Full text: A (1. Band)

  
1289 Auguſt 1. (Kurfürſt v. Sachſen) 
die jog. Concordien= od. Eintrachtsformel (j.d.) zu Stande. Diefelbe 
erzeugte jedoch einen Unfrieden, der noch nad Jahrhunderten als 
Quelle des bitterſten Haſſes gegen die Reformation fortdauerte. 
Anders als in den bisher erwähnten Angelegenheiten ſteht A. als Ge- 
ſetzgeber, Ordner des Staates, Pfleger der Staats- u. Volkswirthſchaft 
wie der Wiſſenſchaft u. Kunſt da. Von Räthen unterſtüßk, die er ſich 
unter den beſten Köpfen ſeiner Zeit wählte, u. auch mit ſeinen Land- 
ftänden häufig fich berathend, nahm er ſih perſönlich aller Regie- 
rungsgeſchäfte an, u. gab dem Staatsorganismus eine Einrichtung, 
5 welche für feine 
Zeit zur Ber: 
einfachung des 
Geſchäftsgan- 
ges am paſ- 
ſendſten war. 
An der Finanz: 
verwaltung 
wurden die 
Steuern von 
| den Kammer: 
I einfünften ge- 
| schieden u. ihre 
Erhebung an 
den Willen der 
Landſtände ge- 
bunden. Die 
Juſtizpflege 
ordnete A. 
durch eine ver: 
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Surf richtung der 
Nr. 1036. Anguft I., Kurfürſt von Sadfen (geb. 1526, geſt. 1586). Gerichtsbehör- 
den u. dur jene, den Namen „Conſtitutionen“ führenden Gefebe, 
welche in der füch]. Territorialgeſeßgebung Epoche machten, indem ſie 
die dur die Anwendung fremder Rechte veranlaßte Verſchiedenheit 
der Urtheile aufhob u. dem röm. Rechte Geltung verſchafften. Am glän- 
zendſten indeß entfaltete ſich A.'3 Regententhätigkeit in den einzelnen 
Zweigen der Staats- u. Volkswirthſchaft. Auf eigene Erfahrung ge- 
ſtützt, übernahm er ſelbſt die Ordnung u. Regelung aller Wirthſchafts- 
zweige mit ſicherer u. kräftiger Hand bis an's Ende. Wer ſi in 
dieſer Hinſicht über die großen u. vielfachen Verdienſte A.'s ein- 
gehend belehren will, den verweiſen wir auf die gekrönte Preis\crift 
Roh. Falles: „Die Geſchichte des Kurfürſten Auguſt von Sachſen 
in volkswirthſchaftlicher Beziehung“, (Leipzig, 1868). Hier ſei nur 
erwähnt, daß er insbeſondere zum Anbau wüſten Landes u. zur 
Theilung großer Gemeindegüter anregte, ſowie den A>kerbau, theils 
dur das Beiſpiel ſeiner muſterhaften Bewirthſchaftung der Kam- 
mergüter, theils dur< die te<hniſhe Verbeſſerung der Beſtellungs- 
weiſe förderte, u. zu dieſem Zwe>ke mit der Verwandlung der Frohn- 
‘dienſte in Geld u. der Ablöſung der Naturalabgaben den Anfang 
A 
machte. Auch um die Züchtung des Viehes erwarben er u. ſeine Ge- 
mahlin, die Kurfürſtin „Mutter Anna“, die ſogar „eine geheime 
Kunſt übte, wie man das Vieh feiſt mache“, ſi<h namhaſte Ver- 
dienſte. Beide thaten auch jehr viel zur Verbreitung u. Hebung des 
Obſt-, Wein- u. Hopfenbaues. Der Kurfürſt ſoll auf ſeinen inlän- 
diſchen Reiſen ſtets Säckchen mit Obſtkernen bei fi) getragen u. 
dieſe an geeigneten Orten ſelbſt gepflanzt, au<h den Befehl gegeben 
haben, daß jedes junge Ehepaar zwei Obſtbäume ſeben ſollte. Für 
die Beſſerung der Forſtwirthſchaft u. des Bergbaues u. für die Be- 
ſeitigung aller hier eingefchlichenen Mipbräuche war er jehr thätig; 
richtete dabei ſein Augenmerk auf das Fortſchreiten der Gewerbe in 
techniſcher Beziehung, wie er denn auh das Handwerk, namentlich 
das Drechſeln,, mit eigener Hand betrieb. Durch Niederländer, die 
um ihres Glaubens willen vertrieben worden waren, führte er die 
Baumwollmanufaktur ein, hob Verkehr u. Handel dur< Beſſerung 
Scat: cl 
  
Auguſt 11. (Kurfürſt v. Sachſen) 1290 
u. Sicherung der Verkehrs - Wege, begünſtigte die Leipziger Meſſen, 
ſeßte einen gewiſſen Zinsfuß feſt u. ſuchte dur<h Darlehne den be= 
dürftigen Fleiß gegen Wucher zu ſhühen. Obgleich er viel Geld 
auf Bauten verwendete, den Königſtein befeſtigte, die Schlöſſer 
Auguſtusburg u. Annaburg errichtete, die Lehrſtühle an den beiden 
Univerſitäten vermehrte, botaniſche Gärten anlegen ließ, den Grund 
zur Oeffentlichen Bibliothek u. dem Grünen Gewölbe zu Dresden 
(egte, wurden doch nad) feinem Tode 1,825,000 Gulden od. nad) 
heutigem Münzfuß, etwas über 3,360,000 Thlr. in der Schab- 
kammer gefunden. A.’3 Familienleben war mufterhaft. Seine Ge- 
mahlin Anna hatte ihm fünfzehn Kinder geboren; von denen jedoch) 
elf {hon geſtorben waren, als der Kurfürſt ſeine langjährige Lebens- 
gefährtin am 1. Okt. 1585 dur eine Seuche (Peſt genannt) verlor. 
So groß indeß A.'s Trauer um die Verblichene war, ſo vermählte 
ſi der 59jährige Mann doch bereits am 3. Jan. des nächſten Jahres 
wieder mit Agnes Hedwig, der 13jährigen Tochter des Fürſten 
Joachim Ernſt v. Anhalt. Fünf Wochen ſpäter, am 11. Febr. 1586, 
wurde er in Morißburg vom Schlage getroſſen u. ſtarb an demſelben 
Tage zu Dresden. Begraben liegt A. in der Domkirche zu Freiberg. 
Zu Chemnih ward ihm im J. 1856 ein Denkmal geſeßk. 
Auguſt [I1., Friedrich, genannt der Starke, Kurfürſt v. Sach- 
ſen u. König von Polen, der zweite Sohn des Kurfürſten Johann 
Georg III., u. der mit dieſem ſeit 1666 vermählten u. 1717 ver- 
ſtorbenen däniſchen Prinzeſſin Anna Sophia, wurde geb. am 12. Mai 
1670 zu Dresden. Frühzeitig entwickelten ſi<h bei ihm die kraft- 
volle Bildung ſeines Körpers, die Kühnheit u. Faſſungsgabe ſeines 
Geiſtes. In ritterlichen Künſten u. den Kriegswiſſenſchaften unker- 
richtet, die er fich eben ſo leicht zu eigen machte, als alles Dasjenige, 
was zum Hofleben gehörte, ward er der Liebling ſeiner Eltern u. des 
Hofes, ohne für die ernſten Aufgaben des Fürſtenlebens vorbereitet 
zu werden. Von 1687 an nach der damaligen Sitte auf Reiſen, um 
fremde Länder u. auswärtige Höfe, vor allen denjenigen Ludwigs XIV. 
zu Paris u. Verſailles u. den dort herrſchenden Glanz despotiſchen 
Uebermuthes kennen zu lernen, beſuchte er Holland, England, Spa- 
nien, Portugal, Ober-Jtalien u. Ungarn, jedoch nur, um nach zwei 
Jahren eine verſtärkte Genußſucht u. Neigung zu einer großartigen 
u. verſhwenderiſchen Lebensweiſe in fein Stammland zurüdzubrin- 
gen. Nah dem Tode des Vaters (1691) ging er nad) Wien u. 
knüpfte hier mit dem römiſchen König Joſeph einen, ſeine ſpätere 
Politik weſentlih beeinfluſſenden, Freundſchaftsbund. Das wenig 
brüderlihe Verhältniß zu ſeinem regier. Bruder Johann Georg IV. 
ließihn den Aufenthalt im Auslande vorziehen. Vermählt am 10. Jan. 
1693 mit Chriſtine Eberhardine von Brandenburg - Kulmbach tral 
er am 24. April 1694, nad) feines Bruders unerwartetem Tode, 
die Regierung an u. begab fi) im Juni 1695 mit 8000 Mann 
Hürfstruppen nad) Ungarn an die Spite einer dort gegen Die Türs 
ten aufgeftellten Faiferl. Armee; ev legte indeß nach dem Siege 
bei Olaſch (27. Aug. 1696) den Oberbefehl nieder u. ging nach 
Wien, wo ex in die Reihe der acht od. neun Bewerber um die durch 
Joh. Sobieski's Tod erledigte Krone Polens trat. Durch ungeheuer 
hohe, an den poln. Adel vertheilte Summen gelang es ihm, ſeine 
tebenbuhler zu verdrängen, u. nachdem A. am 1. Juni 1697 (neuen 
Stils) zu Baden bei Wien zur kathol. Kirche übergetreten war, 
wurde er am 27. Juni von der ſtärkeren Partei auf dem polniſchen 
RNeichstage zum König gewählt, u. vom Biſchof von Cujavien am 
15. Sept. in Krakau gekrönt. Die charaktervolle Kurfürſtin-Mutter 
1. A.'s8 Gemahlin blieben jedo< beide eifrige Proteſtantinnen u. 
Letztere lebte fortan getrennt von ihrem abtrünnigen Gemahl zu Pretſch 
bei Wittenberg, wo ſie am 4. Sept. 1727 plöblich ſtarb. Da A. 
den Mangel jedes Regierungstalentes dur< äußeren Glanz zu er- 
ſeßen ſuchte, ſo wurde er durc die vergrößerten Geldbedürfniſſe ſehr 
bald zu mehreren Veräußerungen von Gebieten u. Rechten ſeines 
Erblandes genöthigt; ſo verkaufte er das Amt Pforta für 100,000 
Gulden an Weimar, den fühl. Antheil an Mansfeld für 600,000 
Thlr. u. die Lehnshoheit über Shwarzburg für 100,000 Thlr. an 
  
  
  
 
	        
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