Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
Mufikalifche Inftrumente. 
welche aus 7 bis I0o mit Wachs verbundenen, aus Schilfrohr gefchnittenen Pfeifen 
von verfchiedener Länge beftand. Einen weiteren Fortfchritt bezeichnet die Sack- 
pfeife, bei der bereits die mit Tonlöchern verfehenen Pfeifen durch einen 
angebrachten Windfchlauch geblafen wurden. Denken wir uns eine Anzahl folcher 
Pfeifen ftatt eines Schlauches oder Sackes auf einen Windkaften getftellt, in welchen 
man, anfänglich wenigftens, durch ein Rohr die Luft hineinblies und zugleich 
mittelft beweglicher Schieber die Pfeifen nach Belieben auch einzeln zur Anfprache 
bringen konnte, fo hätten’ wir damit ein entfprechendes Bild unferes Inftrumentes 
auf feiner erften Entwicklungsftufe. Ein fernerer und zwar fehr bedeutender Fort- 
fehritt, welcher einen längeren Bildungsprocefs vorausfetzt, war die Erfindung 
einer Einrichtung, durch welche die Luft durch den Druck des Waffers den Pfeifen 
zugeführt wurde. Der Kirchenvater Tertullian fchreibt diefelbe ohne ftichhaltigen 
Grund dem Archimedes zu. 
Eine folche hydraulifche Orgel baute oder verbefferte fchon etwa 180 Jahre 
vor Chriftus Ktefibius. Diefe Inftrumente zeichneten fich keineswegs durch eine 
imponirende Gröfse aus, wie man nach einer Schilderung des genannten Kirchen- 
vaters fchliefsen kann, fie waren vielmehr klein und tragbar und wegen ihres Klanges 
bei den Römern fehr beliebt, vermochten indefs die ältere Windorgel nicht zu 
verdrängen. Zu folchen gehörten jene beiden Orgeln, welche fich nach dem 
Briefe des Hieronymus an den Dardanus im Tempel zu Jerufalem befanden. Die 
kleinere unter ihnen, Mafchrokita mit 7 Pfeifen, wurde vom Spieler mit dem Munde 
durch einen Schlauch oder ein Rohr angeblafen, während er felbft auf einer vorn 
angebrachten Taftatur fpielte. Ein ähnliches Beifpiel von Spielart bot der 
Zithertifch des Bäckermeifters Böhm in der Ausftellung, nur dafs hier die Pfeifen 
durch Zungen erfefzt find. Die gröfsere Orgel Magrapha oder Ugafh foll dagegen 
2 Blafebälge und ı5 Pfeifen gehabt haben. 
Ihre höhere künftlerifche Ausbildung hat die Orgel erft in dem Schoofse 
der chriftlichen Kirche erhalten; fie ift hier allmälig zu dem Inftrumente heran- 
gewachfen, welches heutigen Tages den Hauptfchmück unferer Kirchen bildet 
und mehr als jedes andere Ton-Werkzeug mit unferem religiöfen Empfindungs- 
wefen verbunden ift. Die Einführung derfelben in die Kirchen des Abendlandes 
wird nach einer fehr unverbürgten Nachricht des Platina dem Papfte Vitalian in 
der zweiten Hälfte des VII. Jahrhundertes zugefchrieben. Als Pipin den römifchen 
Ritus in Frankreich einführte, erhielt er von dem byzantinifchen Kaifer Kopronimos 
in Konftantinopel zur Unterftützung des Gefanges eine grofse Orgel mit bleiernen 
Pfeifen zum Gefchenk, welche er in der Kirche zu Compiegne aufftellen liefs. 
Nach dem Mufter derfelben liefs Carl der Grofse 812 eine Orgel in dem Dom zu 
Aachen bauen, die erfte in Deutfchland, wie es heifst, welche ohne Beihilfe des 
Waffers, wie bisher, nur mittelft Blasbälge allein gefpielt werden konnte. Seit der 
zweiten Hälfte des IX. Jahrhunderts war die Kunft, Orgeln zu bauen, in Deutfch- 
land fo verbreitet, dafs Papft Johann VIII. den Bifchof von Freifing anging, 
nach Rom einen Orgelbauer zu fchicken. Von hier aus verbreitete fie fich 
dann durch Italien und nach Frankreich hin. Im X. Jahrhundert hatte die 
Orgel, namentlich in England, bereits bemerkenswerthe Fortfchritte gethan. Denn 
nach der Erzählung des Benedictiners Wolftan befand fich 951 in Winchefter eine 
Orgel, welche nicht weniger als 400 Pfeifen, für die damalige Zeit eine beträcht- 
liche Anzahl, befafs; freilich war das Werk noch fehr primitiver Art, denn nicht 
weniger als 26 Bälge gehörten dazu, die Pfeifen ertönen zu laffen und diefe 
26 Bälge verlangten 70 rüftige Männer, um in Bewegung gefetzt zu werden. 
Die Kunft, das Pfeifenwerk in Regifter zu fcheiden, war noch nicht erfun 
den. Die Orgel hatte zehn Taften und auf jede Tafte kamen vierzig Pfeifen, die 
fämmtlich beim Niederdruck ertönten. Zwei Organiften theilten fich in diefe zehn 
Taften und ein jeder von ihnen regierte fein „eigenes Alphabet.“ Die Claviatur 
umfafste auf den Orgeln ıı bis ı3 Taften in diatonifcher Folge ohne Halbtöne, 
felbft das d und JJift noch nicht unterfchieden; ein kunftvolleres Syftem der 
  
Me AR a An
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.