Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

     
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
   
  
  
  
   
    
   
  
  
  
  
Mufikalifche Inftrumente. 45 
Im deutfchen Reich concentrirt fich der Pianobau faft nur in den drei 
Städten Berlin, Leipzig und Stuttgart. Dresden und München befitzen zwar auch 
bekannte Firmen, doch find diefe nur vereinzelt dort zu finden. Ganz verfchieden 
find die drei erftgenannten Städte untereinander wieder in ihrer Fabrication. In 
Berlin exiftiren weit über 100 Pianofabriken, Berlin ift der Zahl nach unbedingt 
der Hauptpunkt, aber nur 5 Firmen bauen Flügel und unter diefen 5 Firmen 
ftehen nur Bechftein und Duyfen-obenan. Die übrigen Fabrikanten bauen nur 
Pianinos, welche fich aber keines befonderen Rufes erfreuen. Nur die Fabricate 
Schwechten’s und Biefe’s gelten als höchft vorzüglich und zwar mit Recht; 
die anderen Firmen liefern zwar billige, aber keineswegs empfehlenswerthe 
Waare. Stuttgart zählt über 20 Firmen, welche Flügel, Pianinos und Tafelpianos 
bauen. Die amerikanifchen Inftrumente dienen hier als Mufter, ohne Unterfchied 
und ohne die geringfte Veränderung, daher die zwar grofse, aber nichtsweniger 
als fympathifche Klangfarbe der Stuttgarter Fabricate. Der Export nach Amerika 
ift, wie fchon erwähnt wurde, ein bedeutender. Die Inftrumente gehen nach 
Amerika meiftens mit roher Aufsenfeite, ohne dafs fie lackirt oder polirt find. 
Auch Süd-Deutfchland bezog noch vor Kurzem feinen Bedarf an Flügeln, Pianinos 
und Harmoniums faft ausfchliefslich von Stuttgarter Firmen, unter denen die 
Firma J. &P. Schiedmayer den erften Platz einnimmt. Da aber die Stutt- 
garter Inftrumente in Betreff der Dauerhaftigkeit und der Mechanik nicht immer 
den gemachten Auforderungen entfprechen, fo find fie in letzterer Zeit weniger 
beliebt und man bezieht auch in Süd-Deutfchland jetzt die wenn auch theuereren 
aber befferen Inftrumente von Leipziger Fabriken. Leipzig hat zwar der Zahl nach 
nicht fo viele Gefchäfte als Stuttgart, aber die Qualität der verfendeten Pianos und 
Pianinos ift eine vorzüglichere. Selbft die kleineren Fabriken Leipzig’s mit 6 bis 8 
Arbeitern haben das Verdienft, nur annehmbare Waare auf den Markt zu bringen 
und dadurch ift es erklärlich, dafs jetzt Leipzig die beliebtefte und gefuchtefte 
Firma ift, welche man in einem Inftrumente fehen will. Leipzig producirt die 
meiften Flügel, von denen nur eine geringe Anzahl überfeeifch verfendet wird, da 
man dort von Deutfchland aus nur billige Waare verlangt. Leipzig gilt jetzt als 
der Hauptplatz des deutfchen Clavierbaues und Befitzer der beften und gröfsten 
der dortigen Pianofabriken ift Julius Blüthner, der renommirtefte Vertreter der 
Clavierinduftrie im nördlichen Deutfchland. 
Auch die Arbeiterverhältniffe geftalten fich in Leipzig beffer als in Stutt- 
gart und Berlin. Der ordentliche Arbeiter wird, da in einer Handelsftadt wie 
Leipzig Jeder arbeitet und es nicht fo viele Müffiggänger gibt als in den Refi- 
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denzen Stuttgart und Berlin, in jedem Kreife gefchätzt und geachtet und fein 
Verdienft ift trotz des billigen Lebensunterhaltes der befte Deutfchlands im 
Clavierbaufache. Es find fomit alle Bedingungen vorhanden, dafs fich der Clavier- 
bau in Deutfchland nicht nur auf feiner jetzigen Höhe erhalten, fondern noch 
immer vollkommener geftalten wird. 
In der franzöfifchen Abtheilung traten uns die drei erften Firmen von 
Paris: Erard, Herz und Pleyel, jede mit einer entfprechenden Anzahl von 
Inftrumenten entgegen. Stolz und im Bewufstfein ihrer grofsen Verdienfte haben 
fie fich an der Preisbewerbung nicht betheiligen mögen. Das läfst fich übrigens 
bei P. & Et. Erard vollkommen begreifen. Diefe Firma, entftanden im Jahre 1780, 
ift fo lange ein fchimmerndes Vorbild gewefen und prangt noch jetzt im vollen 
Glanze ihres Weltruhms, dafs ein neues Ehrenzeichen ihr Anfehen nicht mehr 
erhöhen kann. Die Firma hat fich überdiefs, unbekümmert um den Flügelfchlag 
der Zeit, behaglich auf ihren reichlichen Lorbeeren zur Ruhe gefetzt. Begründet 
fich doch auf ihr der grofsartige Auffehwung, den das Clavier durch die Ausbildung 
feiner Mechanik in unferen Tagen gewonnen hat. Sie fteht übrigens in Betreff deı 
Leiftungen fowohl wie des Betriebes gegenwärtig noch auf derfelben Höhe wie 
vor Jahrzehnten. In ihrer Fabrik find angeblich 1000 Arbeiter befchäftigt und 
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