Allgemeine Bewaffnung und Artilleriewefen. 89
General Mattei und Oberft Roffi conftruirten nun ein Feldgefchütz von
folcher Leichtigkeit, dafs die Piecen der Divifionsbatterien mit je zwei, die der
Refervebatterien mit je vier Pferden fortzubringen waren. Der Kaliber war ein-
heitlich (6°5 Centimeter), das Gefchütz follte jedoch zweierlei Gefchoffe, leichtere
und fchwerere, fchiefsen. Die Idee diefer beiden Conftructeure mufste aber nach
den erften Verfuchen wieder aufgegeben werden, wie überhaupt das ganze, mit
grofsem Aufwande von Scharffinn combinirte, urfprüngliche Syftem Mattei-Roffi
(Vorderladung) jenen Anfchauungen zum Opfer fiel, welche nach den Eıfolgen
der deutfchen Artillerie in den Jahren 1870 und 1871, in Italien Platz griffen. Man
entfchied fich für Hinterlader, und wählte für das leichte Gefchütz den
Kaliber von 7'5 Centimeter und als Material die Bronce, während dem
Vernehmen nach für die Referveartillerie gufsftählerne 97-Centimeter-
Kanonenin Ausficht genommen wurden.
Das italienifche Kriegsminifterium hatte ein completes 7'5 - Centimeter-
Gefchütz nach Wien gefendet, deffen Befchreibung nunmehr folgt.
Das 75 Centimeter broncene Rohr befteht aus einem conifchen
Vorderftücke, einem cylindrifchen Mittelftücke und aus dem einen Vierkant bilden-
den Hinterftücke, in welch’ letzterem das Querloch für den Verfchlufsmechanismus
ausgenommen ift. Diefe drei fcharfmarkirten Rohrtheile find durch Hohlkehlen
verbunden. Der Durchmeffer des Laderaumes beträgt 7'9 Centimeter, deffen
Länge 26 Centimeter, der conifche Anlauf, welcher den gezogenen Theil mit dem
Laderaum verbindet, ift 3:0 Centimeter lang; die totale Seelenlänge mifst
159 Centimeter. Die Axen des Laderaumes und der gezogenen Seele fallen
nicht überein, fondern differiren um 0:7 Centimeter. In Folge diefer Einrichtung
wird das Gefchofs fchon von Anbeginn mit feiner Längenaxe in jene der
gezogenen Bohrung gebracht. Die letztere enthält zwölf linksgängige Keilzüge
von gleicher Tiefe (1:3 Millimeter). Die Dralllängen der Führungs- und Lade-
Hächen betragen 3:50 Meter, beziehungsweife 3'643 Meter, und entfpricht den-
felben ein Drallwinkel von 3 Grad 51 Minuten.
Die Schildzapfen,, deren Axe jene der Seele fenkrecht durchfchneidet,
befitzen einen weitaus gröfseren Durchmeffer als fonft üblich, find jedoch, um das
Gewicht des Rohres nicht zu vergröfsern, ausgehöhlt. Das Zündloch ift in einem
Kupferftollen gebohrt und fenkrecht zur Rohraxe geftellt. Das Gefchütz hat nur
eine Vifirlinie und find Auffatz und Vifirkorn an der linken Seite des Rohres
angebracht. Zur Aufnahme des eifernen Vifirkornes befitzt das Rohr am Vorder-
ftück einen cylindrifchen Angufs, deffen verticale Axe IOo0o Centimeter von der
Bodenfläche des Hinterftückes abfteht. An der rückwärtigen Fläche des Rohres
ift an der linken Seite eine Hülfe mit einer fünfkantigen Aushöhlung zur Aufnahme
des Auffatzes angegoffen.
Das Gefchütz hat den Rundkeil-Verfchlufs, welcher jedoch gegen
das Krupp’fche Original einige Abweichungen zeigt. So ift der Broadwellring in
die Stahlplatte des Verfchlufskeiles eingefetzt und für feine Anlehnung ein Stahl-
ring in die Bohrung eingefügt, ferner zwifchen Stahlplatte und Keil eine zwei
Centimeter dicke Kupferfcheibe eingefetzt.
Das Gewicht des Rohres beträgt ohne Verfchlufs 271, mit Verfchlufs
302 Kilogramm.
Die Laffete hat eifenblecherne Wände mit anfgebogenen Rändern
und Thonet’fche Räder; die Schildzapfen- und Achslager, fowie die Protzloch-
Schiene find aufgenietet. Hinter der Richtmafchine zwifchen den Wänden if
ein hölzernes Stöckel angebracht, in welchem zwei cylindrifche Löcher für je
eine Büchfenkartätfche ausgebohrt find. Die Laffete hat weiters eine gewöhn-
liche Balkenbremfe mit eifernen Reibfchuhen, welche vom linken Achs-
fitze aus mittelft eines Hebels und Zahnbogens, wie bei leichten Privat-Fuhr-
werken geftellt werden kann. Die Achfe ift aus Stahl und hat einen conifchen,
mit einer, Rippe verftärkten Achsftock. Die Richtmafchine befteht
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