Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
A Eduard Schelle. 
Mechanik beginnt erft im Anfang des XIV. Jahrhundertes. Die Claviatur beginnt 
  
von nun an allmälig die chromatifchen Zwifchentöne aufzunehmen; die Pfeifen- 
zahl vergröfsert fich. Aber wie dürftig nehmen fich die gröfsten und berühmteften 
Werke diefer Art gegen unfere heutigen Orgeln feibft vom kleinften Kaliber aus. 
Nehmen wir z. B. die an Orgel, welche Nicolaus Faber 1361 für die Dom- 
kirche zu Halberftadt baute und Prätorius in feinem Syntagma Musicum (1019) 
gefchildert hat. Und doch weift diefs Werk einen bedeutenden Fortfchritt auf; e 
finde >t fich hier fchon eine Scheidung der Pfeifen im Profpedt, des fogenannten 
Präftants oder Principals von demNachfatz oder Nafat, dem hinteren Pf feifenwerk, 
das aus Octaven und Quinten zufammengefetzt war, fo dafs der Präftant ohne de 
Nachfatz zu verwenden war. Das gefammte Pfeifenwerk wurde mit drei an 
in der Weife regiert, fo dafs das erfte und oberfte Manual, genannt der Discant, 
das volle Werk umfa Be das zweite nur für den Präftant diente, das dritte und 
unterfte das Pedal vertrat und mit der linken Hand zum zweiten Clavier gefpielt 
    
wurde. Die beiden oberen Claviere umfafsten eine chromatifche Scala von 
AC—ga, das untere von ZC—e. Aber wie unbeholfen geftaltete fich die Con- 
uction. Eine jede Tafte war drei Zoll breit und ftand einen halben Zoll von der 
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rächften ab. An ein Spielen mit den Fingern war nicht zu denken, weil die Taften 
einen fehr fchweren Gang hatten; die Manipulation mit denfelben verlangte viel- 
mehr die ganze Fauft. an der lange gebräuchliche Ausdruck: Orgelfchlagen. 
20 Blafebälge, getreten von IO Männern, verforgten die Pfeifen mit dem nöthi 
Wind. Den Klang fchildert Praetorius in feinem Syntagma Musicum (II. 99) als 
ein „tiffes, grobes braufen vnd grewliches grümmeln; auch wegen vielheit der 
Mixturpfeifen einen ’vberaus ftarken fchall vnd laut, vnd gewaltiges gefchrey....“ 
Das Werk hatte übrigens im Jahre 1489 eine durchgreifende Reparatur erfahren, 
bei welcher Gelegenheit auch das Pedal hinzugefügt wurde. Das ae war mit 
Stricken an die Pfeifenventile befeftigt und es hatte nur einen Umfang von acht 
Tönen, nämlich von ZC—%, und diente zur Verftärkung des erften Claviers, das 
heifst des Hauptmanuals. Die Erfindung des Pedals wird gewöhnlich an 
Mufiker in Venedig, Bernhard der Deutfche genannt (1470), zugefchrieben, allein 
es ift früheren Urfprungs und findet fich fchon an der grofsen Orgel in der Kirche 
St. Sebald zu Nürnberg, gebaut von Heinrich Drasdorf, vor. Ein weiterer Schrit 
von derSonderung des Präftanten und Hinterfatzes war dieScheidung des Hinter- 
fatzes felbft durch Sprineladen, vermittelft deren nun auch die Stimmen gefondert 
zur Anfprache zu bringen waren. Die den Claves der Taftatur entfprechenden 
Pfeifenreihen erhielten ihre Ventile, die fich beim Ziehen der Regifter mittelft 
Stecher öffneten und beim Abziehen durch Federdruck zurückfprangen, wovon 
der Name Springladen herrührt. Nach Prätorius war die Springlade fchon etwa 
200 I vor ihm „in gebrauch geweft“, ihre Erfindung mufs demnach in den 
Anfang des XV. ‚Jahrhundertes fallen, und vom Beginn des XVII. Jahrhundertes an 
kam nn die Schleiflade in Anwendung und hat fich in der Praxis bis auf den 
heutigen Tag erhalten. 
Der ehrw ürdige Prätorius würde nun allerdings ftaunen, wenn er plötzlich 
die von der Ausftellung vorgeführten Orgeln mit ihren modernen Colledtivzügen 
mit mannigfaltigen Klangfarben hören könnte, welche fämmtlich jenes drei- 
clavierige Ungeheuer an Ks ft und Glanz des Tones fchla agen würden, obwohl 
keines von ihnen mehr als zwei Claviere bietet, keines durch die Gröfse der 
Structur imponirt Es ift feit der erften Hälfte des XVII. Jahrhundertes, ja feit den 
Zeiten des Altmeifters der Orgel, des unfterblichen Sebaftian Bach, ein a. 
Fortfchritt gefchehen, ja ein Fortfchritt, der fogar jetzt den Charakter der Orge 
zu gefährden droht. Denn die fo beliebten Echowerke, das in Mode a 
Crescendo und Decrescendo, a mittelft eines Schwellers hervorgebracht 
wird, widerftreben eigentlich der Natur diefes Inftrumentes , welches weder 
ür den Ausdruck leidenfchaftlicher Gefühle, noch fentimaler Stimmungen 
berechnet ift. 
  
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