1279 Augenhöhlen — Augenpflege
dann Celſus u. andere ſpätere römiſche Aerzte ſhon die Ausführung wich-
tiger Augenoperationen, z. B. der Staaroperation durch Herabdrüden der
verdunkelten Linſe kannten. Allein die Augenärzte ſtanden ſelbſt no
zur Zeit, wo ſich die Wiſſenſchaft in Rom günſtig entfaltet hatte, auf-
ſehr niederer Stufe. Für die große, ausgebreitete Betriebſamkeit dieſer
römiſchen „Ocularii“ zeugen die häufig ſelbſt in Norddeutſchland aufgefun-
denen Siegelſteine u. Etiketten derſelben. Durch die altarabiſchen Aerzte
wenig gefördert u. nach u. nach lediglich dem rohen Treiben landfahrender
Aerzte überlaſſen, gerieth im 15. u. 16. Jahrh. die Augenheilkunde in
einen Zuſtand tiefer Erniedrigung. Aus dieſer Verſunkenheit erwachte ſie
erſt im 17. u. 18. Jahrh. ; den Eintritt dieſer neuen Periode bezeichnet
die Entdeckung der wahren Natur des grauen Staares in den lezten Fahr-
zehnten des 17. Jahrh. dur<h Werner Rolfink, Profeſſor zu Jena, wäh-
rend dann auh Antoine Maitre-Jean, ein franz. Wundarzt, unabhängig
von jenem die Bedeutung der Trübung der Linſe u. ihrer Kapſel bei der
Staarbildung würdigte. Dann erwarben fich Freytag, Arzt in Bern,
Blankaard, Prof. zu Amſterdam, u. namentlich Jacques Daviel aus Barré
urſprünglich ein umherziehender Okuliſt, große Verdienſte dur Einfüh-
rung der Extraktion der Linſe beim grauen Staar. Die dritte wichtige
Bereicherung der A. ift die im 18. Jahrh. von Cheſelden erſonnene Ope-
ration der künſtlichen Pupillenbildung. Dann aber wurden vorzugsweiſe
in Deutſchland in der Mitte deſſelben Jahrh. Anſtalten für den gediege-
neren Unterricht über A. begründet, u. von hier an nimmt die wiſſen-
ſchaftliche Richtung auf dieſem Gebiete einen glänzenden Aufſhwung.
Nirgends ſtrahlt nun aber in der Neuzeit ſo hell als hier der Ruhm der
Deutſchen. Zunächſt iſt der Entde>ung der die Pupillen erweiternden Kraft
der Belladonna durch Himly zu gedenken, durch welche die A. bereits unter
den Händen von Beer, von Gräfe, Ruſt, Jüngken, Jäger dem Vateru. a. ganz
bedeutende Fortſchritte machte. Eine neue Epoche beginnt mit der Erfindung
des Augenſpiegels durch Helmholß; ſie hat unter den Händen von Gräfe,
des Sohnes, zu einer faſt gänzlichen Umgeſtaltung dieſes Gebietes geführt.
Als- Förderer dieſer Entwiklung in neuerer Zeit nennen wir Ruete u.
Coccius in Leipzig, Arlt u. Stellwag von Carion in Wien, v. Hasner in
Prag, Förſter in Breslau, Schweigger in Göttingen, v. Zehender in
Roſto>k, Sämiſch in Bonn, Pagenſteher in Darmſtadt, Küchler in Darm-
ſtadt, Dor in Bern, Sichel u. Liebreich in Paris, Donders in Utrecht.
Augenhöhlen, Augenkammern, f. „Auge“.
Augenkxankheiten, f. „Augenheilkunde“.
Augenleuhten, Augenlider, j. „Auge“ u. „Augenſpiegel““.
Augenmaß iſt die nur dur<h Uebung zu erlangende Fähigkeit oder
Fertigkeit, die Maßverhältniſſe von Körpern, Flächen u. Figuren, von
Längen od. Abſtänden dur<h bloße Anſchauung möglichſt richtig zu be-
ſtimmen, allenfalls auh Mengen nah Anzahl abzuſchäßgen, das Gewicht
eines Körpers von bekanntem Stoff zu taxiren 2c. Bei nicht nahen Gegen-
ſtänden giebt die gute Abſchäßung der Entfernung zugleich den Anhalt
zur Größenbeſtimmung, wie umgekehrt aus der ſcheinbaren Größe eines
nach ſeinen Dimenſionen bekannten Gegenſtandes, eines Menſchen z. B.,
auf ſeine Entfernung geſchloſſen werden kann. Bei Feldmeſſern, Juge-
nieuxen, Militärs, Jägern u. f. w. iſ die Aneignung eines möglichſt
ſicheren Augenmaßes Berufsſache; man findet es aber auch ſonſt, nament-
(ich unter Werkleuten in ihrem beſonderen Fache , in bedeutender Ausbil-
dung. Sn ungewohnter Umgebung, 3. B. bei Neulingen in großen Ge-
birgen od. zur See, täuſcht das A. in der Regel gewaltig.
Augenmuskelu, Augenpolfter, j. „Auge“.
Augenpflege (Ophthalmobiotik, Augendiätetik) iſ das richtige Ver:
halten in der Lebensweiſe, im Gebrauche des Sehorgans, um deſſen Seh-
vermögen zu wahren u. den Krankheiten deſſelben vorzubeugen.
Augen der Neugeborenen drohen Gefahren durch grelles Licht, unreine
Luft u. f. w., durch welche eine zur Erblindung führende Augenentzündung
entſtehen kann; deshalb verdunkelt man die Lagerſtätte des Kindes ein
wenig u. verhütet, daß Staub, Rauch, üble Ausdünſtungen u. j. w. ſich
der Luft beimiſchen. Später tritt bei Kindern infolge der Drüſenkrank-
heit die ſrophulöſe Augenentzündung auf, die namentlih mit großer
Lichtſcheu einhergeht; hier wird man beſonders auf geſunde, kräftige Koſt,
Kühlhalten des Kopfes u. Halſes, Verbeſſerung der Luſt, Abdämpfen des
Lichtes u. kalte Umſchläge auf das Auge Beſſerung eintreten ſehen. Bei
der Schuljugend iſt die Anſtrengung u. Uebermüdungeder Augen von ſhlim-
mem Einfluß, indem durch unzwe>mäßige Beleuchtung der Schulzimmer,
falſche Konſtruktion der Schulbänke u. langdauerndes Leſen u. Schreiben
zu kleiner Schrift viel zur Entſtehung der Kurzſichtigkeit u. Augenſchhwäche
beigetragen wird. Gewiſſe Berufsarten, führen leiht Augenleiden herbei:
der Studirende, der Künſtler, insbeſondere der Graveur, Xylograph, der
Uhrmacher u. j. w., die Sti>kerinnen u. Nähterinnen widmen ſih Beſchäf-
tigungen, welche die Augen übermäßig anſtrengen, Metall- u. Stein-
Den
Augenpunkt — Augenſpiegel 1280
arbeiter jegen ihre Augen häufig Verlegungen aus. Einestheils darf beim
Sehen kleiner Gegenſtände das Licht nicht zu chwach, anderntheils nicht
zu grell ſein; bei künſtlicher Beleuchtung (vgl. den Art. „Beleuchtung‘)
muß das direkte Einfallen der Lichtſtrahlen verhütet werden, beim Schrei-
ben u. Zeichnen das Licht von links her fallen; gewiſſe Arbeiter müſſen
ſich einer Blendung, andere der Schußbrillen, Feuerarbeiter der Glimmer-
brillen bedienen. Auf die eintretende Ermüdung der Augen bei anſtren-
gendem u. dauerndem Sehen muß beſonders geachtet u. dann den Augen
eine Erholung im. Freien u. in der grünen Natır gewährt werden.
Heußerit wohlthätig wird die Abwechslung zwiſchen Nah- u. Fernſehen.
Man leſe, ſchreibe u. nähe in einer Entfernung von acht bis zehn Zoll
vom Auge. Schroffer Wechſel zwiſchen Wärme u. Kälte ſchadet leicht dem
Auge. Mißbrauch der Operngläſer, Loupen, Brillen, Augenklemmer iſt
den Augen höchſt gefährlih. Wenn irgend ein fremder Körper in das
Auge gekommen iſt, ſo reibe man nicht, ſondern laſſe ſich von befreundeter
Hand erſt das untere, dann, wenn nöthig, auh das obere Lid behutſam
abziehen u. mit dem angefeuchteten Zipfel eines Leintuches den Gegenſtand
wegwiſchen. Auch kann man einen weichen feuhten Haarpinſel unter die
Lider bringen u. hiermit den Körper nach dem inneren Augenwinkel zu
ſchieben ſuchen. Gelingt dies nicht, ſo greife man nicht zu dem ſonſt ge-
bräuchlichen Einſchieben eines Kreb8auges unter die Lider, vielmehr be-
gebe man fich zum Arzt, welcher durh Umklappen des obern Augenlides
vd. durch Snftenmente den Gegenftand entfernt. Bei eintretenden Ent-
zimdungen ſ{<hüßt man das Auge gegen Licht, Rauch, Staub, Kälte u. Anz
ſtrengung u. darf es nicht anhaltend zubinden; ein paſſender Schirm iſt
ein gutes Schutzmittel. Die Medikamente wählt der Arzt je nach dem
Charakter der Krankheit. Bei Wahl der Augengläfer (vgl. „Brillen“) iſt
der Rath eines Arztes od. guten Optikus nicht zu enthehren. Zur Stär-
fung ſ<hwacher od. kranker Augen iſt der Aufenthalt in freier windſtiller
Atmoſphäre an ſchattigen Laub- u. raſengrünen Orten das beſte Mittel.
Als Mittel, welche die Augen ſtärken u. heilen, galten früher viele Kräuter,
Balſame, Tinkturen u. Heilquellen, man hatte einen „Augentroſt“ (ſ. d.),
einen „weißen Augenſtein“, d. i. Zinkvitriol (ſchwefelſaures Zinkoxyd),
„rothen Augenbalſam““, d. i. rothe Queckſilberpräcipitatſalbe, „blaues Augen-
waſſer“, d. i. Kupferſalmiak, u. noh heute glaubt man die Augen dur
RNomershauſen's Augeneſſenz zu kräftigen, welche man ſich ſelbſt billig
durch Ausziehen von einem Th. Fenchelſamen u. zwölf Th. Weingeiſt her
ſtellen kann. Als äußerliche Mittel benußen die Aerzte bei Augenkranken
am häufigſten Umſchläge mit einfachem od. medikamentöſen Waſſer, Wa-
hungen, flüſſige Augenmittel (Tropfen), die man mit einem Pinſel auf
die Innenfläche des unteren Lides ſtreicht, Salben, die man ſte>nadelkopf-
groß mit dem kleinen Finger über den inneren Augenwinkel von oben
nach unten einſtreicht, Verbände, Blutegel an die Schläfe u. Einreibungen
von Salbe od. Spiritus in Stirn u. Schläfe.
F. P. Ritterich, Leipzig, „Anweiſ. zur Erhaltung des Sehvermögens“
für höhere Schulen verfaßt (Leipzig, 1847). — Prof. Arlt, Wien, „Die
Pflege der Augen“ 2c. 3. Aufl. Prag, 1865. — W. Manz, Freiburg,
„Populäre Vorleſungen über Diätetik der Augen““ (Freiburg 1866).
F. M. Heymann, Dresden, „Das Auge u. ſeine Pflege im geſunden u.
franken Zuſtande““ (Leipzig 1870). %. Ch. Süngfen „Die Augen-
diätetif’, 2. Aufl., Berlin 1870.
Augenpimkt, man verſteht darunter entweder den Punkt, wo ſich
das Auge beim Entwurf einer perſpektiviſchen Zeichnung befindet, od. auch
den Punkt auf einer Zeichentafel, in welchem eine von dem Auge auf die-
ſelbe gefällte ſenkrechte Linie dieſe trifft. Weiteres f. unter „Perſpektiv“.
Augenſpiegel if ein Juſtrument, deſſen ſich die Aerzte zur Beſichti-
gung der inneren Theile des Auges bedienen. Mit der Erſindung deſſelben
begann ein bedeutender Umſchwung in der Augenheilkunde. Schon längſt
hatte man bemerkt, daß die Augen mancher Thiere (Kaßen, Hunde, Wölfe
u. |. w.) im Dunkeln leu<hten. Man fand, daß dieſe Erſcheinung durch
Zurückwerfen jenes Lichtes zu Stande komme, welches neben dem Kopfe
des Beſchauers , von dieſem unbemerkt, in das Auge des Thieres dringt
u. von dem Hintergrunde des Thierauges in das Sehorgan des Beobach-
ters reflektirt wird. Dann hatte Brü>e (Wien) im 3. 1835 entdect, daß,
wenn wir in das Auge eines Anderen den einfallenden Strahlen nahezu
parallel bliden, wir das menschliche Auge vermöge des reflektirten Lichtes
leuchten ſehen. Hierauf beruht der von Helmholg (Früher in Königsberg,
jezt in Heidelberg) 1851 exfundene Augenſpiegel. Bei dieſem Apparate
werfen unbelegte, zwiſchen dem fremden u. eigenen Auge jchief eingerich-
tete Glasplatten das von einer ſeitwärts ſtehenden Flamme kommende
Licht in das erhellte Auge, von deſſen Neyhaut die eingedrungenen Licht-
ſtrahlen derart reflektirt werden, daß ſie bei ihrem Rückwege durch jene
Glasplatten dringen u. in das beobachtende Auge ge!angen. Leßteres er-
blickt dann bei dieſer Beleuchtung im fremden Auge die Neßhaut, welche
wegen der vielen Blutgefäße roth u. mannichfaltig veräſtelt erſcheint.
ai — nn | ie
R