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969 Arktiihe Lander
Sembla fort. Das Eis wehrte hier jedes weitere Vordringen u. zwan
die Schiſſe zur Umkehr nah Vardöehuus. Nun verſuchten fie längs der
öden Küſte des ruſſiſchen Lapplands weiter vorzudringen. Nach zwei
Jahren fanden ruſſiſhe Fiſcher hier die Leichen Willoughby's u. der
ganzen Mannſchaft beider Schiffe. Hunger u. Kälte hatten ſie getödtet.
Das dritte von ihnen getrennte Schiff unter Chancellor's Kommando,
fam in ſeinem nördlichen Laufe, wie der Bericht ſagt, „in eine unbekannte
Gegend der Welt u. ſo weit, daß endlich gar keine Nacht mehr war, ſon-
dern immer Helle u. Sonnenſchein über der mächtigen See.“ Man ge-
langte ins Weiße Meer u. landete bei einem Kloſter an der Stelle, wo
jeht die Stadt Archangel ſteht. Hier von der Fiſcherbevölkerung freundlich
aufgenommen, erfuhr man, daß man auf mosfowitifchen Gebiete ſei.
Chancellor dachte nun nicht weiter an China ı. Indien,-fondern bat um
die Erlaubniß, Moskau zu beſuchen, wo er beim Großfürſten gute Auf-
nahme fand u. Verbindungen anknüpfte, die als der erſte Anfang des
Handelsverkehrs zwiſchen England u. Rußland anzuſehen find.
Den engliſchen Pfadſuchern folgten holländiſche, denn die holländiſche
Regierung hatte einen Preis auf die Entde>ung der nordöſtl. Durchfahrt
gejeßt. Der Seemann Barent machte 1594 ı. 1596 vergebliche Verſuche,
zwiſchen Sibirien u. Nowaja-Sembla (Semlja) hindurch od. um die Nord-
ſpize des lebtern herum zu kommen; ja im zweiten Jahre, nachdem der-
ſelbe die große Jnſel Spibbergen entdect, gerieth er am nordöſtl. Ende -
von Nowaja-Sembla ſo in Eis u. Nebel, daß er liegen bleiben u. in dem
fürchterlichen Lande unter 76° n. Br. mit 17 Gefährten in einem Breter-
hauſe, das ſie bauten,
überwintern mußte, eine
Gefangenſchaft, die von
Ende Auguſt bis Mitte
Juli des folgenden Fah-
res dauerte. (Nr. 786).
Da das Schiff nicht wie-
der vom Eiſe loskam,
wagte ſich die Mannſchaft
in zwei Barken ins Meer
u. gelangte unter unſäg-
lichen Gefahren endlich
ans Feſtland; Barentz
aber u. ſieben ſeiner Ge-
fährten waren nicht mehr
unter den Lebenden.
Durch ſo ungünſtige
Ausläufe Fam auch die
Idee der Nordoſtpaſſage,
ſowie der zeitweilig an-
geregte Plan, gerade über
den Nordpol hinweg nach
Japan u: China zu fah-
ren, wieder außer Gunſt,
ohne jedoch ganz in Ver-
geſſenheit zu gerathen. „
Bu dem Ziele, welches®
man bisher bei den Nord-
oſtfahrten vorherrſchend
im Auge hatte: die Auf-
ſindung eines nahen
Wegs nah Judien, ge- Nr.
jellte fich jeßt als neue Anregung ein näher liegender Zwe>. Ein tüch-
tiger engliſcher Seemann, Martin Frobiſher, war 1576 an der Küſte
von Labrador in eine Meerenge, nach ihm Frobiſherſtraße benannt, ein-
gedrungen, die er für den wahren Weg nach Kathay hielt. Sieben
Jahre ſpäter fehen wir John Davis auslaufen, abgejandt von Lon-
doner Kaufleuten, um, ohne alle Gedanken an Gold u. Silber, lediglich
die Durchfahrt zu ſuchen. Er machte drei Reifen Hinter einander u.
gelangte in den Meeresarın, der nach ihm die Davisftraße genannt
wird; aber die Durchfahrt fand er eben ſo wenig, als ſpätere Unter-
nehmer. Jm Fahre 1610 kam Hudſon einen Schritt weiter u. gelangte
in da3 große, nach ihm benannte Waſſerbecken, das er natürlich für
einen Theil des Stillen Meeres nahm; eine Entdeckung, die wieder
mehrere neue Unternehmungen nach ſi<h zog.
Im Fahre 1616 lief der kühne Seefahrer Baffin aus, abgeſandt
von der moskowitiſchen Geſellſchaft, welche eine große Beharrlichkeit in
Veranlaſſung und Ausrüſtung von Entdedungsfahrten entfaltete. Er
fand die große Baffin3bai u. beſtimmte mehrere Punkte derſelben, ſo
Smithsſund, Fonesſund u. den Lancaſterſund, welcher leßtere
damals vom Eiſe geſperrt war, u. dur den erſt 200 Jahre ſpäter ſich
Parry eine Bahn brach.
Arktiſche Länder 970
Alle Verſuche, über den Norden der Hudſonsbai hinaus zu gelangen,
waren ein ganzes Jahrhundert hindurch vergeblich, objchon Sagen von
großen Kupfermafjen, welche an jenen nördl. Küſten liegen ſollten, zu
wiederholten Verſuchen anſpornten. Ueber das Schickſal zweier Schiffe,
welche zu jenem Zwed ausgefandt wurden, war man gänzlich in Unge:
wißheit, bis man nah 50 Fahren die Ueberreſte der unglücklichen Reiſen-
den auf der einſamen Marmorinſel auffand. Mit Anfang des 18.
Jahrh. begann man die Nordpolfahrten nach feſten wiſſenſchaftlichen
Anſichten einzuleiten, während ſie bisher meist nur aufs Gerathewohl
hin unternommen worden waren.
Man warf mit Recht die Frage auf, ob wol die Nordweſtſpiße Amerika's
mit Aſien zuſammenhänge u. die Meerestheile im Dften Nordamerifa’s
nur tief eingreifende Be>ken bildeten, oder ob eine Waſſerverbindung
zwiſchen dem Eismeere u. dem Stillen Ozean vorhanden ſei. Eine
günſtige Löſung ließ fich nur Hoffen, wenn man den Verfuch vom Stillen
Meere aus unternahm. Noch auf dem Sterbebette ertheilte Peter der
Große dem Dänen Bering den Auftrag dazu. Mit ſeinen Genoſſen
machte derſelbe 1725 den weiten Landweg dur< Sibirien, chiffte fich
1728 zu Ochotsf ein, war aber erſt 1741 fo glüdlich, den St. Eliasberg
an der Nordweitipige Amerika's zu erblicken u. das Vorhandenſein der nah
ihm genannten Waſſerſtraße zwiſchen beiden Kontinenten nachzuweiſen.
Doch auch dieſe geographiſche Kunde ward mit dem Leben des Entdeckers
erfauft. . Eine gewaltige Woge hatte das Schiff Bering’3 über einen
Seljendamm hinweg in eine ruhige Bucht der Beringsinſel geſchleudert.
785. Gintreiben der Renthiere.
Hier in trauriger Einöde mußte man überwintern. Bering ſelbſt u. 30
ſeiner Gefährten erlagen hier der Kälte u. dem Nahrungsmangel.
Das 18. Jahrhundert zählte eine Berühmtheit erſter Größe unter
ſeinen Seefahrern, James Cook, deſſen Reiſen in die Jahre 1768—1777
fallen. Nachdem er viele Snjeln der großen Südſee entde>t od. näher
erforſcht hatte u. in die Eisregionen des Südpols weiter vorgedrungen
war, als je ein Menſch vor ihm, vermochte man ihn, auch an das
große Räthſel im Norden zu gehen, deſſen Löſung nunmehr ſeit faſt
300 Fahren vergeblich angeſtrebt worden war. Cook entſchied ſi< für
eine Expedition von der Beringsſtraße aus, u. man jeßte auf feine
Talente ſo große Hoffnungen, daß man ſogar Schiſſe in die Baffins-
bai dirigirte, die Cook bei ſeiner Ankunſt daſelbſt empfangen ſollten.
Aber auch er gelangte nicht gar weit über die Beringsftraße hinaus ı.
mußte am Eisfap umkehren, da ihm das Eis überall undurchdringliche
Schranken entgegenſtellte. Am Himmel jah er weit nad) Norden Hin
nur den Wiederſchein endloſer Eisfelder.
Betrachten wir die Karte der arktiſchen Länder, wie ſie jezt vorliegt, mit
ihrem Durcheinander von Land u. Waſſer (Nr. 776), u. denken wir uns
leßteres im Winter ganz zugefroren, im Sommer mit jchwimmenden
Eisfeldern u. Eisbergen verſtopft, ſo daß ein Schiff, welches in dieſes
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