Full text: A (1. Band)

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Arktiſhe Länder 974 
  
Natur geworden, u. zu dem Streben, die geographiſche Kenntniß jener 
Gegenden zu erweitern, gejellte fich noch der Ehrgeiz der jeefahrenden 
Nationen, die von früheren Generationen überkommene Aufgabe zu löſen. 
Jm Mai 1829 lief Kapitain John Roß mit einer kleinen Expedition 
aus der Themſe, wozu ein reicher Privatmann, Felix Booth, die Mittel 
hergegeben hatte. Er erreichte die Prinz-Regents-Einfahrt u. begann 
hier in ſüdweſtl. Richtung feine Forjchungen. Hierbei ftieß er auf ein 
wüſtes Land, das er Boothia Felix nannte. Die Gewäſſer u. Küſten 
deſſelben wurden in dieſem u. in den nächſtfolgenden Jahren theils zu 
Schiſſe, theils zu Lande unterſucht. Das Hauptergebniß dieſer For- 
ſchungen war die Auffindung des magnetiſchen Nordpols (\. d.). 
Derſelbe liegt auf dem Weſtrande von Boothia Felix, alſo weit ab vom 
eigentlichen geographiſchen Nordpol. Die Auffindung geſchah am 1. Juni 
1831. Ohne das im Eis vergrabene Schiff retten zu können, mußte 
im Mai 1832 an die Heimkehr gedacht werden, denn die Lebensmittel 
gingen zur Neige, u. es blieb kein anderer Rettungsweg-als eine Wan- 
derung von 100 Wegſtunden nah Prinz-Regents-Einfahrt, wo die von 
der untergegangenen „Fury“ geborgenen Vorräthe no<h am Strande ver- 
wahrt lagen. Dies gelang glü>lih; aber als ſie am 1. Sept. auf der 
Leopoldsinſel waren, ſahen ſie den Lancaſterſund und Alles rings um- 
her mit Eis verſtopft. Ein abermaliges Ueberwintern am Furyſtrand 
wurde nothwendig; im nächſten Sommer fanden ſie glü>li<h für ihre 
Boote freies Waſſer u. ſtießen auf einen Walfiſchfahrer, der fie 
aufnahm. Man hatte ſie längſt zu den Todten gezählt, als ſie 
im Oft. nach mehr als vierjähriger Abweſenheit wieder in Eng- 
land eintrafen. Eine Expedition unter Bak war bereits abge- 
gangen, um vom amerikan. Feſtlande aus nah ihnen zu ſuchen. 
Bon einer Neife Bad’s im FJ. 1836 nach Prinz-Regents-Ein- 
fahrt auf dem Schiffe „Terror“ läßt ſih kaum mehr jagen, als: 
er kam, ſah und fror ein, bis ihn der Sommer des nächſten 
Jahres aus ſeinem Gefänguiſſe erlöſte. 
Nux wenige Jahre vergingen, u. der unermüdliche Barrow 
fand aufs Neue Gelegenheit, mit ſeiner alten Lieblingsidee her- 
vorzutreten. Die beiden Schiffe „Erebus“ u. „Terror“ erhielten 
jedes eine neue Dampfmaſchine mit Schraube u. zu Kommandan- 
ten Franklin für den „Erebus““ u. Crozier für den „Terror“. 
Der Reiſeplan ging dahin, daß ſie ſo raſh als möglich dur<h den 
Lancaſterſund bis zur Fuſel Melville vordringen u. ſich dann ſüd- 
lich wenden ſollten. Dhne ſih irgend auſzuhalten, ſollten fie ſo- 
dann die Beringsſtraße zu erreichen ſuchen. Man hatte wieder 
große Hoffnungen auf dieſe Expedition gebaut, wenn man auch 
eigentlich keinen weitern Grund dafür hatte, als daß Schiff u. 
Kapitän gut waren. Am 26. Mai 1845 verließen die Schiſſe die 
Themſe mit einer Mannſchaft von 138 Leuten, u. am 26. Juli 
wurden ſie von Walſiſchfahrern an der Baſfſinsbai geſehen, wo ſie 
auf das Weggehen der Eisſchranke warteten. Franklin. erzählte 
ihnen, er habe Lebensmittel auf fünf Jahre u. könne es zur Noth 
auch ſieben Jahre mit anſehen. Seitdem vernahm man von der gan- 
zen Expedition nichts mehr, u. als nach dreijähriger Friſt noch jede 
Nachricht mangelte, beſchloß man in England, Schiſſe auszurüſten, um die 
muthmaßlich im Eis Eingeſperrten zu erlöſen, denn man zweifelte nicht, 
daß dieſelben ſo gut wie manche ihrer Vorgänger die Winter überſtanden 
haben würden. Das Schickſal der Verſchollenen fing an, die Theilnahme 
der Gebildeten aller Nationen auf ſich zu ziehen, u. die jeßt beginnenden 
Unternehmungen hatten nun den edleren Beweggrund der Hülfe u. Rettung 
aus Gefahr u. Noth. Die Admiralität hatte jedem Schiffe, welcher Nation 
es ſei, das Franklin aus dem Eiſe befreien würde, eine Belohnung 
von 20,000 Pfd. Sterling ausgeſeßt. Die Expeditionen im Jahre 1848 
nahmen von verſchiedenen Seiten her ihren Ausgang: von der Berings- 
ſtraße, von dem nordamerikan. Feſtlande u. von der Baffinsbai aus; 
man dachte es ſih als wahrſcheinlih, daß die Schiſſbrüchigen fich über 
die Jnſeln nah dem Feſtlande geſchlagen haben könnten, etwa nach den 
Mündungen des Makenzieſtromes. Die erſtere Abtheilung, die Küſten- 
oder Bootexpedition, befehligten Richardſon und Nae; die zweite, 
aus den Schiſſen „Enterpriſe“ u. „Jnveſtigator““ beſtehend, J. Roß 
u. Bird. Niemand fand eine Spux der Vermißten; kein Eskimo hatte 
ein Schiff oder einen Mann geſehen. Die Suchenden mußten fich be- 
gnügen, überall Landmarken u. Nachweiſe anzubringen, an verſchiedenen 
Punkten Lebensmittel u. andere nüßliche Dinge einzugraben 2c. Roß, 
der an der Leopoldsinſel überwintern mußte, ließ eine große Anzahl 
Polarfüchſe in Fallen einfangen u. legte ihnen kupferne Halsbänder um, 
auf denen die Nachrichten, die maù zur Kenntniß der Verſchollenen brin- 
gen wollte, eingegraben waren. 
Kaum war die gänzliche Erfolgloſigkeit der kombinirten Expeditionen 
bekannt, als man auch jchon Anſtalten zu noh umfangreicheren Unter- 
nehmungen traf. Schon in den erſten Tagen des Jahres 1850 liefen 
  
  
  
  
zwei Schiffe aus nah dem Stillen Meere, um abermals von der Be- 
ringsſtraße aus na< Norden oder Nordweſten zu operiren. Die Schiffe 
waren die „Enterpriſe“ unter Kapitän Collinſon und das Begleitſchiff 
„„Zuveſtigator“ unter Kapitän Mac Clure. Dieſe Abtheilung laſſen wix 
einſtweilen außer Betracht, um uns ihr ſpäter zuzuwenden. Eine an- 
dere Abtheilung reiſte zu Lande nach dem Madenziefluffe, während 
die meiſten Kräfte ſih nah der Baffinsbai wandten, um dem Laufe der 
Sranklin’ichen Schiffe diveft zu folgen. Jn dieſer Richtung wurde es 
ſeit 1850 ſehr lebhaft; die treue, unermüdliche Gattin Franklin's hatte 
nicht allein die Theilnahme Englands, ſondern au<h Amerikas und die 
ganze civiliſirte Welt um Beiſtand angerufen. Sie hatte auf eigene 
Koften zwei Schiffe ausgejandt, zwei waren von Amerifa geſtellt, u. 
von England waren ſehs Schiffe unter den Kapitänen Au ſtin u. Parry 
ausgerüftet u. nach u. nach ausgelaufen. Die amerikan. Schiffe, die ein 
hochherziger New-Yorker Kaufmann, Grinnell, geliefert hatte, waren 
auf Staatskoſten ausgerüſtet worden, u. auf ihnen befand fich als Arzt 
der nahmals ſo berühmt gewordene Dr. Kane, der auch ein Tagebuch 
dieſer Reiſe herausgab. Die beiden Schiffe hatte das gewöhnliche Schik- 
ſal, vom Eiſe eingeklemmt zu werden, zuerſt im Lancaſterſund angetroffen, 
ivorauf ſie von der Strömung in den Wellingtonkanal getrieben wurden, an 
deſſen Ausgang fie eine Infel mit dem Namen „Grinnell’3 Land“ beleg- 
ten. Später wurden ſie im Treibeis in die Baffinsbai zurü> geſchlagen. 
  
Im Jahre 1851 u. 1852 kamen unter den Kapitänen Belcher und 
Kellett noch mehrere Entde>kungsſchiffe hinzu, u. andere fuhren ab u. zu, 
um Lebensmittel nachzubringen u. die Verbindung zu unterhalten. Es 
möchte hwierig u. weitläufig ſein, alle die einzelnen Unternehmungen u. 
Forſchungen zu ſchildern, welche jezt zu Waſſer u. zu Lande in ver- 
ſchiedenen Richtungen in Gang gebracht wurden. Es genügt wol, zu 
ſagen, daß die meiſten Expeditions\chiffe zwei u. drei Mal überwintern 
u. ſ{hließli<h ſogar mehrere ganz im Eiſe zurückgelaſſen werden mußten, 
daß es auch niht ohne Verluſte an Menſchenleben abging. Der Haupt- 
zwe>, Franklin u. ſeine Gefährten aufzufinden, wurde nicht erreicht; 
kaum daß man einige dürftige Spuren von den Verſchollenen auffand; 
dagegen war das Nebenergebniß an geographiſcher Ausbeute niht ganz 
unbedeutend. 
Jm Aug. 1850 fand man die erſten Spuren von Franklin auf Kap 
Riley in dem Winkel, den der Lancaſterſund u. die Wellingtonſtraße 
bilden, u. beſonders auf der in der Nähe gelegenen kleinen Fuſel Beechey. 
Hier hatte die Geſellſchaft offenbar eine Zeit lang kampirt u. zwar dem 
Anſchein nah in niht unbehaglichen Verhältniſſen. Statt aller fchrift- 
lichen Nachrichten fand man abex nur drei Gräber mit in Stein gegra- 
benen Fnſchriſten, aus denen hervorging, daß die Expedition den Winter 
1845 auf 1846 hier zugebracht u. daß ſie damals noch ihre Schiffe be- 
ſeſſen haben mußte. Die Hauptnachforſhungen richteten ſih nun nordw. ; 
man entdeckte ein neues Durcheinander von Injeln und Buchten, worin 
Belcher u. Kellett das Meiſte leiſteten, ſowie das ſüdl. Ende eines neuen 
großen Landes, Nord-Cornwallis getauft, von Franklin jedoch keine- 
Spur, dieſe hätte vielmehr, wie die Folge ergeben hat, nach links hin, 
in ſüdl. Richtung geſucht werden müſſen, wohin ich gerade die wenigſten 
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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