Full text: A (1. Band)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
899 Archimedes 
  
ein um ſo ſtolzeres Wort, wenn man bedenkt, daß die damalige 
Weltanſchauung ſi< no< die Erde als feſtſtehendes Centrum des 
Univerſums vorſtellte. — Der innere Ausbau des Rieſenſchiffes er- 
folgte im Waſſer, u. hierbei gab wieder A. die ſinnreihſten Jdeen 
an die Hand. Das Ganze ward in drei Abtheilungen geſchieden, 
um welche verde>te u. mit Treppen verbundene Galerien führten. 
Der Unterraum des urſprüngli<h zur Getreidefuhr beſtimmten 
Schiffes barg die Ladung, welche außer dem gewöhnlichen Schiffs- 
vorrath auf 60,000 Scheffel Weizen u. 30,000 Ctr. andere Waa- 
ren, wie Wolle u. dergl., berechnet war. Jn den Mittelraum 
legte man zahlreiche Kajüten, zwei große Salons u. die umfang- 
reihe Schiffsküche, ferner einen großen Behälter für Seefiſche Uu. 
ein fkoloſſales Trinkwaſſerfaß. Das Oberded endlich enthielt ein 
warmes Bad, eine Bibliothek, ein Gymnaſium, Lauben u. Alleen 
von Bäumen in großen Töpfen, ferner Paſſagierkajüten, Abtheilun- 
gen für die Schiff8smannſchaſt, Sklaven, Soldaten u. f. w. Die 
beſſeren Räume waren mit Moſaikarbeit ausgelegt, deren Motive 
man der Sliade entnommen. Um den Raum möglichjt auszunußen, 
ließ A. jtatt der üblichen zahlreichen Nuderbänfe nur zwanzig Nuder, 
dafür aber drei große Maſten anbringen. So war in dem großen 
Bau Alles vereinigt, was man an zwedmäßiger Einrichtung, Ele 
ganz u. Bequemlichkeit nur verlangen konnte. Ganz beſonders aber 
waren es zwei ſinnreihe Neuerungen, dur< welche A. den Werth 
dieſes Muſterſchifſes noch geſteigert hatte, nämlich die Schiffspumpen 
u. die Vertheidigung8maſchinen. Erſtere dienten zur Entfernung 
des im Kielraum ſi<h ſammelnden Waſſers u. beruhten auf der von 
A. erfundenen u. nach ihm benannten Wafferfhnede, d. i. einem 
Apparate, welcher aus einem Cylinder u. einem ſ{hraubenförmig 
um denſelben geführten Kanal beſteht. Die Schraube ift drehbar u. 
hebt, wenn der Apparat in ſchiefer Richtung ins Waſſer geſtellt 
wird, infolge ihrer Drehung das Waſſer von dex unterſten Spiral- 
windung bis zur oberſten empor (Nr. 743). 
  
     
   
   
  
       
     
     
  
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II NUUAANAANAAIAN nn | 
Nr. 743. Archimediſhe Waſſerſhne>e. 
Die erſten Jdeen zu dieſer hwingenden Schraube, welche ſo un- 
endliche Wichtigkeit für die Schiffahrt (vgl. die Art. „Schiffahrt“ u. 
„Schiffsbau“ ) gewonnen hat, hängen mit den Unterſuchungen zuſam- 
men, welche A. über die Spirallinien angeſtellt u. in einer beſon- 
deren Schrift entwicelt hatte. — Nicht minder finnreic) war die Ar: 
mirung des ſyrakuſaniſchen Rieſenfahrzeuges dur eine Art fchwe- 
rer Schiffsartillerie von A. ausgeführt worden. Jn der Mitte des 
Dberdedes hatte er vier u. zu beiden Enden des Schiffes je zwei 
hölzerne Thürme aufgeſtellt, die mit Kriegern beſetzt u. im Innern 
mit Steinen u. anderen {weren Geſchoſſen angefüllt waren. Auf 
hohen Gerüſten überragten den eiſernen Palliſadenzaun des Schiffs- 
bordes zwei große Gefhübe, die an 200 Mtr. (über 600 F.) weit 
centnerjchwere Steine u. ungewöhnlich Tange Pfeile fchleuderten. 
Außerdem waren die Maſtkörbe mit Geſhüßen befeßt u. an den 
Naaen {were Steine u. Bleimaſſen ſo angebracht, daß man fie auf 
nahende feindliche Schiffe fallen laſſen konnte. So war im Sinne 
der Mechanik jener Zeit, welche die Treibkraft der Gaſe, insbeſon- 
dere des Pulvers, noch nicht kannte, gewiß Alles aufgeboten, um 
  
Archimedes 900 
das werthvolle Rieſenſchiſf mit den denkbar ſtärkſten Vertheidigungs- 
mitteln auszurüſten. Durch die Erfindung derartiger Kriegsappa- 
rate, ſowol Katapulten als Horizontalgeſhüße u. |. w., hat übrigens 
A. ſeinem Monarchen no< bei vielen anderen Gelegenheiten gute 
Dienſte geleiſtet. Aber au< in anderer Richtung nüßte ex dem 
kfönigl. Freunde durch ſeine wiſſenſhaftlihen Erfahrungen, vermöge 
deren er u. a. den Betrug eines Goldichmiedes bei Fertigung einer 
goldenen Krone aufde>te. Jm Bade war einſt A. auf die ſpezifiſchen 
Gewichtsverhältniſſe der Körper aufmerkſam geworden u. hatte dann 
mit Hülfe des hieraus gewonnenen hydroſtatiſchen Geſees (über 
den Gewichtsverluſt der Körper im Waſſer u. über das Verhältniß 
der verdrängten Waſſermenge) die betrügliche Miſchung des zur 
Krone verwendeten Goldes mit einem leihteren Stoffe nachgewieſen. 
Daß einem Genie, welches in ſo praktiſcher Weiſe ſeine wiſſenſchaft- 
lihen Erfahrungen auf das Leben zu übertragen wußte, auch die 
Herſtellung mechaniſcher Kunſtwerke niht {wer fallen konnte, iſt 
einleuchtend. Unter ſolchen Leiſtungen würde, nächſt der Konſtruktion 
eines Planetarium, auch die Erfindung der Wa ſſerorgel mit obenan 
ſtehen, wenn die betreffende Angabe des Kirchenvaters Tertullian 
verbürgt. wäre; man nimmt jedoch hierbei an, Daß eine andere Ueber: 
lieferung glaubwürdiger ſei, nah welcher nämlich diefes Inftrument 
den alexandriniſhen Mechaniker Kteſibios zum Erfinder haben ſoll. 
Von dem kunſtvollen Planetarium aber, einem die Bewegungen 
der Geſtirne veranſchaulichenden Apparat, ſteht die Urheberſchaft des 
A. außer Zweifel. Alle uns no< aus dem Alterthum erhaltenen 
Andeuzungen proſaiſher wie poetiſher Schriftſteller ſtimmen in 
überfchwenglichen Lobe jenes Wunderwerkes des Syrakuſaners, das 
ein ſinureiches Abbild des Univerſum vorſtellte, überein. Ju einer 
hohlen Glaskugel bildete nach damaliger Weltanſhauung die Erde 
das Centrum, in deren nächſter Nachbarſchaft fich der Mond bewegte, 
während die Sonne mit den Planeten, durch eine Kurbel bewegt, an 
der inneren Wand des Glaſes rotirte. Das Bewundernswerthe 
der Mechanik lag aber, wie {hon Cicero in ſeiner eingehenden Bes 
ſchreibung des Planetarium hervorhebt, in der ſinnreichen Einrich- 
tung, daß eine u. dieſelbe Umdrehung die ungleichen u. mannichfal- 
tigen Bewegungen der Himmelskörper in Ordnung hielt u. auch die 
Sonnen- u. Mondfinſterniſſe u. \. w. hervortreten ließ. „Hiernach 
habe A. etwas Größeres geleiſtet, indem er die Umdrehungen der 
Himmelskörper na<hahmte, als die Natur ſelbſt, welche dieſelben 
hervorbrachte.“ — Die Beſchäftigung des A. mit dergleichen 
mechaniſchen Kunſtwerken traf übrigens mit ſehr verdienſtvollen 
theoretiſhen Studien zuſammen, wie er ſie u. a. über die Natur der 
Kreislinie, der Kugel u. |. w. angeſtellt hat. Er war es, welcher 
zuerſt das Verhältniß zwiſchen dem Umfang u. dem Durchmeſſer des 
Kreiſes genauer beſtimmte, wobei er die entſprehenden Näherungs- 
werthe dur< Vergleichung von Viele>en außerhalb u. innerhalb der 
Kreislinie zu finden ſuchte. Hierbei erreichte er auch das für prak: 
tiſhe Zwecke völlig ausreichende Ergebniß, daß die geſuchte Zahl, 
welche angiebt, wie viel Mal der Durchmeſſer in der Peripherie 
enthalten, zwiſchen 3!/7 u. 31%/,, etwa in der Mitte Tiegen müffe. 
Von ſeinen Arbeiten über derartige Unterſuchungen ſind einzelne, wie 
die Behandlung über die Kegelſchnitte, verloren gegangen, andere 
dagegen, wie ſeine Schrift über die Spirallinien , über die ſ<hwim- 
menden Körper, über die Sphäroiden 2c. no< auf uns gekommen. 
Allgemeiner bekannt ſind die Ergebniſſe ſeiner mathematiſchen Ar- 
beiten über Kugel u. Cylinder geworden, z. B. der Saß, daß die 
Oberfläche der Kugel viermal ſo groß wie ihr größter Kreis tft; fer- 
ner, daß der um eine Kugel beſchriebene Cylinder ſi< zur Kugel 
ſelbſt, ſowol in Bezug auf Juhalt als auf Oberfläche, wie 3 zu 2 ver- 
hält u. ſt. w. A. ſelbſt legte auf dieſe u. ähnliche Entde>ungen im Ge 
biete der Geometrie ein ſo großes Gewicht, daß er ausdrü>lich den 
Wunſch ausſprach,, auf ſeinem Grabſtein möchte dereinſt ein Cylin- 
der, der eine Kugel unſchließt, angebraht werden. Ju der That 
hat dieſes merkwürdige Symbol faſt anderthalb Jahrhunderte ſpäter 
einem der treueſten Bewunderer des A., dem großen Römer Cicero,
	        
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