Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

  
  
  
  
  
  
  
54 Eduard Schelle, 
vorzüglichen Eigenfchaften auszurüften, welche bis jetzt nur die Frucht der Zeit 
und des Gebrauches find. Auch nach diefer Richtung hin find verfchiedene Ver- 
fuche gemacht worden. So kam Vouilleaume in Brüffel auf die Idee, durch chemi- 
[che Präparate das Holz dem der alten Geigen ähnlich zu machen. Die aus diefem 
Materiale angefertigten Inftrumente zeichneten fich durch einen herrlichen, echt 
italienifchen Ton aus. Leider waren diefe Vorzüge von kurzer Dauer; die Geigen 
bewährten fich nicht und verloren in Folge deffen ihren Werth. Einen ähnlichen 
Verfuch dürften wir auch in dem Inftrumente entdecken, welches Herr Georg 
Gemünder aus New-York in der amerikanifchen Abtheilung unter dem prun- 
kenden Titel „Kaifervioline“ ausgeftellt hat. Dagegen würde freilich der Erbauer 
proteftiren, denn er erklärt felbft in der kleinen Schrift, dafs er mit Hilfe dreier 
Wiffenfchaften, der Mathematik, Akuftik und Kenntnifs in der Auswahl des Holzes 
das Syftem der italienifchen Schule nicht nur erfafst, fondern in demfelben auch 
Fehler entdeckt habe. „Ich habe ausgefunden, dafs die alten Meifter in ihrer 
mathematifchen Eintheilung und in der verfchiedenen Dicke der Ausarbeitung der 
Deckel und der Böden nicht zur Vollkommenheit gelangt find, fondern Fehler be- 
gangen haben. Diefe Fehler habe ich bei Anfertigung meiner Violinen zu ver- 
meiden gefucht und glaube, diefe meine Aufgabe gelöft zu haben.“ So äufsert er 
fich felbft und erzählt uns auch im Weiteren, dafs er Violinen in Nachahmung der 
alten Vorbilder verfertigt habe, welche grofse Künftler, Kenner und Autoritäten 
erften Ranges von Europa und Amerika für echte, alte, italienifche Geigen aner- 
kannt hätten, nicht ihres Tones wegen, fondern auch in der ganzen äufseren 
Erfcheinung. Das klingt nun allerdings fehr erbaulich; es hat aber viele berühmte 
Geigenbauer gegeben, welche mit denfelben Wiffenfchaften und den gleichen 
Talenten ausgerüftet waren und dennoch das Ziel trotz aller angeftrengten 
Bemühungen nicht erreichten. Wir hegen, offen geftanden, ungeachtet jener Ver- 
ficherungen den Argwohn, dafs Herr Gemünder dennoch zu einer chemifchen 
Behandlung des Holzes feine Zuflucht genommen hat. Die in Rede ftehende 
Geige, eine getreue Copie nach Giufeppe Guarneri, ift in der That fehr fchön dem 
Aeufsern nach und von ganz vorzüglichem Ton. Allein um den exorbitanten, 
echt amerikanifchen Preis von 10.000 Dollars, das ift gegen 20.000 Gulden, zu 
entfchuldigen, müfsten ihre Vorzüge erft‘ die Zeitprobe beftehen. Ein echter 
Guarneri koftet kaum den fünften Theil diefer Summe; wer einen folchen befitzt, 
weils, was er für die Zukunft hat, bei der Geige des Herrn Gemünder mufs es 
aber erft die Zukunft lehren. 
Die Geigenfabrication war auf der Ausftellung am reichlichften in der 
öfterreichifchen, deutfchen und italienifchen Abtheilung vertreten, wenn wir die 
Anzahl der Firmen zum Mafsftab nehmen. Unter ihnen ftehen felbftverftändlich 
Lemböck und Bittner, fchon wegen der vielen Verdienfte, die fie fich um den 
Geigenbau erworben haben, voran. 
Lemböck Gabriel, deffen Etabliffement feit 1840 befteht, hatte eine Anzahl 
Geigen, Copien nach A. Stradivari, Giuf. Guarneri, Maggini, Bergonza, per Stück 
100 bis 150 fl. öfterreichifcher Währung, ferner Violen und Celli, die letzteren per 
Stück 200 fl. öfterreichifcher Währung, ebenfalls Copien nach den genannten 
Meiftern ausgeftellt. Die Violinen Lemböck’s haben einen vollen, aber zum Theil 
etwas harten Ton. Am meiften fpricht die Copie nach Maggini an, die einen 
weicheren und anmuthigeren Klang als die anderen entfaltet. Befonders gelungen 
ift dem Meifter eine Viola, deren Ton dem Charakter der alten italienifchen 
Mufter nahekommt. Die beiden Celli zeichnen fich mehr durch Stärke als durch 
Nobleffe des Tones aus. Die fämmtlichen Inftrumente find fchon wegen ihrer 
guten, foliden Bauart durchaus preiswürdig. Eben fo rühmlich wie Lemböck 
bewährte fich auch Bittner David in feinen vorgeführten Inftrumenten. Diefelben 
beftehen in 4 Violinen, per Stück ı00 fl., 2 Violen per Stück 80 fl., 6 Violon- 
cellos perStück 140 fl. und einer Viola d’amore zu 60 fl. öfterreichifcher Währung. 
  
     
   
  
   
    
  
   
   
   
  
  
  
   
    
    
  
  
     
   
    
    
   
    
    
   
  
    
   
  
   
   
   
  
    
  
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