer Pfründe, bevor dieſe ihre zeitigen Jnhäber verloren haben, 
d. i, erledigt ſind. 
Anweilex od. Annweiler, Städtchen mit 2800E. an der Queich 
in der bayeriſchen Pfalz, Bezirk Bergzabern, in romantiſcher Gegend 
unter der Burg Trifels, das nicht etwa ein altes Naubſchloß, ſon- 
dern ein Neichsgut war, welches dem jemaligen Träger der deutſchen 
Krone gehörte. Es war das Schaßkammerſchloß des deutſchen Reichs, 
der Aufbewahrungsort der Krone und Reichskleinodien. Wer Be- 
ſißer des Trifels war, wurde von der Nation als der Nächſtberechtigte 
zur Anerkennung angeſehen, wenn verſchiedene Fürſten um die 
Kaiſerkrone ſtritten. 
Anweiſebank, #. „Girobank“. 
Anweiſung, im Allgemeinen ein mündlich oder jchriftlich ges 
gebener Auftrag, der Jemandem ertheilt wird, um den Willen u. die 
Abſicht des Anweiſenden auszuführen oder das aus der Anweiſung 
hervorgehende Recht deſſelben zur Geltung zu bringen. — Jn der 
am häufigſten vorkommenden mexkant. Bedeutung iſt A., Aſſignation 
oder Aſſegno (ſpr. Aſenjo), der ſchriftli<he Auftrag einer Perſon, 
des Aſſignanten, an eine zweite, den Aſſignaten, einer drit- 
ten namhaft gemachten Perſon, dem Aſſignatar, einen beſtimm- 
ten Gegenſtand, meiſtens eine Geldſumme, zu übergeben. Der Zeit- 
punkt dieſer Uebergabe iſ zuweilen ein beſtimmter, zuweilen auh 
niht. Dies iſ auch der juridiſche Begriff einer A. Man bedient 
ſi derſelben in der Regel zur Vermittelung der Erhebung geringe- 
ver Geldbeträge, um den Koſten vorzubeugen, welche die Nichtein- 
löſung eines Wechſels nah ſi< zieht. Die äußere Form der Aus: 
ſtellung ſolcher A.n iſ gewöhnlih mit der eines Wechſels überein- 
 ſtimmend u. von jener nur darin unterſchieden, daß das im Wechſel 
übliche Bekenntniß der empfangenen Valuta fehlt; im Uebrigen 
tritt an Stelle des Wortes „Wechſel “ das Wort „ Anweiſung . 
  
  
   
  
   
  
   
  
  
   
   
  
  
     
  
  
  
  
  
  
     
    
    
    
   
   
   
   
  
  
   
  
  
   
  
   
    
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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